Wohnungsmangel? Es gibt wichtigere Probleme! Es mangelt an der Weite der Korridore in Deutschland, meint Kulturstaatsekretär Weimer in der Süddeutschen Zeitung: »Die Korridore des Sagbaren, Erkundbaren und Darstellbaren gilt es zu weiten, anstatt sie zu verengen« (SZ, 05.06.25). Darf jetzt, wo der Kultur der finanzielle Hahn abgedreht wird, wieder mehr Freiheit gewagt werden? Wenn kein Geld mehr da ist, braucht niemand mehr danach zu schielen, dass er gefördert wird. Allerdings entsteht dann auch weniger Kunst, denn Geld ist nun mal materielle Voraussetzung für Kunst und Künstler.
Es sei denn, diese engagieren sich politisch, wie »Künstlerinnen und Künstler für Frieden« (KKfFrieden.de), die am 14. Juni bundesweit mit ihren fantasievollen Mitteln für Frieden und Abrüstung in über 10 Städten unter dem Motto »Die Waffen nieder!« demonstrierten. Haben Sie nichts davon gehört? Das muss diese Pressefreiheit sein, von der immer so viel die Rede ist, wenn es um böse Diktaturen geht. (Wobei diesmal auch die junge Welt, aus der ich hier so oft zitiere, nichts veröffentlichen wollte. Mit Kunst haben sie es da wohl nicht so …)
Weimer will allerdings nur die Kunstkorridore erweitern, die ihm durch linken Alarmismus bedroht erscheinen. Weil niemand mehr »Drei Zigeuner fand ich einmal» singen darf. Wobei »Drei Sinti und Roma fand ich einmal« doch auch sangbar wäre. Oder weil außer-europäische Kunst in Deutschland nach antisemitisch interpretierten Zeichen durchforstet wird wie auf der letzten documenta.
In der Politik sind die Korridore dagegen unsagbar weit. Kanzler Merz darf aussprechen, was alle denken: »Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle«, meinte der Kanzler im ZDF und meinte den Angriff auf den Iran (jW, 18.06.25).
Der ist natürlich nicht völkerrechtswidrig, denn Israel ist ja nicht Russland. So, wie auch ein Völkermord keiner ist, wenn ihn Israel verübt. Auch in Gaza erledigt Israel doch nur die Drecksarbeit für »uns«, wer immer das sein soll. Die G7 sind es nicht, sie machen lieber gar keine Abschlusserklärung. Obwohl doch Herr Merz so wohlgemut war, was die Einigkeit zumindest der Europäer anging. Bundeskanzler Merz teilte vorab mit, er habe »sehr gute einführende Gespräche« mit den anwesenden »Europäern« geführt. Er könne nun also »davon ausgehen, dass Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland in den wesentlichen Fragen dieses G7-Gipfels eine weitgehend übereinstimmende Auffassung vertreten werden« (jW, 18.06.25).
Präsident Trump führte allerdings die übrigen Teilnehmer mal wieder vor, indem er den Gipfel früher verließ, bevor die Europäer ihre »weitgehend übereinstimmende Auffassung« vertreten konnten, was immer das sein sollte. Trump musste ja seine Geburtstagsparade abnehmen und sich von seinen Untertanen als König feiern lassen, was sollte er sich mit völlig überschätzten Politikern aus Kleinstaaten herumlangweilen?
Die USA stehen jedenfalls fest an der Seite Israels. Immerhin schicken sie ihren ältesten Flugzeugträger los und fordern alle Einwohner Teherans auf, die Stadt zu verlassen. Die Drohung Israels, die iranischen Anlagen zur Urananreicherung zu zerstören, ist allerdings nur mit Hilfe der USA und ihrer bunkerbrechenden Bomben umzusetzen. Da ergibt es dann Sinn, einen Flugzeugträger in iranische Reichweite zu schicken. Sollte der Iran den zerstören, hätten die USA einen guten Grund, Israel tatkräftig zu helfen. Gott schütze die tapfere Navy-Besatzung!
Ja, wenn der Iran Atombomben hätte, würden die USA sich das nicht trauen. Hat der Iran aber nicht, denn er hatte Verträge geschlossen, die dies verhindern sollten. Und laut übereinstimmenden Aussagen der US-Geheimdienste hat er sich auch daran gehalten.
In Zukunft können sich Staaten also aussuchen, ob sie lieber angegriffen werden wollen, oder doch Atombomben bauen. Verträge schützen jedenfalls nicht, wenn jemand die »Drecksarbeit« macht, der sich alles erlauben kann.
Die Nato will auch mehr Drecksarbeit machen und betrachtet die Versenkung des russischen Raketenkreuzers »Moskwa« durch ukrainische Marschflugkörper 2022 im Schwarzen Meer als »Antriebsfeder« ihrer Übungen in der Ostsee (jW, 04.06.25).
Vorsicht! Russland ist ein Land mit Atomwaffen und bunkerbrechenden Raketen, und die Erkundung des Sagbaren kann da zu verheerenden Konsequenzen führen, Herr Weimer!