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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Mr. Green

Zyga­nok, der es gut meint: »Wenn er (der Groß­va­ter) die Rute senk­recht führt, ein­fach von oben her­un­ter – nun, dann lieg still, lieg locker; schlägt er aber zu und zieht die Rute durch – zieht er sie an sich, damit es die Haut her­un­ter­schält –, dann geh mit dem Kör­per mit, der Rute nach, ver­stehst du? So ist es leich­ter.« (Gor­ki: Mei­ne Kind­heit, sicher im Wer­te­vor­wärts­ver­tei­di­gungs­land verboten)

Na, das sind so gute Tipps, wür­de man heu­te sagen – und damit alles verfehlen.

Mr. Green bekommt Besuch vom Unfall­ver­ur­sa­cher, der muss Sozi­al­stun­den bei Mr. Green zur Stra­fe, dass er ihn bei­na­he über­fah­ren hät­te, ablei­sten, jeden Don­ners­tag um 19 Uhr.

Mr. Green ist ein alter, ein­sa­mer, ortho­do­xer Jude, anders gesagt: ein Kle­ri­kal­fa­schist, ein reak­tio­nä­rer Jude, der sei­ne Toch­ter für tot erklärt, weil sie einen Nicht-Juden gehei­ra­tet hat, und, weil das dazu­ge­hört, ein Schwulenhasser.

Aber wir sind, die Dame nennt das geho­be­ner Bou­le­vard, im Thea­ter mit ca. 99 Plät­zen, mit einem Publi­kum, das Main­stream ist und für ein Hap­py-End bezahlt. (Und sich an der klei­nen Bar genau­so ver­hält, wie da, wo die Ein­tritts­kar­ten min­de­stens das Dop­pel­te kosten.) Der Wein, das ist wie­der­um ein Plus­punkt, den man neben­her kon­su­mie­ren kann, den kann man vor sich bequem abstel­len. Und der hilft durchzuhalten.

Denn das Pro­gramm will in die­sem erfolg­rei­chen Stück aus die­sem alten wei­ßen Mann einen bes­se­ren machen. Das gelingt nun dem jun­gen Mann mit eini­ger Mühe, er erzählt auch sei­ne Geschich­te, die eines Jun­gen aus schwer­rei­chem jüdi­schem Hau­se (Ja, gibt es das denn oder ist das schon Anti­se­mi­tis­mus?), aber der Vater ist auch ein Schwu­len­has­ser, der Wit­ze auf deren Kosten macht. (Also ver­mut­lich sel­ber einer, ein heim­li­cher, unheim­li­cher). Der Sohn ist anders, lei­det wie ein Hund, liebt den Vater aber trotzdem.

Dann kommt noch man­ches her­aus, Mr. Green hat eben eine Toch­ter, die er vor lan­ger Zeit ver­sto­ßen hat, die aber heim­lich, hin­ter sei­nem Rücken mit sei­ner gelieb­ten Frau Kon­takt hielt. Nun, der alte Mann wird schwach, und gegen Ende des Stücks klopft die Toch­ter an sei­ne Türe. Taschen­tü­cher raus!

Das sind so Stücke, die die Leu­te blen­den, die als Fort­schritt sich ver­klei­den, aber nur die Zurück­ge­blie­be­nen mit der Höhe der Zeit ver­söh­nen. Denn, was uns da durch die Lap­pen geht, bei all dem Gedöns – es fehlt nur ein Schwar­zer –, ist: der Mann hat­te eine che­mi­sche Rei­ni­gung, was sei­ne Krank­heit erklä­ren könn­te, er hat aber wenig Geld. Sein »Betreu­er« geht mit sei­nen Eltern in ein Restau­rant, und sie essen dort für 18000 Dol­lar, wenn ich mich nicht ver­hört habe.

Ein armer, alter, reak­tio­nä­rer Jude und ein jun­ger, moder­ner zum Schluss ver­eint. Wozu? Nun, viel­leicht mas­sa­krie­ren sie nun gemein­sam die Palästinenser?

Anschlie­ßend: Schräg gegen­über beim Grie­chen! Der Haus­wein und die Por­tio­nen, der Ouzo (umsonst), das gute Essen, kostet zum Glück nur knapp 40 €. Das hebt die Laune!

Hät­te nur jemand wie Hei­ne den Mut, die gan­ze Ban­de mit Chri­sten und Mos­lems zum Teu­fel zu wün­schen (oder so ähnlich).

Klei­nes Thea­ter Ber­lin: Besuch bei Mr. Green, von Jeff Baro (1996 urauf­gef., was zeigt, wie weit wir es gebracht haben …).