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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Panzer sind nicht alles

End­lich die Wahr­heit! »Wir kämp­fen einen Krieg gegen Russ­land und nicht gegen­ein­an­der.« Die­ser Satz von Außen­mi­ni­ste­rin Baer­bock bei einer Debat­te im Euro­pa­rat stimmt aufs Wort. Auch der neue Ver­tei­di­gungs­mi­ni­ster Pisto­ri­us hat­te vor sei­ner Ver­ei­di­gung von einer indi­rek­ten Betei­li­gung Deutsch­lands am Krieg gespro­chen. Ob direkt oder indi­rekt, das spielt kei­ne Rol­le. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ist Kriegs­par­tei. Das Schein­ge­plän­kel inner­halb der Nato um die Pan­zer ändert dar­an kei­nen Deut. Das glei­che Sze­na­rio deu­tet sich bei den Kampf­jets an und – was zu befürch­ten ist – für alles, was die west­li­chen Waf­fen­ma­fio­si zu bie­ten haben.

Der­zeit wird ein abge­feim­tes Polit-Thea­ter gebo­ten. Pan­zer allein sind nicht alles, aber sie sind der Schlüs­sel, das Tor zu einer wei­te­ren Eska­la­ti­on des Nato-Stell­ver­tre­ter­krie­ges bis zum ato­ma­ren Infer­no zu öff­nen. Selbst aus der »Stif­tung Wis­sen­schaft und Poli­tik« wer­den die Begrün­dun­gen für die Pan­zer­lie­fe­run­gen als so dürf­tig bezeich­net, dass sich so auch die Lie­fe­rung tak­ti­scher Atom­waf­fen für die ukrai­ni­schen Armee recht­fer­ti­gen lie­ße. Oder war es als Tipp für die näch­ste »Wünsch dir was«-Sendung Rich­tung Kiew gedacht?

Inso­fern ent­spricht es der Logik von Mili­tärs, wenn sich nach dem avi­sier­ten Pan­zer­sam­mel­su­ri­um aus den Nato-Län­dern des­sen Wunsch­li­ste erschreckend ver­län­gert. Ulti­ma­tiv ver­lang­te Prä­si­dent Selen­skyj, direkt an die Adres­se von Nato-Gene­ral­se­kre­tär Stol­ten­berg gerich­tet, der Westen sol­le »die Lie­fe­rung von Lang­strecken­ra­ke­ten auf den Weg« brin­gen. Kiew und sei­ne Ver­bün­de­ten müss­ten zudem »unse­re Zusam­men­ar­beit bei der Artil­le­rie aus­wei­ten« und die »Ent­sen­dung von Kampf­flug­zeu­gen« ermög­li­chen. Vize­au­ßen­mi­ni­ster Mel­nyk leg­te nach sei­ner Ber­li­ner Art nass­forsch nach, begehr­te Tor­na­dos, Euro­figh­ter sowie Kriegs­schif­fe und U-Boo­te. Als Ex-Bot­schaf­ter in Deutsch­land hat er sei­nen Job ver­dammt schlecht gemacht, sonst wüss­te er, wie lang­sam die deut­schen Waf­fen­müh­len mahlen.

Die Mari­nes­par­te von Thys­sen­Krupp z. B. hat sehr lan­ge Lie­fer­zei­ten, und die Bun­des­ma­ri­ne liegt selbst mit den aktu­ell sechs U-Boo­ten unter dem Bedarf. Vom Preis eines sol­chen Objekts der Begier­de ganz abge­se­hen. Da ist ein Stück­preis von einer hal­ben Mil­li­ar­de Euro im Gespräch. Unend­li­che Kre­di­te wären aller­dings garan­tiert, weil den USA, der Euro­päi­schen Uni­on, der Bun­des­re­pu­blik und der gan­zen Koali­ti­on der Kriegs­be­schleu­ni­ger knau­sern fremd ist.

Bei Rhein­me­tall läuft es nicht bes­ser. Etwa in einem Jahr könn­ten 22 Kampf­pan­zer vom Typ Leo­pard 2 aus eige­nem Bestand zur Ver­fü­gung ste­hen. Wann zusätz­li­che 88 Leo­pard-1-Fahr­zeu­ge fer­tig sein könn­ten, ist aller­dings unklar. Die 29 Pan­zer der Bun­des­re­gie­rung, die für Ring­tau­sche vor­ge­se­hen sind, sol­len im Früh­jahr ver­füg­bar sein. »Vom Leo­pard 2A4 ver­fü­gen wir noch über 22 Fahr­zeu­ge, die wir ein­satz­be­reit machen und an die Ukrai­ne lie­fern könn­ten«, sag­te der Kon­zern­spre­cher. »Die Instand­set­zung die­ser Fahr­zeu­ge wür­de ein knap­pes Jahr dau­ern, eine Aus­lie­fe­rung wäre Ende 2023/​Anfang 2024 mög­lich.« 29 Leo­pard 2A4 sol­len für die Ring­tausch-Pro­jek­te im April/​Mai die­ses Jah­res bereit­ste­hen. Deut­sche aus­ge­tüf­tel­te Wehr­tech­nik braucht eben ihre Zeit. Für­wahr ein har­ter Job.

Was soll eigent­lich das Gere­de vom deut­schen 64-t-Schwer­ge­wicht Leo­pard? Lies­chen Mül­ler dürf­te als poten­ti­el­le Kun­din nicht infra­ge kom­men. Die Krauss-Maffei Weg­mann GmbH & Co. KG mit Fir­men­sitz in Mün­chen lobt sich als Das System­haus hoch und bie­dert sich als Markt­füh­rer für Rad- und Ket­ten­fahr­zeu­ge in Euro­pa an, wel­cher »mit mehr als 4.000 Mit­ar­bei­tern in Deutsch­land, Bra­si­li­en, Grie­chen­land, Groß­bri­tan­ni­en, Sin­ga­pur, Ungarn und den USA ein breit gestreu­tes Pro­dukt­port­fo­lio ent­wickelt, fer­tigt und betreut«. Dazu zäh­len Kampf­pan­zer und Artil­le­rie­sy­ste­me, Schüt­zen­pan­zer, Flug­ab­wehr-, Auf­klä­rungs- und Brücken­le­ge­sy­ste­me sowie »luft­ver­lad­ba­re Radfahrzeuge«.

Bei KMW han­delt es sich um eine Toch­ter­ge­sell­schaft des deutsch-fran­zö­si­schen Kon­zerns KNDS (KMW + NEXTER Defen­se Systems), der durch den Zusam­men­schluss von Krauss-Maffei Weg­mann und Nex­ter als Hol­ding mit Sitz in Amster­dam ent­stand. Der Kon­zern erwirt­schaf­te­te 2021 einen Umsatz in Höhe von 2,7 Mrd. Euro, wäh­rend die Beleg­schaft auf 8.767 Mit­ar­bei­ter wuchs, und plant für das lau­fen­de Geschäfts­jahr 2022 eine Umsatz­stei­ge­rung auf 3,1 Mrd. Euro. Die euro­päi­schen Steu­er­zah­ler freut das kaum, aber die regie­ren­den Steu­er­geld­ver­pras­ser sind groß­zü­gig und ver­die­nen infol­ge des Umsat­zes per Steu­er mit am maka­bren Business.

Hält der Leo über­haupt, was Chef­eta­ge und Mar­ke­ting groß­kot­zig ver­spre­chen? Ist er sein Geld wert? Der wert­ge­schätz­te Kun­de fin­det z. B. unter https://www.kmweg.de/ natür­lich kein Ster­bens­wört­chen über die Leo-Kala­mi­tä­ten. Selbst am Schreib­tisch im Mini­ste­ri­al­bü­ro dürf­ten erheb­li­che Beden­ken auf­kom­men. Allein beim Per­so­nal­ein­satz ver­langt er näm­lich eine von High­tech beses­se­ne 4-Mann-Besat­zung und vom Lade­schüt­zen oben­drauf einen Kno­chen­job – selbst in Frie­dens­zei­ten in der Aus­bil­dung. Die Abrams made in USA und die bri­ti­schen Chal­len­ger glei­chen in die­ser Hin­sicht dem deut­schen Koloss, bedin­gen 4fache Man­power, schlucken ob ihres Gewichts enorm viel Die­sel auf 100 Kilo­me­ter oder beim Abrams-Antrieb mit Gas­tur­bi­ne gar 700 Liter Kero­sin. So man hat und die Logi­stik stimmt. Doch wehe, wenn der Leo in die Werk­statt muss …

Nie­mand redet gern über wei­te­re Nach­tei­le. Allen Pan­zern ist gemein­sam, dass die Ket­ten und der Motor­raum die wohl größ­ten Schwach­stel­len dar­stel­len, im ver­min­ten Gelän­de oder bei Angrif­fen aus der Luft per Droh­nen sowie durch fern­ge­steu­er­te Kampf­ro­bo­ter. Inso­fern sind Pan­zer wirk­lich nicht alles. Nicht zu ver­ges­sen, der Ukrai­ne wur­de die Kat­ze im Sack spen­diert. Ob Leo, Abrams oder bri­ti­sche Chal­len­ger, sie alle sind nicht kom­pa­ti­bel. Selbst die Leo-Vari­an­ten unter­ein­an­der nicht. Da ist der zöger­li­che Kanz­ler Scholz viel­leicht sogar zu ver­ste­hen, falls er in einem Anflug von sozi­al­de­mo­kra­ti­scher Soli­da­ri­tät dem geschun­de­nen Land mit dem Dana­er­ge­schenk wei­te­res Unge­mach erspa­ren wollte.

Eine histo­ri­sche Erin­ne­rung sei gestat­tet. Im Febru­ar vor 80 Jah­ren ende­te die Schlacht um Sta­lin­grad mit der Kapi­tu­la­ti­on der 6. Armee der deut­schen Wehr­macht. Im Juli soll­ten »die besten Ver­bän­de, die besten Waf­fen« den Erfolg des Unter­neh­mens Zita­del­le garan­tie­ren. Knapp 800.000 Sol­da­ten mit 2.500 Pan­zern und Sturm­ge­schüt­zen bot die Wehr­macht noch­mals auf. Am 11. und 12. Juli kam es bei Pro­cho­row­ka zu einer Pan­zer­schlacht bis dato unbe­kann­ten Aus­ma­ßes. Ihr Aus­gang ist bekannt. Die deut­schen Tiger-Pan­zer wen­de­ten das Blatt nicht. Am 9. Mai 1945 lagen die Stan­dar­ten von Wehr­macht und SS vor dem Kreml auf dem regen­nas­sen Roten Platz.

Unweit vom Wer­der­schen Markt, an dem die deut­sche Außen­mi­ni­ste­rin mehr schlecht als recht ihres Amtes wal­tet, umrah­men am Gie­bel eines Hau­ses an der Rat­haus­stra­ße die Wor­te »Ber­lin – Stadt des Frie­dens« ein Tau­ben-Reli­ef des DDR-Bild­hau­ers Ger­hard Thie­me. Der Welt­frie­dens­rat ehr­te die DDR-Haupt­stadt Ber­lin mit die­sem Bei­na­men. Also aus­drück­lich nicht Ber­lin-West, denn dort galt bis 1990 der Vier-Mäch­te-Sta­tus und oblag die Ober­ho­heit den Besatzungsmächten.

Stadt des Frie­dens ist unzeit­ge­mäß. Von Ber­lin geht kein Frie­den mehr aus.