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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Meine Wut auf die Friedensheuchler

»Die USA wol­len, dass sich der Iran ein­fach wie eine nor­ma­le Nati­on ver­hält.« Mich über­rascht ein Nach­rich­ten­spre­cher mit die­sem Zitat am frü­hen Mor­gen des 11. Janu­ar, als er im Auto­ra­dio eine Erklä­rung von US-Außen­mi­ni­ster Mike Pom­peo refe­riert. Ich mer­ke, wie ich am Steu­er unru­hig wer­de und ob die­ser erst mal harm­los anmu­ten­den Mel­dung eine Mischung aus Ohn­macht und Wut in mir hoch­kriecht: Oh, die­ser Heuch­ler, den­ke ich. Die­ser scham­lo­se Friedensverräter!

 

Es ist ja erst weni­ge Tage her, dass die US-Regie­rung auf Pom­pe­os Drän­gen die Welt an den Abgrund eines neu­en mör­de­ri­schen Krie­ges bomb­te. Zwar hat­te Bild am 9. Janu­ar schnell Ent­war­nung gege­ben und den US-Prä­si­den­ten als Frie­dens­stif­ter beju­belt: »Kein Krieg! Dan­ke Mr. Pre­si­dent.« Doch die­se Schlag­zei­le ver­dreh­te die Tatsachen.

 

Ich fürch­te, dass die »Stan­ge Dyna­mit« (Joe Biden), die Donald Trump am 3. Janu­ar in das Pul­ver­fass des Mitt­le­ren Osten warf, doch noch explo­die­ren wird. Wer kennt die Län­ge der Lun­te, die Donald Trump und Pom­peo gewählt haben?

 

Und ich fra­ge mich: Was ist eigent­lich »nor­mal«? Ist es nor­mal, dass die deut­sche Bun­des­re­gie­rung, die laut Ver­fas­sung an Recht und Gesetz und damit an das in Deutsch­land unmit­tel­bar gel­ten­de Völ­ker­recht gebun­den ist, ein sol­ches Atten­tat nicht als Ver­bre­chen ver­ur­teilt? Ist es nor­mal, dass die west­eu­ro­päi­schen Regie­run­gen und die EU-Kom­mis­si­on vor der US-Regie­rung mit erbärm­li­chen Appease­ment-Erklä­run­gen kuschen und dass allein aus­ge­rech­net der Spre­cher des bri­ti­schen Pre­miers es wagt, die Völ­ker­rechts­wid­rig­keit des Droh­nen­an­griffs auf den ira­ni­schen Gene­ral Sol­ei­ma­ni und sei­ne zehn eben­falls getö­te­ten Beglei­ter klar zu benen­nen? Ist es nor­mal, wenn die Frank­fur­ter All­ge­mei­ne Zei­tung am 14. Janu­ar zutref­fend titelt: »Deutsch­land will Druck auf den Iran erhö­hen«, vom Druck auf die USA aber jede Spur fehlt?

 

Was mag wohl im Ver­ständ­nis der US-Regie­rung eine »nor­ma­le Nati­on« sein, fra­ge ich mich im Auto und sin­nie­re: Wäre Pom­peo zufrie­den, wenn der Iran so wer­den wür­de wie die USA?

 

So nor­mal wie die­se Super­power, die nach Aus­sa­ge ihres frü­he­ren Prä­si­den­ten Jim­my Car­ter in den 242 Jah­ren ihrer staat­li­chen Exi­stenz nur 16 Jah­re kei­nen Krieg führ­te? Ein Gemein­we­sen, das nach dem Urteil von Noam Chom­sky, einem der klüg­sten Den­ker des »ande­ren« Ame­ri­ka, längst zum impe­ria­len »Schur­ken­staat« mutiert ist. Eine Macht, gewalt­tä­tig nach innen und außen, die die­ser Tage vom deut­schen Staats­mi­ni­ster im Außen­amt, Micha­el Roth (SPD), pau­schal gegen jede Kri­tik als »libe­ra­le Demo­kra­tie« in Schutz genom­men wird. Ein Staat, des­sen Bür­ger ihr Land vol­ler natio­na­ler Inbrunst als »God‘s Own Coun­try« besin­gen. Ein Land, das Trumps Amts­vor­gän­ger Barack Oba­ma zur »unver­zicht­ba­ren Nati­on« über­höht, »die«, so hat er frei­mü­tig am 11. Febru­ar 2016 betont, »gele­gent­lich den Arm von Län­dern umdre­hen« müs­se, »die nicht das tun, was wir von ihnen wollen«.

 

Pom­peo aber behaup­tet, der Schur­ke sei die Isla­mi­sche Repu­blik Iran: Gene­ral Sol­ei­ma­ni habe schreck­li­che Anschlä­ge auf US-Sol­da­ten vor­be­rei­tet, ver­kün­de­te Donald Trump nach dem Mord. Schutz­be­haup­tun­gen, die US-Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster Mark Esper nach der Tat als Lügen demaskierte.

 

Was also müss­te der Iran tun, um von den USA nicht län­ger zur »Ach­se des Bösen« gezählt zu wer­den, auf der die USA das Land seit dem 11. Sep­tem­ber 2001 ver­or­ten? Zu jenen »Bösen«, denen die »Guten«, die USA und ihre Vasal­len, mit Ver­nich­tung drohen.

 

»Hier steht, wie wir sie­ben Län­der in fünf Jah­ren zu Fall brin­gen wer­den. Ange­fan­gen mit dem Irak, dann Syri­en, Liba­non, Liby­en, Soma­lia, Sudan und schließ­lich Iran«, hat bereits Ende 2001 ein US-Gene­ral im Pen­ta­gon dem frü­he­ren NATO-Ober­be­fehls­ha­ber Wes­ley Clark eine ent­spre­chen­de Anord­nung des Kriegs­ver­bre­chers Donald Rums­feld gezeigt, der damals US-Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster war (sie­he Ossietzky 20/​2013).

 

Die USA haben blu­tig ernst gemacht. Nicht im genann­ten Zeit­plan, nicht in der genann­ten Rei­hen­fol­ge. Afgha­ni­stan ist sofort hin­zu­ge­kom­men, wird inzwi­schen im 19. Jahr bom­bar­diert. Doch alle auf der Rums­feld-Liste genann­ten Län­der wer­den oder wur­den seit 2001 mit dem »Krieg gegen den Ter­ror« über­zo­gen und/​oder durch Sank­tio­nen und Embar­gos zer­rüt­tet, zer­stört und desta­bi­li­siert. Seit­dem zie­hen die USA eine rie­si­ge Blut­spur durch den Mitt­le­ren Osten, seit­dem ist die Welt, wie der deut­sche Bun­des­prä­si­dent sagt, »aus den Fugen«.

 

Pom­peo aber behaup­tet, der Iran sei der Schur­ke. Er habe »Tod und Zer­stö­rung im Nahen Osten ange­heizt«. Und der deut­sche Außen­mi­ni­ster Hei­ko Maas sekun­diert am 12. Janu­ar, der Iran müs­se »auf­hö­ren, in die­ser Regi­on zu zündeln«.

 

(Neben­bei erzählt: Ein wenig Freu­de spen­det mir der Exil-Ira­ner und Frie­dens­preis­trä­ger des deut­schen Buch­han­dels, Navid Ker­ma­ni, mit einer Sot­ti­se: Er denkt in einem Inter­view vom 11. Janu­ar über die Igno­ranz der deut­schen Öffent­lich­keit gegen­über den glo­ba­len Abhän­gig­kei­ten nach und sagt: »Der Bedeu­tungs­ver­lust des Außen­mi­ni­ste­ri­ums lässt sich gut beob­ach­ten, das war frü­her fak­tisch das zweit­wich­tig­ste Amt im Staat. Und heu­te ist es Hei­ko Maas.«)

 

Spä­ter lese ich am hei­mi­schen Com­pu­ter, Pom­peo habe bei sei­ner Pres­se­kon­fe­renz Hei­ter­keit unter den ver­sam­mel­ten Jour­na­li­sten aus­ge­löst mit sei­nem Spruch, der Iran möge ein­fach so wer­den wie Norwegen.

 

Das heißt, wie Nor­we­gen soll der Iran Mit­glied der NATO und neu­es Manö­ver- und Auf­marsch­ge­biet für den kom­men­den US-Krieg gegen Russ­land wer­den? Das ver­bie­tet aller­dings die Ver­fas­sung der Isla­mi­schen Repu­blik, die aus­län­di­sche Mili­tär­ba­sen auf ira­ni­schem Ter­ri­to­ri­um nicht erlaubt.

 

Auch fra­ge ich mich, wie zurück­hal­tend wohl die Nor­we­ger reagie­ren wür­den, wenn einer ihrer wich­tig­sten Mili­tärs, der mit Wis­sen des US-Prä­si­den­ten auf diplo­ma­ti­scher Frie­dens­mis­si­on im Aus­land unter­wegs ist, einem Mord­be­fehl die­ses US-Prä­si­den­ten zum Opfer fiele.

 

Neh­men wir mal an – ich wer­de ja noch tag­träu­men dür­fen – der frü­he­re nor­we­gi­sche Mini­ster­prä­si­dent und heu­ti­ge NATO-Gene­ral­se­kre­tär Jens Stol­ten­berg, auch wenn der bis­lang als Frie­dens­en­gel nicht auf­ge­fal­len ist, wür­de sich nach War­schau bege­ben, und er wür­de dort Opfer einer US-Droh­ne wer­den, bevor er sei­ne diplo­ma­ti­sche Frie­dens­no­te zum Abbau der gefähr­li­chen Span­nun­gen mit Russ­land hät­te über­brin­gen kön­nen. So ist es Sol­ei­ma­ni in Bag­dad ergan­gen, der nach Aus­sa­ge des ira­ki­schen Pre­miers Vor­schlä­ge für einen Span­nungs­ab­bau im Ver­hält­nis des Iran zu Sau­di-Ara­bi­en hat­te über­brin­gen wollen.

 

Ich bin mir sehr sicher, auch im oben kon­stru­ier­ten Fall wür­den die Akti­en­kur­se der Rüstungs­kon­zer­ne so freu­dig in die Höhe schie­ßen wie nach dem Bag­da­der Atten­tat. »Die beu­te­gie­ri­ge Canail­le hat von eh und je auf Krieg spe­ku­liert«, das wuss­te schon Carl von Ossietzky. Aber ich bin mir sehr unsi­cher, ob die Nor­we­ger wei­ter so freund­lich wie die Ira­ner zu den Deut­schen blei­ben wür­den, wenn sie erfüh­ren, dass die Droh­ne ihr Ziel nur dank der Relais­sta­ti­on auf dem US-Stütz­punkt Ram­stein in der Pfalz hat tref­fen können.

 

Und, vor­letz­te Fra­ge: Wie wür­den wohl die Nor­we­ger reagie­ren, wenn ihnen der US-Prä­si­dent öko­no­misch so an die Gur­gel gin­ge wie den Ira­nern? Und wenn die Euro­pä­er dabei zusä­hen und ihre Hilfs­ver­spre­chen ein­fach nicht ein­lö­sten? Wenn die rei­che skan­di­na­vi­sche Nati­on ihr Gas und Öl aus Nord­see und Eis­meer nicht mehr inter­na­tio­nal ver­kau­fen dürf­te. Wenn sie vom glo­ba­len Han­del abge­schnit­ten wür­de. Wenn die nor­we­gi­schen Fischer ihre Auro­ra-Lach­se heim­lich außer Lan­des schmug­geln und als schot­ti­schen Fisch dekla­rie­ren müss­ten? Wenn ihr mil­li­ar­den­schwe­rer Staats­fonds vom inter­na­tio­na­len Finanz­sy­stem aus­ge­schlos­sen würde?

 

Pom­peo selbst rühmt, sei­ne Regie­rung habe es mit ihrer (völ­ker­rechts­wid­ri­gen) Sank­ti­ons­po­li­tik inzwi­schen erreicht, dass dem Iran Mil­li­ar­den­ein­nah­men nicht mehr zur Ver­fü­gung ste­hen, dass Irans Erlö­se aus dem Ver­kauf von Öl um 80 Pro­zent gesun­ken sei­en und er auf unge­fähr 90 Pro­zent sei­ner Devi­sen­ein­nah­men nicht mehr zugrei­fen kön­ne – mit der Fol­ge, dass die Infla­ti­on im Land auf Kosten der Kauf­kraft vor allem der klei­nen Leu­te explo­diert und in den Kli­ni­ken ira­ni­sche Dia­ly­se­pa­ti­en­ten und Krebs­kran­ke ihre Medi­ka­men­te nicht mehr erhalten.

 

Ist es denen beim Ster­ben ein Trost, wenn der US-Prä­si­dent twit­tert, er lie­be die Iraner?

 

 

Rüdi­ger Göbel Deut­sche Rekorde

 

Zum Jah­res­be­ginn hat die Bun­des­re­gie­rung neue Rekor­de zu ver­mel­den. Das Kabi­nett von Kanz­le­rin Ange­la Mer­kel hat 2019 Rüstungs­expor­te für mehr als acht Mil­li­ar­den Euro geneh­migt und damit neue Höhen erreicht. Im Ver­gleich zum Vor­jahr wur­de der Wert der Aus­fuhr­ge­neh­mi­gun­gen von 4,824 auf 8,015 Mil­li­ar­den Euro fast ver­dop­pelt. 32 Pro­zent der Geneh­mi­gun­gen fie­len auf Kriegs­waf­fen, der Rest auf soge­nann­te son­sti­ge mili­tä­ri­sche Aus­rü­stung. Man stel­le sich der­lei Stei­ge­run­gen vor bei der Mit­tel­frei­ga­be für die aller­or­ten über­fäl­li­gen Schwimm­bad­sa­nie­run­gen, für den Aus­bau von Rad­we­gen, des öffent­li­chen Nah­ver­kehrs und des Schie­nen­net­zes, für die Ein­stel­lung von Leh­rern und Pfle­ge­fach­kräf­ten, vom Woh­nungs­bau nicht zu reden. Eine Ver­dop­pe­lung, was wäre damit nicht alles zu erreichen.

 

Die bei­den neu­en SPD-Vor­sit­zen­den haben nun ange­kün­digt, sich für eine Redu­zie­rung der deut­schen Rüstungs­deals ein­set­zen zu wol­len. Die Bun­des­re­gie­rung müs­se Waf­fen­ex­por­te restrik­ti­ver hand­ha­ben, for­dert Par­tei­chef Nor­bert Wal­ter-Bor­jans. Es sei inak­zep­ta­bel, wie häu­fig deut­sche Waf­fen in Kri­sen­re­gio­nen und Dik­ta­tu­ren auf­tauch­ten. Auch die Ko-Vor­sit­zen­de Saskia Esken, seit 2013 Mit­glied des Bun­des­tags und einer Frak­ti­on in Regie­rungs­ver­ant­wor­tung, fin­det, Deutsch­land lie­fe­re zu vie­le Rüstungs­gü­ter ins Aus­land. »In der frie­dens­po­li­ti­schen Tra­di­ti­on und Grund­hal­tung der SPD ste­hen wir dafür, dass Deutsch­land weni­ger Waf­fen expor­tiert«, so Esken.

 

Tat­säch­lich hat die SPD-Bun­des­tags­frak­ti­on Ende ver­gan­ge­nen Jah­res ein Posi­ti­ons­pa­pier ver­ab­schie­det, dem­zu­fol­ge die deut­schen Sozi­al­de­mo­kra­ten den Waf­fen­ver­kauf an Dritt­staa­ten außer­halb von EU, NATO und der NATO gleich­ge­stell­ten Län­dern stren­ger regu­lie­ren wol­len. Dem­nach kön­nen die­se Staa­ten in der Regel nur dann noch deut­sche Rüstungs­gü­ter bekom­men, wenn sie den Ver­trag über den Waf­fen­han­del (ATT), eben­so wie das Über­ein­kom­men zu Streu­mu­ni­ti­on und zum Ver­bot von Anti­per­so­nen­mi­nen, rati­fi­ziert haben und »kon­se­quent« umset­zen. Export­ge­neh­mi­gun­gen sol­len nur noch für zwei Jah­re gel­ten statt wie bis­her unbe­fri­stet. Für län­ger dau­ern­de Pro­jek­te müss­ten sie jeweils erneu­ert wer­den. Damit sol­le auf »ver­än­der­te außen- und sicher­heits­po­li­ti­sche Bedin­gun­gen« reagiert wer­den kön­nen. Die SPD-Abge­ord­ne­ten for­dern auch, dass der Bun­des­si­cher­heits­rat trans­pa­ren­ter wird, also das für die Geneh­mi­gung von Waf­fen­lie­fe­run­gen zustän­di­ge Gre­mi­um, dem auch SPD-Außen­mi­ni­ster Hei­ko Maas ange­hört: Alle Geneh­mi­gun­gen sol­len im Inter­net ver­öf­fent­licht wer­den. Wenn Export­ge­neh­mi­gun­gen wider­ru­fen wer­den, wie etwa aktu­ell im Fall von Lie­fe­run­gen für die sau­di­sche Kriegs­ma­ri­ne, soll ein von den Rüstungs­schmie­den zu finan­zie­ren­der Risi­ko­fonds ein­sprin­gen und nicht mehr der Bund, sprich: die Steu­er­zah­ler. Die SPD wäre aller­dings nicht die SPD, wür­de das Papier nicht »im begrün­de­ten Ein­zel­fall abso­lu­te Aus­nah­men« vor­se­hen. Offi­zi­ell bezieht sich der »begrün­de­te Ein­zel­fall« auf Isra­el, das von Restrik­tio­nen bei Rüstungs­expor­ten ver­schont wer­den soll. Es ist nicht über­lie­fert, dass die SPD ihre neue Maxi­me bei deut­schen Waf­fen­lie­fe­run­gen gegen­über CDU und CSU auch durch­zu­set­zen gedenkt und die Umset­zung etwa an einen Fort­be­stand der Gro­ßen Koali­ti­on knüpft.

 

Ein­ge­setzt wird das Kriegs­ge­rät »Made in Ger­ma­ny« in sämt­li­chen Kon­flikt­re­gio­nen der Welt, im Nahen Osten, auf der korea­ni­schen Halb­in­sel und in Süd­ost- und Ost­eu­ro­pa. So steht Ungarn mit 1,77 Mil­li­ar­den Euro mit wei­tem Abstand an der Spit­ze der deut­schen Waf­fen­kun­den – 2019 hat die Rechts­re­gie­rung von Mini­ster­prä­si­dent Vic­tor Orban unter ande­rem 44 Leo­pard-Kampf­pan­zer, 24 Pan­zer­hau­bit­zen, 36 Kampf­hub­schrau­ber und ein neu­es Luft­ab­wehr­sy­stem bekommen.

 

Bis August 2019 war die Tür­kei mit Aus­fuh­ren im Wert von 250,4 Mil­lio­nen Euro das wich­tig­ste Emp­fän­ger­land deut­scher Kriegs­waf­fen – unge­ach­tet der völ­ker­rechts­wid­ri­gen Beset­zung der Regi­on Roja­va im Nor­den Syri­ens seit Anfang 2018. Ein Export­stopp gilt ange­sichts der neu­en Inva­si­on im Okto­ber 2019 für alle Güter, die in dem Kon­flikt ein­ge­setzt wer­den können.

 

Zu den zehn wich­tig­sten Kun­den der deut­schen Rüstungs­kon­zer­ne zäh­len nach Ungarn das von Gene­ral Abdel-Fattah al-Sisi auto­ri­tär regier­te Ägyp­ten mit 811 Mil­lio­nen Euro im Jahr 2018; das in Front­stel­lung zur Demo­kra­ti­schen Volks­re­pu­blik Korea ste­hen­de Süd­ko­rea mit min­de­stens 241 Ein­zel­ge­neh­mi­gun­gen im Wert von ins­ge­samt 278 Mil­lio­nen Euro; Alge­ri­en (238 Mil­lio­nen Euro); Katar (223 Mil­lio­nen), das den völ­ker­rechts­wid­ri­gen Ein­marsch der Tür­kei an der Sei­te isla­mi­sti­scher Mör­der­ban­den im Nor­den Syri­ens finan­ziert; und die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te (206 Mil­lio­nen), die unter ande­rem mit Sau­di-Ara­bi­en – und Ägyp­ten – seit fünf Jah­ren einen bru­ta­len Krieg im Jemen füh­ren, der laut UNO für die größ­te huma­ni­tä­re Kata­stro­phe unse­rer Zeit ver­ant­wort­lich ist. Zur Erin­ne­rung: Uni­on und SPD haben sich in ihrem Koali­ti­ons­ver­trag vom März 2018 ver­stän­digt, Rüstungs­expor­te zu redu­zie­ren und Waf­fen­lie­fe­run­gen an »unmit­tel­bar« am Jemen-Krieg betei­lig­te Län­der stark ein­schrän­ken zu wol­len. Die Ver­ein­ba­rung zu die­sen Restrik­tio­nen ist eine Far­ce. Allein die Aus­fuh­ren an die Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­te haben sich verfünffacht.

 

Die Gemein­sa­me Kon­fe­renz Kir­che und Ent­wick­lung (GKKE), ein öku­me­ni­scher, evan­ge­lisch-katho­li­scher Arbeits­ver­bund zur Ent­wick­lungs­po­li­tik, kri­ti­siert in ihrem Bericht 2019 die schwarz-rote Rüstungs­export­po­li­tik. »Die neu­en Poli­ti­schen Grund­sät­ze der Bun­des­re­gie­rung bedeu­ten – anders als ange­kün­digt – kei­ne Ver­schär­fung der deut­schen Rüstungs­export­po­li­tik«, heißt es da. Die Vor­sit­zen­de der GKKE-Fach­grup­pe Rüstungs­expor­te, Simo­ne Wisotz­ki, betont: »Ein Blick auf die kon­kre­ten Zah­len wie zum Bei­spiel die Ein­zel­aus­fuhr­ge­neh­mi­gun­gen, die im ersten Halb­jahr 2019 erheb­lich gestie­gen sind, macht deut­lich, dass kein Trend hin zu einer restrik­ti­ven Rüstungs­export­po­li­tik erkenn­bar ist.« Viel­mehr sei der Export an Dritt­staa­ten mitt­ler­wei­le zur Regel gewor­den. »Die GKKE for­dert daher die Bun­des­re­gie­rung auf, sich an ihre selbst­ge­setz­ten Grund­sät­ze zu hal­ten und aus­nahms­los kei­ne Kriegs­waf­fen mehr an Dritt­staa­ten zu lie­fern, es sei denn, sie kann in weni­gen Ein­zel­fäl­len tat­säch­lich eine plau­si­ble außen- und sicher­heits­po­li­ti­sche Begrün­dung geben«, so Wisotzki.

 

Grund­sätz­li­cher ist da die Außen­po­li­ti­ke­rin und abrü­stungs­po­li­ti­sche Spre­che­rin der Frak­ti­on Die Lin­ke. im Bun­des­tag, Sevim Dağ­de­len. Sie for­dert gesetz­li­che Ver­bo­te von Waf­fen­lie­fe­run­gen. »Die poli­ti­schen Grund­sät­ze der Bun­des­re­gie­rung zu den Rüstungs­expor­ten sind das Papier nicht wert. Die Rekord­zah­len bele­gen die schmut­zi­ge Rea­li­tät.« Bereits Ende 2018 war ein Antrag auf ein Export­ver­bot für Rüstungs­gü­ter (Druck­sa­che 19/​1339) von allen ande­ren Frak­tio­nen im Bun­des­tag abge­lehnt wor­den. Mit den Stim­men der Koali­ti­ons­frak­tio­nen CDU, CSU und SPD sowie der FDP war bei Ent­hal­tung der AfD selbst ein Antrag der Frak­ti­on Die Lin­ke abge­schmet­tert wor­den, der sich gegen den Export von Kriegs­waf­fen und son­sti­gen Rüstungs­gü­tern aus Deutsch­land an die Län­der der ara­bi­schen Halb­in­sel ein­setz­te (19/​883), also die Län­der, die direkt oder indi­rekt am Krieg im Jemen betei­ligt sind. Das Nein der neo­li­be­ra­len Par­tei­en ist Garant für die schänd­li­chen Rekor­de bei den Rüstungs­expor­ten. 2019 muss da nicht das Ende gewe­sen sein.