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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Instrumentalisierte Chemiewaffenkontrolle?

Die Mani­pu­la­tio­nen am Bericht der Orga­ni­sa­ti­on zum Ver­bot von Che­mie­waf­fen (OPCW) über einen angeb­li­chen Gift­gas­an­griff in Duma, die von drei an den Unter­su­chun­gen betei­li­gen Inspek­to­ren ent­hüllt wur­den (s. Ossietzky 24/​2019), fügen sich ein in eine gan­ze Rei­he von Fäl­len, bei denen die USA und ihre Ver­bün­de­ten Ein­fluss auf die OPCW zur Legi­ti­mie­rung ihrer Poli­tik nahmen.

In Vor­be­rei­tung des Irak­kriegs kaltgestellt

Der Ruf kon­se­quen­ter Unpar­tei­lich­keit, den die OPCW anfäng­lich hat­te, war schon vor den Ent­hül­lun­gen ange­kratzt. So setz­te die Admi­ni­stra­ti­on von Geor­ge W. Bush 2002 in Vor­be­rei­tung des Irak­krie­ges die Abset­zung des ersten OPCW-Gene­ral­di­rek­tors, José Bus­ta­ni, durch.

Der bra­si­lia­ni­sche Diplo­mat war gera­de mit gro­ßem Lob für eine neue fünf­jäh­ri­ge Amts­zeit wie­der­ge­wählt wor­den. Sei­ne kurz vor dem erfolg­rei­chen Abschluss ste­hen­den Bemü­hun­gen, Bag­dad zum Bei­tritt zur Che­mie­waf­fen­kon­ven­ti­on zu bewe­gen, kamen jedoch den Fal­ken in Washing­ton in die Que­re. Schließ­lich woll­ten die­se ihren Irak-Feld­zug mit einer angeb­li­chen Bedro­hung durch ver­heim­lich­te Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen des Irak recht­fer­ti­gen. Nach dem Bei­tritt zur Kon­ven­ti­on wäre das Land den­sel­ben Inspek­tio­nen unter­wor­fen wor­den wie alle ande­ren Mit­glied­staa­ten. Unab­hän­gi­ge OPCW-Inspek­to­ren hät­ten die west­li­chen Mili­tärs und Rüstungs­exper­ten abge­löst, die haupt­säch­lich die UNS­COM-Teams bil­de­ten und häu­fig ‒ wie bekannt gewor­den war ‒ auch Spio­na­ge­tä­tig­kei­ten aus­üb­ten. Die Mär von Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen wäre unhalt­bar geworden.

José Bus­ta­ni gehört zum Kreis derer, denen sich der OPCW-Whist­le­b­lower »Alex« im Okto­ber 2019 anver­traut hat (s. Ossietzky 24/​2019). Der von ihm mit­un­ter­zeich­ne­ten Erklä­rung des Forums füg­te Bus­ta­ni noch hin­zu: »Die über­zeu­gen­den Bewei­se für regel­wid­ri­ges Ver­hal­ten bei der OPCW-Unter­su­chung des angeb­li­chen che­mi­schen Angriffs der Duma bestä­ti­gen Zwei­fel und Befürch­tun­gen, die ich bereits hat­te. Was ich in der inter­na­tio­na­len Pres­se las, ergab kei­nen Sinn. Offi­zi­el­le Unter­su­chungs­be­rich­te selbst erschie­nen mir besten­falls inkohärent.«

Wei­te­re frag­wür­di­ge Unter­su­chun­gen ‒ der Fall Khan Sheikhun

Inko­hä­renz und Ein­sei­tig­keit zeich­ne­ten auch die Unter­su­chun­gen zu frü­he­ren angeb­li­chen Gift­gas­an­grif­fen in Syri­en aus. Das gilt ins­be­son­de­re für den Angriff in Khan Sheikhun am 4. April 2017, bei dem über 80 Men­schen ums Leben kamen. Die Par­al­le­len zu Duma sind nicht zu übersehen.

Der Westen mach­te auch hier sofort die syri­sche Regie­rung für das Mas­sa­ker ver­ant­wort­lich, und US-Prä­si­dent Trump ord­ne­te ‒ auch hier kei­ne Unter­su­chung abwar­tend ‒ sei­nen ersten dies­be­züg­li­chen »Ver­gel­tungs­schlag« gegen Syri­en an. Die US-Luft­waf­fe feu­er­te drei Tage spä­ter 59 Crui­se-Mis­siles auf den syri­schen Mili­tär­flug­ha­fen asch-Schaʿi­rat, von dem aus der Angriff angeb­lich gestar­tet wor­den sei.

Spä­ter recht­fer­tig­te das Wei­ße Haus in einem als Bericht der »US-Geheim­dien­ste« dekla­rier­ten Papier die Angrif­fe. Das Schrift­stück erklär­te es als erwie­sen, dass »das syri­sche Regime einen Angriff mit Che­mie­waf­fen, das Ner­ven­gift Sarin nut­zend, gegen ihre eige­ne Bevöl­ke­rung durch­ge­führt« habe. Es stütz­te sich dabei im Wesent­li­chen auf drei Behaup­tun­gen: Der Angriff sei aus der Luft erfolgt, dabei sei Sarin ein­ge­setzt wor­den, und nur die syri­sche Armee habe die Mög­lich­keit, sich Gift­gas wie Sarin zu beschaffen.

Die Unter­su­chung des Vor­falls wur­de schließ­lich vom UN-Sicher­heits­rat dem Gemein­sa­men Inve­sti­ga­tiv­me­cha­nis­mus (Joint Inve­sti­ga­ti­ve Mecha­nism, kurz JIM) über­tra­gen, einem gemein­sa­men Ermitt­lungs­aus­schuss aus OPCW und UNO, für den die Arbeit der OPCW Fact-Fin­ding Mis­si­on (FFM) die Basis bil­de­te. In sei­nem Ende Okto­ber 2017 ver­öf­fent­lich­ten Abschluss­be­richt bestä­tig­te der Aus­schuss dann auch die frü­hen Vor­wür­fe. Auch wenn ihr Bericht von viel­fa­chem »ver­mut­lich«, »wahr­schein­lich« und »mög­li­cher­wei­se« geprägt ist, zeig­ten sich die Autoren am Ende über­zeugt, dass die zusam­men­ge­tra­ge­nen Infor­ma­tio­nen »klar bewei­sen« wür­den, dass Syri­en für den Ein­satz von Sarin in Khan Shaykhun ver­ant­wort­lich gewe­sen sei. Das Gift­gas sei durch eine aus einem Flug­zeug abge­wor­fe­ne Bom­be frei­ge­setzt worden.

Ein zwei­fel­haf­ter Bombenkrater

Als wich­ti­ger Beleg dafür dient dem JIM ein Kra­ter in einer Stra­ße im nörd­li­chen Teil Khan Sheik­huns, der bereits in den ersten Fotos über den Vor­fall als Ein­schlag­loch des Angriffs prä­sen­tiert wur­de. Die­ser sei auch ihren Erkennt­nis­sen nach mit gro­ßer Wahr­schein­lich­keit von der Bom­be ver­ur­sacht wor­den, die das mut­maß­li­che Gift­gas freisetzte.

Dar­an gab es jedoch früh star­ke und gut begrün­de­te Zwei­fel. Auf der Basis einer gründ­li­chen Ana­ly­se des vor­ge­leg­ten Bild­ma­te­ri­als hat­te der eme­ri­tier­te Pro­fes­sor Theo­do­re A. Postol von der US-Hoch­schu­le MIT die The­se bereits in sei­ner Bewer­tung des US-Geheim­dienst­be­richts als unplau­si­bel zurück­ge­wie­sen. Der aus­ge­wie­se­ne Exper­te für Waf­fen­tech­no­lo­gie und -kon­trol­le hielt es für wahr­schein­li­cher, dass der Kra­ter von einer am Boden plat­zier­ten Bom­be oder einer Artil­le­rie­gra­na­te auf­ge­ris­sen wor­den sei. Wie er aus­führ­lich erläu­tert, kön­ne die Stel­le auch kaum der Ort des Angriffs gewe­sen sein. Der Kra­ter lie­ge an der nörd­li­chen Spit­ze eines Drei­ecks, in dem die Opfer gefun­den wur­den. Hät­te sich das Gift­gas von hier aus aus­ge­brei­tet, so hät­ten auch die Bewoh­ner in der unmit­tel­ba­ren Nach­bar­schaft betrof­fen sein müs­sen. Die Fotos von Opfern, die auf dem Boden lie­gend behan­delt wer­den, wür­den auch eine ganz ande­re Umge­bung zei­gen als die um den Kra­ter. Das Foto eines unge­schütz­ten Man­nes an sei­nem Rand, auf­ge­nom­men kur­ze Zeit nach dem angeb­li­chen Angriff, bele­ge zudem ein­deu­tig, dass hier kein Sarin frei­ge­setzt wur­de. Sonst wären noch genü­gend Reste des Gift­stoffs im Kra­ter­loch ver­blie­ben, die ihn umge­hend getö­tet hätten.

Auch wenn man Postols Schlüs­se nicht für zwin­gend hält, so sind sie so gut begrün­det, dass sie auf alle Fäl­le hät­ten berück­sich­tigt wer­den müs­sen. Der JIM-Bericht geht jedoch nicht dar­auf ein, obwohl die Inspek­to­ren die Mög­lich­keit nicht aus­schlie­ßen konn­ten, dass der Kra­ter durch eine auf der Stra­ße plat­zier­te »impro­vi­sier­te Spreng­vor­rich­tung« ver­ur­sacht wur­de. Dies wur­de aber als weni­ger wahr­schein­lich erach­tet, da kein Augen­zeu­ge ent­spre­chen­de Vor­be­rei­tun­gen gese­hen habe und ihnen die Schä­den an umlie­gen­den Gebäu­den als zu gering erschie­nen. Ein Zeu­ge hat­te aller­dings berich­tet, dass er gegen 7 Uhr durch eine Explo­si­on geweckt wor­den sei, ohne dass er ein Flug­zeug bemerkt habe. Die von Postol genann­te Mög­lich­keit einer ein­ge­schla­ge­nen Artil­le­rie­gra­na­te wur­de nicht geprüft. Eine defi­ni­ti­ve Klä­rung war ohne­hin nicht mehr mög­lich, da die ört­li­chen isla­mi­sti­schen Mili­zen den frag­li­chen Kra­ter bald nach dem Vor­fall zuge­schüt­tet hatten.

Der inve­sti­ga­ti­ve Jour­na­list Gareth Por­ter führ­te spä­ter in sei­ner Kri­tik an den ersten von UN-Kom­mis­si­on und OPCW ver­öf­fent­lich­ten Unter­su­chungs­er­geb­nis­sen eine Rei­he wei­te­rer gewich­ti­ger Indi­zi­en gegen die The­se auf, der Kra­ter sei von einer Che­mie­waf­fe erzeugt wor­den. (»Have We Been Decei­ved Over Syri­an Sarin Attack?« Alter­Net, 11.9.2017) So ver­si­cher­ten ihm zwei ehe­ma­li­ge Spe­zia­li­sten der US-Regie­rung, dass es kei­ne che­mi­sche Waf­fe gebe, die einen so gro­ßen Kra­ter erzeu­gen könn­te. Außer zwei Metall­tei­len schwer defi­nier­ba­ren Ursprungs waren auch kei­ne Reste einer sol­chen Bom­be gefun­den wor­den. Pierre Sprey, ein Luft­fahrt­in­ge­nieur, der vie­le Jah­re im Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­ri­um als Waf­fen­ana­lyst gear­bei­tet hat­te, bezwei­fel­te daher eben­falls, dass die foto­gra­fier­te Sze­ne­rie am Kra­ter echt war. Auf jeden Fall hät­te man noch gro­ße Stücke der Bom­be in sei­ner Nähe sehen müs­sen. Auf den Fotos, die ihn kurz nach dem Angriffs­zeit­punkt zei­gen, waren aber nicht ein­mal Erd- und Asphalt­brocken zu sehen, die aus ihm her­aus­ge­schleu­dert wor­den sein müss­ten. Erfah­re­nen Inspek­to­ren soll­ten die­se irri­tie­ren­den Details eben­falls auf­ge­fal­len sein.

Sarin nie bewiesen

Auch Sarin als Ursa­che der Ver­gif­tun­gen kann kei­nes­falls als bewie­sen betrach­tet wer­den. Die FFM hat­te sich früh dar­auf fest­ge­legt, das Ner­ven­gift aber letzt­lich nicht zwei­fels­frei nach­wei­sen kön­nen. Es könn­te sich, so muss­te sie im Bericht ein­räu­men, auch um ande­re Sub­stan­zen gehan­delt haben, die ähn­li­che Bestand­tei­le haben. Die frag­wür­di­ge Durch­füh­rung der Unter­su­chun­gen ver­stärk­te die Zwei­fel. Da das Gebiet unter Kon­trol­le »einer geli­ste­ten ter­ro­ri­sti­schen Orga­ni­sa­ti­on (Nus­ra Front)« stand, wie es im JIM-Bericht heißt, führ­ten die Inspek­to­ren aus Sicher­heits­grün­den kei­ne Unter­su­chun­gen vor Ort durch, son­dern arbei­te­ten von der Tür­kei aus. Blut­pro­ben ent­nah­men sie Opfern, die in dor­ti­ge Kli­ni­ken ein­ge­lie­fert wor­den waren. Pro­ben vom Boden, Mate­ri­al et cete­ra erhiel­ten sie von einer nicht nament­lich genann­ten Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­ti­on, ver­mut­lich die Weißhelme.

Nie­mand kann somit mit Sicher­heit sagen, ob die an Ver­gif­tung lei­den­den Pati­en­ten und die Pro­ben tat­säch­lich von den ange­ge­be­nen Orten stamm­ten, und Mani­pu­la­tio­nen aus­schlie­ßen. Von einer den Regeln ent­spre­chen­den Unter­su­chung unter Ein­hal­tung der Kon­troll- oder Sorg­falts­ket­ten (»Chain of Cus­t­ody«), kann ‒ wie im Bericht selbst ein­ge­räumt wird ‒ kei­ne Rede sein. Aus­ge­wer­tet wur­den die Pro­ben zwar von Labo­ren, die nach ISO-Norm zer­ti­fi­ziert sind, jedoch dem Gesund­heits­mi­ni­ste­ri­um der Tür­kei unter­ste­hen, die wie­der­um eine Kriegs­par­tei ist.

Mit den zur Ver­fü­gung ste­hen­den Tests kann Sarin, das sich schnell zer­setzt, nicht direkt nach­ge­wie­sen wer­den. Viel­mehr kön­nen nur die bei der Zer­set­zung ent­ste­hen­den Ver­bin­dun­gen gefun­den wer­den. Im mensch­li­chen Kör­per ist das vor allem Iso­pro­pyl­me­thyl­phos­pho­nat (IMPA). Ein posi­ti­ver Test auf die­ses Mole­kül ist jedoch kein Beweis, dass der Aus­gangs­stoff Sarin war, da IMPA auch Zer­falls­pro­dukt ande­rer Ver­bin­dun­gen ist. Wenn bei­spiels­wei­se Pati­en­ten, die nicht Sarin aus­ge­setzt waren, eine gesund­heit­lich unbe­denk­li­che Dosis IMPA, das im Han­del erhält­lich ist, ver­ab­reicht wor­den wäre, wür­den sie, wie Por­ter ermit­tel­te, in OPCW-Labo­ren eben­falls posi­tiv auf Sarin gete­stet werden.

Erste Opfer bereits vor dem Angriff

Da kei­ne Augen­zeu­gen vor Ort befragt wer­den konn­ten, lie­ßen die Inspek­to­ren »Ret­tungs­per­so­nal und Kom­man­dan­ten nicht­staat­li­cher bewaff­ne­ter Grup­pen« zur Befra­gung anrei­sen, mit ande­ren Wor­ten Ange­hö­ri­ge der Weiß­hel­me und Anfüh­rer der dschi­ha­di­sti­schen Mili­zen, die das Gebiet kon­trol­lier­ten. Es sind die Aus­sa­gen sol­cher frag­wür­di­gen Zeu­gen, die letzt­lich laut Bericht unter ande­rem »der Hypo­the­se Glaub­wür­dig­keit ver­lei­hen, dass die Frei­set­zung von Sarin im Bereich des Ein­schlags­punk­tes ein­ge­lei­tet wurde«.

Dar­auf, wie wider­sprüch­lich die erhal­te­nen Infor­ma­tio­nen eigent­lich waren, weist der JIM-Bericht selbst an einer Stel­le hin. Der Angriff erfolg­te den Ermitt­lun­gen zufol­ge zwi­schen 6.30 und 7.00 Uhr. Jedoch waren von den 247 wegen Ver­gif­tung behan­del­ten Per­so­nen, von denen die Inspek­to­ren Pati­en­ten­ak­ten erhiel­ten, 57 bereits vor­her in eines der umlie­gen­den Kran­ken­häu­ser ein­ge­lie­fert wor­den, zehn um 7.00 Uhr in ein 125 Kilo­me­ter ent­fern­tes und 42 zur sel­ben Zeit in ein 30 Kilo­me­ter ent­fern­tes. Dem­nach stim­men die Auf­zeich­nun­gen von fast der Hälf­te der unter­such­ten Fäl­le nicht mit der auf Basis der Zeu­gen­aus­sa­gen ermit­tel­ten zeit­li­chen Abfol­ge über­ein. Das war weder für die gemein­sa­me UN-OPCW-Mis­si­on ein Pro­blem noch für die Medi­en, die ihr Urteil als Fakt verbreiteten.

Alter­na­ti­ves Sce­na­rio: Kon­ven­tio­nel­le Frei­set­zung von Giftstoffen

Unbe­rück­sich­tigt blie­ben auch die Recher­chen des inve­sti­ga­ti­ven Jour­na­li­sten Sey­mour Hersh, der über Quel­len in Geheim­dien­sten und Mili­tär ver­fügt. Infor­ma­tio­nen aus die­sen Krei­sen zufol­ge hat­te man hier nie ange­nom­men, dass die syri­sche Armee Che­mie­waf­fen in Khan Sheik­houn ein­ge­setzt hat. Das sei »ein Mär­chen«, so ein Geheim­dienst­be­ra­ter, der in lei­ten­den Posi­tio­nen im Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ste­ri­um und der CIA gear­bei­tet hat. Die CIA habe dem Wei­ßen Haus vor Trumps Angriffs­be­fehl mit­ge­teilt, dass es kei­ne Hin­wei­se auf Sarin auf dem Flug­platz Sheyrat gege­ben habe, von dem aus der syri­sche Bom­ber gestar­tet sein soll, und dass »Assad kein Motiv« habe, »poli­ti­schen Selbst­mord zu begehen«.

Viel­mehr sei­en, wie früh schon von rus­si­scher Sei­te vor­ge­bracht, Gift­stof­fe durch einen kon­ven­tio­nel­len Luft­an­griff auf ein zwei­stöcki­ges Gebäu­de im Nor­den der Stadt frei­ge­setzt wor­den. In des­sen obe­rer Eta­ge, über einem im Erd­ge­schoss befind­li­chen Ein­kaufs­zen­trum, hat­ten syri­sche und rus­si­sche Auf­klä­rer eine Kom­man­do­zen­tra­le der Isla­mi­sten aus­ge­macht. Am Tag des Angriffs soll­te ihren Infor­ma­tio­nen zufol­ge dort ein Tref­fen hoch­ran­gi­ger Füh­rer statt­fin­den, dar­un­ter Ver­tre­ter von Ahr­ar al-Sham und der Dschab­hat Fath asch-Scham, der Nach­fol­ge­rin der al-Nus­ra-Front. Die Kel­ler­räu­me hät­ten als Lager für Rake­ten, Waf­fen und Muni­ti­on sowie auch für ande­re Mate­ria­li­en, wie chlor­hal­ti­ge Dekon­ta­mi­na­ti­ons­mit­tel zur Rei­ni­gung der Kör­per von Toten, gedient. Das rus­si­sche Mili­tär hat­te die für sol­che Koor­di­nie­run­gen zustän­di­gen US-ame­ri­ka­ni­schen Stel­len in Doha vor­ab über den geplan­ten Luft­an­griff auf das Dschi­ha­di­sten­tref­fen infor­miert, der um 6.55 Uhr stattfand.

Das US-Mili­tär habe anschlie­ßend eine Beur­tei­lung sei­ner Wir­kung vor­ge­nom­men und sei zu dem Schluss gekom­men, dass die Hit­ze und Explo­si­ons­kraft der von der syri­schen Luft­waf­fe ein­ge­setz­ten 500 Pfund schwe­ren Bom­be eine Rei­he von Sekun­där­ex­plo­sio­nen aus­ge­löst habe. Das Ver­bren­nen und Frei­set­zen der im Kel­ler gela­ger­ten Dün­ge­mit­tel, Des­in­fek­ti­ons­mit­tel und ande­ren Mate­ria­li­en habe eine rie­si­ge gif­ti­ge Wol­ke erzeugt, die sich über das Stadt­vier­tel aus­zu­brei­ten begann. Ihre Wir­kung kön­ne durch die dich­te Mor­gen­luft ver­stärkt wor­den sein, die sie in Boden­nä­he einschloss.

Dazu wür­den auch, so Hersh, Beob­ach­tun­gen der Ärz­te ohne Gren­zen pas­sen. Sie fan­den in eini­gen Kran­ken­häu­sern Opfer, die »nach Bleich­mit­tel rochen, was dar­auf hin­deu­tet, dass sie Chlor aus­ge­setzt waren«. Wenn aber mehr als eine gif­ti­ge Che­mi­ka­lie im Spiel war, so wür­de das eine Sarin­bom­be aus­schlie­ßen. Tat­säch­lich ste­he die Band­brei­te der Sym­pto­me gene­rell im Ein­klang mit der Frei­set­zung einer Mischung von Che­mi­ka­li­en, ein­schließ­lich Chlor und den in vie­len Dün­ge­mit­teln ver­wen­de­ten Orga­no­phos­pha­ten, die neu­ro­to­xi­sche Effek­te ähn­lich denen von Sarin her­vor­ru­fen können.

Die Nach­for­schun­gen von Gareth Por­ter stüt­zen die­se These.

Auch Hersh und Por­ter for­mu­lie­ren letzt­lich nur Hypo­the­sen, aber gut begrün­det und gestützt auf Exper­ten, denen man schwer­lich Inter­es­se an einer Ent­la­stung der syri­schen Regie­rung unter­stel­len kann. Die JIM-Ermitt­ler sind jedoch anschei­nend auch dem nicht nach­ge­gan­gen. Die Mög­lich­keit ande­rer gif­ti­ger Sub­stan­zen, mit Sym­pto­men und Zer­set­zungs­sub­stan­zen, die denen von Sarin ähneln, wur­de ihrem Bericht zufol­ge nie ernst­haft unter­sucht. Es wur­de zwar auch die Bom­bar­die­rung eines Waren­hau­ses, das in »eini­gen öffent­li­chen Erklä­run­gen als Depot für ter­ro­ri­sti­sche Muni­ti­on« genannt wor­den sei, als mög­li­ches Sze­na­rio auf­ge­führt, jedoch ohne wei­te­re Prü­fung ver­wor­fen, da das Gebäu­de vom »syri­schen Zivil­schutz« als Laza­rett genutzt zu wer­den schei­ne. Mit dem Zivil­schutz sind die Weiß­hel­me gemeint, die bei den Lei­tern der Unter­su­chungs­mis­si­on offen­bar gren­zen­lo­ses Ver­trau­en genießen.

Allem Anschein nach war auch hier die Unter­su­chung ein­sei­tig und vor­ur­teils­be­haf­tet geführt. Am Ende wur­den die Ergeb­nis­se so prä­sen­tiert, dass sie die gewünsch­ten Schlüs­se erlau­ben. Die Ent­hül­lun­gen der Inspek­to­ren der Duma-Mis­si­on legen nahe, dass hier eben­falls gezielt mani­pu­liert wurde.

Das bestärkt wie­der­um auch die Zwei­fel an den frü­he­ren Gift­gas­vor­wür­fen gegen die syri­sche Regie­rung und unter­mau­ert die For­de­rung nach tat­säch­lich unab­hän­gi­gen Unter­su­chun­gen unter Feder­füh­rung von Staa­ten, die kei­ne der betei­lig­ten Par­tei­en unter­stüt­zen und sou­ve­rän genug sind, sich dem Druck gro­ßer Mäch­te nicht zu beugen.