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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ossietzky verpflichtet

In Ossietzky 5/​2021 plä­diert Con­rad Taler im Arti­kel »Die Lin­ke am Schei­de­weg« für eine Zustim­mung der Links­par­tei zu UN-man­da­tier­ten Aus­lands­ein­sät­zen der Bun­des­wehr. Deutsch­land dür­fe »ange­sichts sei­ner Geschich­te nicht abseits­ste­hen«, wenn der UN-Sicher­heits­rat zu einem gemein­sa­men mili­tä­ri­schen Vor­ge­hen auf­ruft, meint Taler und for­dert dies­be­züg­lich einen »Kurs­wech­sel« der Links­par­tei als Vor­aus­set­zung für eine Regie­rungs­be­tei­li­gung (oder wie Taler es for­mu­liert »eine Bun­des­re­gie­rung ohne CDU«).

Bekannt­lich gab es in der Links­par­tei im Janu­ar 2021 einen ent­spre­chen­den Vor­stoß des Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten Mat­thi­as Höhn, der eine Zustim­mung zu UN-man­da­tier­ten Ein­sät­zen sowie zu einer EU-Armee for­der­te. Der dama­li­ge Par­tei­vor­stand hat die­ses Ansin­nen ein­deu­tig zurück­ge­wie­sen. Auch bei sei­ner Kan­di­da­tur zum Par­tei­vor­stand schei­ter­te Höhn im März auf dem Par­tei­tag, der damit einer sol­chen Auf­wei­chung frie­dens­po­li­ti­scher Posi­tio­nen mehr­heit­lich eine kla­re Absa­ge erteilt hatte.

Natür­lich ist Ossietzky kein Organ der Links­par­tei. Es kann daher kei­ne ein­heit­li­che Linie etwa für oder gegen lin­ke Regie­rungs­be­tei­li­gun­gen geben. Doch in der Frie­dens­fra­ge soll­ten wir uns ins­be­son­de­re dem anti­mi­li­ta­ri­sti­schen Wir­ken und den pazi­fi­sti­schen Über­zeu­gun­gen unse­res Namens­ge­bers Ossietzky ver­pflich­tet fühlen.

Um zu ver­deut­li­chen, wor­auf die For­de­rung nach der Unter­stüt­zung UN-man­da­tier­ter Ein­sät­ze her­aus­lau­fen kann, sei nur an den Beschluss des Sicher­heits­ra­tes (bei Ent­hal­tung Russ­lands, Chi­nas, Indi­ens und Bra­si­li­ens) zur Ein­rich­tung einer Flug­ver­bots­zo­ne über Liby­en 2011 erin­nert. Damit wur­de in der Kon­se­quenz mas­si­ven Luft­an­grif­fen ver­schie­de­ner NATO-Staa­ten, der Zer­stö­rung des Staa­tes und der Ermor­dung von Prä­si­dent Gad­da­fi sowie einem zehn­jäh­ri­gen Bür­ger­krieg den Weg geeb­net. Letzt­lich gilt auch für den UN-Sicher­heits­rat, was Carl von Ossietzky des­il­lu­sio­niert bereits über des­sen Vor­läu­fer fest­ge­stellt hat: »Der Völ­ker­bund ist völ­lig zum Instru­ment der ver­schie­de­nen Impe­ria­lis­men geworden.«

Zen­tral für Ossietz­kys Wir­ken war sein Ein­tre­ten für Abrü­stung und sein Enga­ge­ment gegen wei­te­re Auf­rü­stung. Auch die Par­tei Die Lin­ke tritt für eine schritt­wei­se Abrü­stung der Bun­des­wehr ein, mit den kriegs­füh­rungs­fä­hig­sten Tei­len der Trup­pe zuerst. Eine Zustim­mung zu Aus­lands­ein­sät­zen – auch unter UN-Dach – wür­de die­sem Ansin­nen dia­me­tral ent­ge­gen­lau­fen. Denn wer UN-man­da­tier­te Aus­lands­ein­sät­ze mit­tra­gen will, muss in der Kon­se­quenz auch die dafür not­wen­di­ge Ein­satz- und Ver­le­ge­fä­hig­keit der Trup­pe sicher­stel­len. Dies aber bedeu­tet nicht Abrü­stung, son­dern im Gegen­teil wei­te­re mil­li­ar­den­teu­re Auf­rü­stung etwa mit dem Mili­tär­trans­port­flug­zeug Air­bus A400M und dem Mili­tär­kampf­schiff MKS 180. Nicht aus­zu­schlie­ßen wäre dann, dass sol­che offen­sicht­lich nicht der Lan­des­ver­tei­di­gung die­nen­den Syste­me auch bei nicht-UN-man­da­tier­ten Kriegs­ein­sät­zen der NATO Ver­wen­dung finden.