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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Die Klopapier-Garantie

»Regie­rung gibt Deut­schen Klo­pa­pier-Garan­tie«, hieß eine BILD-online-Schlag­zei­le am 19. Okto­ber. Dabei hat­te Bun­des­ver­kehrs­mi­ni­ster Scheu­er wohl auf die Fra­ge des Bild-Vize Paul Ron­z­hei­mer, ob es in der Pan­de­mie immer genug Klo­pa­pier geben wer­de, nur mit »Ja« geant­wor­tet. Wie­so das – aus­ge­rech­net aus dem Mund von Andre­as Scheu­er – eine Garan­tie auf Klo­pa­pier-Bezug sein soll, bleibt das Geheim­nis von Bild. Im All­ge­mei­nen sind Scheu­ers Garan­tien das Klo­pa­pier nicht wert, auf dem sie geschrie­ben wurden.

Auch Trump hat kei­ne Garan­tie, wei­ter der beste Prä­si­dent aller Zei­ten blei­ben zu kön­nen. Der Prä­si­dent der USA war an Covid 19 erkrankt und muss­te sei­nen Wahl­kampf unter­bre­chen. Für einen Coro­na-Leug­ner dumm gelau­fen. Aber er wäre nicht Trump, wenn er nicht das Beste für sich dar­aus gemacht hät­te: Er wur­de durch die Wun­der der moder­nen Medi­zin rasch »geheilt« und von den emp­fan­ge­nen Ste­ro­iden noch aggres­si­ver als vor­her gemacht. Dass dann die Beleg­schaft des Wei­ßen Hau­ses in Qua­ran­tä­ne gehen muss­te – Trump schreck­te das nicht. Auch sei­ne neu­en Ver­bün­de­ten schrecken ihn nicht:

»Wir hof­fen, dass Trump die Wahl gewinnt«, äußer­te Tali­ban-Spre­cher Sabiu­l­lah Mud­scha­hid gegen­über dem US-Sen­der CBS am 10. Okto­ber, denn »für die Tali­ban ist er ein klu­ger und wei­ser Mann« (jun­ge Welt, 12.10.20).

Ein wirk­lich klu­ger Mann hat es dage­gen schwer, zu Wort zu kommen:

Der Grün­der und ehe­ma­li­ge Gene­ral­di­rek­tor der Orga­ni­sa­ti­on für das Ver­bot von Che­mie­waf­fen (OPCW), José Bus­ta­ni, durf­te nicht im UN-Sicher­heits­rat spre­chen. Er war vom tur­nus­mä­ßig den Vor­sitz füh­ren­den rus­si­schen UN-Bot­schaf­ter ein­ge­la­den wor­den, um über die Vor­wür­fe gegen die OPCW zu spre­chen, die Inspek­to­ren ihrer Orga­ni­sa­ti­on gegen­über erho­ben hat­ten: Sie waren nicht ange­hört wor­den bei dem Bericht über den angeb­li­chen Gift­gas­ein­satz in Syri­en, obwohl sie vor Ort recher­chiert hat­ten. Sie hat­ten aber nicht das gewünsch­te Ergeb­nis gelie­fert: Nach ihrer Aus­sa­ge gab es kei­nen Gift­gas­ein­satz, daher auch kei­nen Grund für die Bom­ben­an­grif­fe durch die USA, Groß­bri­tan­ni­en und Frank­reich auf Syri­en. Bus­ta­ni ist Wie­der­ho­lungs­tä­ter: Er war 2002 von den USA aus dem Amt gedrängt wor­den, weil er auf einer unab­hän­gi­gen Unter­su­chung der angeb­li­chen che­mi­schen Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen im Irak bestan­den hat­te – die den Vor­wand für den Über­fall der USA auf den Irak abga­ben und deren Nicht-Exi­stenz viel spä­ter bewie­sen wur­de. (jW, 7.10.20) So einer darf selbst­ver­ständ­lich kein inter­na­tio­na­les Podi­um bekommen!

Der Bun­des­tag will wie­der ein natio­na­les Podi­um wer­den. Er will mit­re­den, wenn es um Grund­rechts­ein­schrän­kun­gen durch Pan­de­mie-Maß­nah­men geht. Von CDU-Brink­haus bis Lin­ken-Bartsch äußert sich laut Unzu­frie­den­heit mit den Allein­gän­gen der Exe­ku­ti­ve. Wenn dann auch noch immer mehr Gerich­te die Beschlüs­se der Exe­ku­ti­ve als rechts­wid­rig kip­pen, dann bröckelt die Coro­na-Ein­heits­front. Dass im Herbst die Infek­ti­ons­zah­len stei­gen, war zwar vor­her­zu­se­hen, aber unse­re Schön­wet­ter-Regie­rung trifft so wider­sprüch­li­che Maß­nah­men, dass der Pegel der all­ge­mei­nen Ver­un­si­che­rung immer höher steigt. Jetzt wol­len alle noch mal mit­re­den. Und nach wie vor wird über Zah­len und Grenz­wer­te gestrit­ten. Wird es nicht lang­sam mal Zeit, den Panik­mo­dus zu verlassen?

Bezie­hungs­wei­se das Gesund­heits­sy­stem wie­der fit zu machen? Frank Ulrich Mont­go­me­ry, Vor­sit­zen­der des Welt­ärz­te­ver­ban­des, beklagt in einem Inter­view, dass Deutsch­land für eine Ver­schlim­me­rung der Pan­de­mie nicht vor­be­rei­tet sei. Es gebe schon heu­te zu wenig Per­so­nal in den Inten­siv­sta­tio­nen. »Das liegt an dem jah­re­lan­gen Kaputt­spa­ren der Kran­ken­häu­ser«, erklär­te Mont­go­me­ry. (Mär­ki­sche All­ge­mei­ne Zei­tung, 7.10.20)

Oder die Arbeits­zeit der Kri­se anzu­pas­sen? IG-Metall-Vor­sit­zen­der Jörg Hoff­mann schlägt eine 4-Arbeits­ta­ge-Woche vor, um pro­duk­ti­ons­be­ding­te Kün­di­gun­gen zu ver­mei­den. »Das ist lei­der voll­kom­me­ner Unsinn«, ant­wor­tet Gesamt­me­tall-Prä­si­dent Rai­ner Dul­ger am 14. Okto­ber in der Süd­deut­schen Zei­tung. Kein Unsinn, so behaup­tet er, sei dage­gen sein Vor­schlag, durch Lohn­ver­zicht einen Bei­trag zur Bewäl­ti­gung der Kri­se zu lei­sten. Mehr pro­du­zie­ren und weni­ger Geld zum Kau­fen haben ist ganz klar sinn­voll – in der »Logik« des Teufelskreises.

In dem bewe­gen sich die Regie­run­gen von Bund und Län­dern und beschlos­sen in Panik Rei­se­war­nun­gen und Beher­ber­gungs­ver­bo­te – aber nur für die zivi­le Bevöl­ke­rung. Für Manö­ver wie »Resi­li­ent Guard«, bei denen der Trans­port von Nukle­ar­waf­fen geprobt wird, wer­den auch Ein­hei­ten aus Meck­len­burg-Vor­pom­mern in die Eifel ver­legt – und wie­der zurück. Ber­lin hat – vor­aus­blickend – gleich gänz­lich auf ein Beher­ber­gungs­ver­bot ver­zich­tet, viel­leicht damit Poli­zi­sten aus ande­ren Bun­des­län­dern in der Stadt über­nach­ten dür­fen, wenn es um die Räu­mung eines besetz­ten Hau­ses geht. Mit 1500 Beam­ten wur­den dann 57 Haus­be­woh­ner aus der Lie­big­stra­ße 34 »ent­fernt« – damit der Eigen­tü­mer frei dar­über ver­fü­gen kann. (jW 10./11.10.20)

»Wir sind in einem Mara­thon­lauf, von dem wir nicht wis­sen, wann wir das Ziel errei­chen«, ora­kel­te Diet­mar Woid­ke, Mini­ster­prä­si­dent in Bran­den­burg, am 30. Sep­tem­ber in der Mär­ki­schen All­ge­mei­nen Zei­tung. Der erste Mara­thon-Läu­fer starb einer Legen­de nach übri­gens bei der Ankunft. Hof­fen wir mal, dass Woid­ke den hin­ken­den Ver­gleich nicht wört­lich nimmt. Sei­ne näch­ste Äuße­rung war auch nur von ein­ge­schränk­ter Halt­bar­keit: »Es ist am besten, zu Hau­se zu blei­ben. Zweit­be­ste Vari­an­te ist Urlaub in Bran­den­burg.« Zwei Wochen spä­ter gab es das Beher­ber­gungs­ver­bot. Dass es unver­hält­nis­mä­ßig war, hat das Gericht ent­schie­den. Wie war das mit der Garan­tie auf Klopapier?