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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Gruß für »kriminellen« Ur-Berliner

Schon immer habe ich ein Fai­ble für Leu­te, die einen soli­den und aus­kömm­li­chen Beruf erlern­ten, sel­bi­gen aber eines schö­nen oder unschö­nen Tages an den siche­ren Nagel häng­ten, um sich einem eher unsi­che­ren Hob­by hin­zu­ge­ben: Der Jurist Kurt Tuchol­sky, der Arzt Alfred Döb­lin und vie­le ande­re gehö­ren dazu, und ich will auf deren Auf­li­stung der Unvoll­stän­dig­keit hal­ber bes­ser ver­zich­ten. Aus dem Kreis der Tuchol­sky-Ver­eins­mit­glie­der betrifft das unter ande­rem den Diplom­in­ge­nieur für Infor­ma­ti­ons­tech­nik Hel­mut Eiker­mann, der nach Jahr­zehn­ten bra­ver Pflicht­er­fül­lung beim DDR-Rund­funk nicht nur zum Ber­li­ner Kri­mi­nal­schrift­stel­ler, son­dern auch zum Syn­onym Jan Eik mutier­te. Jetzt steht sein 80. Geburts­ju­bi­lä­um an, wozu ich herz­lich gratuliere.

Am 16. August 1940 in Ber­lin-Fried­richs­hain gebo­ren, hält es Jan Eik bis zur Gegen­wart im fin­ste­ren Ber­li­ner Osten aus. Er glitt in die DDR hin­ein und war 40 Jah­re lang – wenn auch nach­ein­an­der – Schü­ler, Pio­nier, FDJ-Mit­glied, Gewerk­schafts­zu­ge­hö­ri­ger, sozi­al­ver­si­cher­ter Inge­nieur, Tra­bi­fah­rer, Dat­schen­päch­ter und vor allem kri­tisch-sati­ri­scher Zeit­ge­nos­se. Er war zwar kein DDR-Dis­si­dent, aber DDR-Skep­ti­ker, was sich auch in sei­nem Hob­by, der Schrei­be­rei, nie­der­schlug. Sein beson­de­res Inter­es­se galt dem Ber­li­ner Lokal­ko­lo­rit sowie undurch­sich­ti­gen DDR-Gescheh­nis­sen mit kri­mi­nel­lem Touch wie bei­spiels­wei­se dem Brand im Funk­haus 1955. Sie fan­den ihren Nie­der­schlag in Bei­trä­gen und Büchern, so in dem Band »Atten­tat auf Hon­ecker und ande­re beson­de­re Vor­komm­nis­se«, in Recher­chen über den Tod von Poli­ti­kern und Künst­lern wie Wer­ner Lam­berz, Erich Apel und Dean Reed sowie als Autor der Weltbühne, für die er auch Thea­ter­kri­ti­ken schrieb. Mit Horst Bosetz­ky ging er kri­mi­nel­len Vor­gän­gen der 30er und 40er Jah­re nach, unter ande­rem den von einem stram­men Karls­hor­ster SA-Mann und stolz uni­for­mier­ten Reichs­bah­ner began­ge­nen S-Bahn-Mor­den auf dem Rum­mels­bur­ger Streckenabschnitt.

Seit 1987 arbei­tet Jan Eik als frei­er Autor. Er ver­öf­fent­lich­te bis­her 40 Bücher, ent­wickel­te sich zum aner­kann­ten Kri­mi-Fach­mann und zum pro­fun­den Mit­glied des Schrift­stel­ler­ver­ban­des und wur­de mit dem »Hand­schel­len­preis« und dem »Kri­mi-Fuchs« geehrt. Er schrieb Hör­spie­le, arbei­te­te für die DDR-Sen­de­rei­he »Der Staats­an­walt hat das Wort« und »ent­tarn­te« den Kri­mi­nal­schrei­ber Jer­ry Cot­ton. Als Mit­glied der Kurt-Tuchol­sky-Gesell­schaft prä­sen­tier­te sich Jan Eik mehr­mals als Tagungs­re­fe­rent und war Spre­cher der Jury für den »Kurt-Tuchol­sky-Preis für lite­ra­ri­sche Publizistik«.

Da die Poli­zei­sta­ti­stik für Ber­lin laut Ber­li­ner Zei­tung vom 10. März 2020 für das Jahr 2019 eine höhe­re Kri­mi­na­li­täts­ra­te quit­tiert als im Vor­jahr, und das bei einer Auf­klä­rungs­quo­te von 44,7 Pro­zent, dürf­te es ihm auch künf­tig an Stoff nicht feh­len. Von sei­nem Ber­li­ner Kolo­rit darf und soll er sich dabei nicht abbrin­gen las­sen, denn »Der Ber­li­ner sacht imma mir, ooch wenn›t rich­tich is!« Und falls ihm in der gegen­wär­ti­gen »coro­nä­ren« Situa­ti­on einer zu nahe tritt, kann er sich als ech­ter Ber­li­ner der gefähr­li­chen Lage viel­leicht wie folgt erweh­ren: »Stell› dir jefäl­lichst nich so dich­te bei mir ran! Jeh› bei Mut­tan!« (sie­he Jan Eik: »Der Ber­li­ner Jar­gon«, Jaron-Ver­lag, 3. Auf­la­ge 2018, S. 34 und S. 39.)