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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Für die demokratische Republik

»Die Faschi­sten stan­den zehn Meter im Umkreis mit ange­schla­ge­nem Gewehr um uns her­um. Ich sog die Luft in vol­len Zügen ein. Ver­flucht! Es ist schwer zu ster­ben. Mit die­sen Gedan­ken ging ich wie­der zu mei­nen Kame­ra­den, die gera­de dar­über debat­tier­ten, was sie vor der Erschie­ßung rufen soll­ten. Eini­ge woll­ten ›Es lebe die Frei­heit‹, ande­re ›Es lebe der Sozia­lis­mus‹, wie­der ande­re woll­ten ›Es lebe der Kom­mu­nis­mus‹ rufen. Ich ent­schied ›Wir rufen: Es lebe die Repu­blik, denn schließ­lich sind wir nach Spa­ni­en gekom­men, um die Repu­blik zu ver­tei­di­gen; damit ver­tei­di­gen wir auch die Demo­kra­tie, Frei­heit, Sozia­lis­mus und unse­re deut­sche Hei­mat.‹ Dabei blieb es dann auch.« Das berich­tet Robert Weinand aus Essen in sei­nen Erin­ne­run­gen, die in einem klei­nen Band der Rei­he »Kin­der des Wider­stan­des« von sei­ner Toch­ter zitiert wer­den. Auch dass die deut­schen Anti­fa­schi­sten im letz­ten Moment gegen gefan­ge­ne ita­lie­ni­sche Faschi­sten aus­ge­tauscht wur­den und somit überlebten.

Es ging um die Ver­tei­di­gung der spa­ni­schen Repu­blik und damit um die Demo­kra­tie und auch um die sozia­li­sti­sche Per­spek­ti­ve. Eine wich­ti­ge Erkennt­nis und Ent­schei­dung. In der Situa­ti­on vor dem Erschie­ßungs­kom­man­do die prin­zi­pi­el­le Klar­heit zu for­mu­lie­ren, dazu gehört etwas. Es war die Erfah­rung mit fal­schen Losun­gen aus der Wei­ma­rer Zeit, die da mit­spiel­te. So jener von lin­ken Jusos und auch Kom­mu­ni­sten, die sich etwa in Devi­sen wie »Repu­blik, das ist nicht viel, Sozia­lis­mus ist das Ziel« oder auch in Wen­dun­gen wie »Schwarz-Rot-Mostrich« für die Far­ben der Repu­blik aus­ge­drückt hatten.

Auch heu­te trifft man wie­der Sek­tie­rer­tum und Gering­schät­zung der par­la­men­ta­ri­schen Demo­kra­tie an. So wenn die Klug­heit der gro­ßen Mas­sen, die im ersten Halb­jahr 2024 gegen die AfD auf die Stra­ßen gin­gen, nicht gewür­digt wird. Wenn behaup­tet wird, das len­ke »vom wirk­li­chen Geg­ner, dem Mono­pol­ka­pi­tal« ab oder sei eine Unter­stüt­zung der Poli­tik der »Zei­ten­wen­de«.

Die Mas­sen, die »Nie wie­der 33« auf ihre Schil­der schrie­ben, sol­len in Wirk­lich­keit eine Kriegs­po­li­tik gewollt haben? Ja, es gab neben anti­fa­schi­sti­schen Red­nern auch sol­che, die anson­sten Ampel­po­li­tik machen und die Mikro­fo­ne miss­brauch­ten, aber es gab nie Schil­der der Demon­stran­ten pro Kriegs­po­li­tik. Wer mehr als nur »Nie wie­der« aus­drücken woll­te, hat­te Schil­der dabei wie wir in Dort­mund: »Die AfD macht die Het­ze, die Ampel die Gesetze.«

In der Tat ist es so, dass star­ke außer­par­la­men­ta­ri­sche Bewe­gun­gen eine Umkehr des heu­ti­gen ver­hee­ren­den Kur­ses mög­lich machen kön­nen. Dazu bedarf es eines Zusam­men­ge­hens aller gro­ßen Bewe­gun­gen wie »Fri­day for Future«, Frie­dens­kräf­ten und der Bewe­gung gegen die AfD. Dann kön­nen wir tat­säch­lich auf gesell­schaft­li­chen Fort­schritt hoffen.

Die demo­kra­ti­sche Repu­blik ver­tei­di­gen, wie jene ein­gangs zitier­ten deut­schen Inter­bri­ga­di­sten, das ist die Auf­ga­be der Stun­de. Wenn heu­te der Vor­rang des Kamp­fes für den Frie­den und für die gewerk­schaft­li­chen Posi­tio­nen betont wird, ist es ver­ständ­lich. Gro­ße Mas­sen der Jugend sind jedoch der Mei­nung, es könn­te pas­sie­ren, dass wir infol­ge des Kli­ma­wan­dels die letz­te Gene­ra­ti­on sind und dass für den drit­ten Welt­krieg gar kei­ne Zeit mehr bleibt. Dar­über muss gespro­chen wer­den, nicht reden ist kei­ne Lösung.