Zyganok, der es gut meint: »Wenn er (der Großvater) die Rute senkrecht führt, einfach von oben herunter – nun, dann lieg still, lieg locker; schlägt er aber zu und zieht die Rute durch – zieht er sie an sich, damit es die Haut herunterschält –, dann geh mit dem Körper mit, der Rute nach, verstehst du? So ist es leichter.« (Gorki: Meine Kindheit, sicher im Wertevorwärtsverteidigungsland verboten)
Na, das sind so gute Tipps, würde man heute sagen – und damit alles verfehlen.
Mr. Green bekommt Besuch vom Unfallverursacher, der muss Sozialstunden bei Mr. Green zur Strafe, dass er ihn beinahe überfahren hätte, ableisten, jeden Donnerstag um 19 Uhr.
Mr. Green ist ein alter, einsamer, orthodoxer Jude, anders gesagt: ein Klerikalfaschist, ein reaktionärer Jude, der seine Tochter für tot erklärt, weil sie einen Nicht-Juden geheiratet hat, und, weil das dazugehört, ein Schwulenhasser.
Aber wir sind, die Dame nennt das gehobener Boulevard, im Theater mit ca. 99 Plätzen, mit einem Publikum, das Mainstream ist und für ein Happy-End bezahlt. (Und sich an der kleinen Bar genauso verhält, wie da, wo die Eintrittskarten mindestens das Doppelte kosten.) Der Wein, das ist wiederum ein Pluspunkt, den man nebenher konsumieren kann, den kann man vor sich bequem abstellen. Und der hilft durchzuhalten.
Denn das Programm will in diesem erfolgreichen Stück aus diesem alten weißen Mann einen besseren machen. Das gelingt nun dem jungen Mann mit einiger Mühe, er erzählt auch seine Geschichte, die eines Jungen aus schwerreichem jüdischem Hause (Ja, gibt es das denn oder ist das schon Antisemitismus?), aber der Vater ist auch ein Schwulenhasser, der Witze auf deren Kosten macht. (Also vermutlich selber einer, ein heimlicher, unheimlicher). Der Sohn ist anders, leidet wie ein Hund, liebt den Vater aber trotzdem.
Dann kommt noch manches heraus, Mr. Green hat eben eine Tochter, die er vor langer Zeit verstoßen hat, die aber heimlich, hinter seinem Rücken mit seiner geliebten Frau Kontakt hielt. Nun, der alte Mann wird schwach, und gegen Ende des Stücks klopft die Tochter an seine Türe. Taschentücher raus!
Das sind so Stücke, die die Leute blenden, die als Fortschritt sich verkleiden, aber nur die Zurückgebliebenen mit der Höhe der Zeit versöhnen. Denn, was uns da durch die Lappen geht, bei all dem Gedöns – es fehlt nur ein Schwarzer –, ist: der Mann hatte eine chemische Reinigung, was seine Krankheit erklären könnte, er hat aber wenig Geld. Sein »Betreuer« geht mit seinen Eltern in ein Restaurant, und sie essen dort für 18000 Dollar, wenn ich mich nicht verhört habe.
Ein armer, alter, reaktionärer Jude und ein junger, moderner zum Schluss vereint. Wozu? Nun, vielleicht massakrieren sie nun gemeinsam die Palästinenser?
Anschließend: Schräg gegenüber beim Griechen! Der Hauswein und die Portionen, der Ouzo (umsonst), das gute Essen, kostet zum Glück nur knapp 40 €. Das hebt die Laune!
Hätte nur jemand wie Heine den Mut, die ganze Bande mit Christen und Moslems zum Teufel zu wünschen (oder so ähnlich).
Kleines Theater Berlin: Besuch bei Mr. Green, von Jeff Baro (1996 uraufgef., was zeigt, wie weit wir es gebracht haben …).