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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Monatsrückblick: Weite Korridore

Woh­nungs­man­gel? Es gibt wich­ti­ge­re Pro­ble­me! Es man­gelt an der Wei­te der Kor­ri­do­re in Deutsch­land, meint Kul­tur­staat­s­e­kre­tär Wei­mer in der Süd­deut­schen Zei­tung: »Die Kor­ri­do­re des Sag­ba­ren, Erkund­ba­ren und Dar­stell­ba­ren gilt es zu wei­ten, anstatt sie zu ver­en­gen« (SZ, 05.06.25). Darf jetzt, wo der Kul­tur der finan­zi­el­le Hahn abge­dreht wird, wie­der mehr Frei­heit gewagt wer­den? Wenn kein Geld mehr da ist, braucht nie­mand mehr danach zu schie­len, dass er geför­dert wird. Aller­dings ent­steht dann auch weni­ger Kunst, denn Geld ist nun mal mate­ri­el­le Vor­aus­set­zung für Kunst und Künstler.

Es sei denn, die­se enga­gie­ren sich poli­tisch, wie »Künst­le­rin­nen und Künst­ler für Frie­den« (KKfFrieden.de), die am 14. Juni bun­des­weit mit ihren fan­ta­sie­vol­len Mit­teln für Frie­den und Abrü­stung in über 10 Städ­ten unter dem Mot­to »Die Waf­fen nie­der!« demon­strier­ten. Haben Sie nichts davon gehört? Das muss die­se Pres­se­frei­heit sein, von der immer so viel die Rede ist, wenn es um böse Dik­ta­tu­ren geht. (Wobei dies­mal auch die jun­ge Welt, aus der ich hier so oft zitie­re, nichts ver­öf­fent­li­chen woll­te. Mit Kunst haben sie es da wohl nicht so …)

Wei­mer will aller­dings nur die Kunst­kor­ri­do­re erwei­tern, die ihm durch lin­ken Alar­mis­mus bedroht erschei­nen. Weil nie­mand mehr »Drei Zigeu­ner fand ich ein­mal» sin­gen darf. Wobei »Drei Sin­ti und Roma fand ich ein­mal« doch auch sang­bar wäre. Oder weil außer-euro­päi­sche Kunst in Deutsch­land nach anti­se­mi­tisch inter­pre­tier­ten Zei­chen durch­for­stet wird wie auf der letz­ten documenta.

In der Poli­tik sind die Kor­ri­do­re dage­gen unsag­bar weit. Kanz­ler Merz darf aus­spre­chen, was alle den­ken: »Das ist die Drecks­ar­beit, die Isra­el macht für uns alle«, mein­te der Kanz­ler im ZDF und mein­te den Angriff auf den Iran (jW, 18.06.25).

Der ist natür­lich nicht völ­ker­rechts­wid­rig, denn Isra­el ist ja nicht Russ­land. So, wie auch ein Völ­ker­mord kei­ner ist, wenn ihn Isra­el ver­übt. Auch in Gaza erle­digt Isra­el doch nur die Drecks­ar­beit für »uns«, wer immer das sein soll. Die G7 sind es nicht, sie machen lie­ber gar kei­ne Abschluss­erklä­rung. Obwohl doch Herr Merz so wohl­ge­mut war, was die Einig­keit zumin­dest der Euro­pä­er anging. Bun­des­kanz­ler Merz teil­te vor­ab mit, er habe »sehr gute ein­füh­ren­de Gesprä­che« mit den anwe­sen­den »Euro­pä­ern« geführt. Er kön­ne nun also »davon aus­ge­hen, dass Groß­bri­tan­ni­en, Frank­reich, Ita­li­en und Deutsch­land in den wesent­li­chen Fra­gen die­ses G7-Gip­fels eine weit­ge­hend über­ein­stim­men­de Auf­fas­sung ver­tre­ten wer­den« (jW, 18.06.25).

Prä­si­dent Trump führ­te aller­dings die übri­gen Teil­neh­mer mal wie­der vor, indem er den Gip­fel frü­her ver­ließ, bevor die Euro­pä­er ihre »weit­ge­hend über­ein­stim­men­de Auf­fas­sung« ver­tre­ten konn­ten, was immer das sein soll­te. Trump muss­te ja sei­ne Geburts­tags­pa­ra­de abneh­men und sich von sei­nen Unter­ta­nen als König fei­ern las­sen, was soll­te er sich mit völ­lig über­schätz­ten Poli­ti­kern aus Klein­staa­ten herumlangweilen?

Die USA ste­hen jeden­falls fest an der Sei­te Isra­els. Immer­hin schicken sie ihren älte­sten Flug­zeug­trä­ger los und for­dern alle Ein­woh­ner Tehe­rans auf, die Stadt zu ver­las­sen. Die Dro­hung Isra­els, die ira­ni­schen Anla­gen zur Uran­an­rei­che­rung zu zer­stö­ren, ist aller­dings nur mit Hil­fe der USA und ihrer bun­ker­bre­chen­den Bom­ben umzu­set­zen. Da ergibt es dann Sinn, einen Flug­zeug­trä­ger in ira­ni­sche Reich­wei­te zu schicken. Soll­te der Iran den zer­stö­ren, hät­ten die USA einen guten Grund, Isra­el tat­kräf­tig zu hel­fen. Gott schüt­ze die tap­fe­re Navy-Besatzung!

Ja, wenn der Iran Atom­bom­ben hät­te, wür­den die USA sich das nicht trau­en. Hat der Iran aber nicht, denn er hat­te Ver­trä­ge geschlos­sen, die dies ver­hin­dern soll­ten. Und laut über­ein­stim­men­den Aus­sa­gen der US-Geheim­dien­ste hat er sich auch dar­an gehalten.

In Zukunft kön­nen sich Staa­ten also aus­su­chen, ob sie lie­ber ange­grif­fen wer­den wol­len, oder doch Atom­bom­ben bau­en. Ver­trä­ge schüt­zen jeden­falls nicht, wenn jemand die »Drecks­ar­beit« macht, der sich alles erlau­ben kann.

Die Nato will auch mehr Drecks­ar­beit machen und betrach­tet die Ver­sen­kung des rus­si­schen Rake­ten­kreu­zers »Moskwa« durch ukrai­ni­sche Marsch­flug­kör­per 2022 im Schwar­zen Meer als »Antriebs­fe­der« ihrer Übun­gen in der Ost­see (jW, 04.06.25).

Vor­sicht! Russ­land ist ein Land mit Atom­waf­fen und bun­ker­bre­chen­den Rake­ten, und die Erkun­dung des Sag­ba­ren kann da zu ver­hee­ren­den Kon­se­quen­zen füh­ren, Herr Weimer!