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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Rechtsabbieger?

Hans-Georg Maa­ßen, der Ex-Prä­si­dent des Ver­fas­sungs­schut­zes, macht wie­der von sich reden. Rotz­frech erklär­te er am 12. März in der FAZ zu der bewie­se­nen, aber von ihm bestrit­te­nen Hetz­jagd einer Grup­pe Rechts­ra­di­ka­ler auf Anti­fa­schi­sten und Aus­län­der im August 2018 in Chem­nitz: »Eigent­lich war ich der­je­ni­ge, gegen den eine Hetz­jagd statt­ge­fun­den hat.«

Wie ist die­ser bedau­erns­wer­te Ver­folg­te und AfD-Ver­ste­her, der jetzt Mit­glied eines rechts­la­sti­gen Wer­te-Zir­kels der CDU ist, im August 2012 Prä­si­dent des Bun­des­am­tes für Ver­fas­sungs­schutz (BfV) gewor­den? Und wer hat Die­ter Romann, Maa­ßens offen­ba­ren Bru­der im Gei­ste, zum Chef der Bun­des­po­li­zei und damit zum Lei­ter der 40.000 Mann zäh­len­den Poli­zei­trup­pe ernannt, die immer wie­der durch Gewalt gegen Demon­stran­ten von sich reden macht? Bei­de waren zuvor hohe Beam­te im Innen­mi­ni­ste­ri­um unter Mini­ster Hans-Peter Fried­rich (CSU). Wer war damals der Strip­pen­zie­her der Nacht- und Nebel-Akti­on? Gab es da viel­leicht so etwas wie ein rech­tes Netzwerk?

Heu­te muss man die­se Fra­ge wohl beja­hen. Denn der gro­ße För­de­rer der bei­den Rechts-Poli­zi­sten war offen­bar der dama­li­ge Staats­se­kre­tär im Innen­mi­ni­ste­ri­um, Klaus-Die­ter Frit­sche (CSU). Der Tages­spie­gel beschrieb am 15. März 2018 den Vor­gang so: »Im August 2012 plat­zier­te Frit­sche an der Spit­ze von Bun­des­po­li­zei und Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz zwei Män­ner aus dem Innen­mi­ni­ste­ri­um. Refe­rats­lei­ter Die­ter Romann über­nahm die Bun­des­po­li­zei, Mini­ste­ri­al­di­ri­gent Hans-Georg Maa­ßen das BfV. So stärk­te Frit­sche die Bin­dung bei­der Behör­den an das Innen­mi­ni­ste­ri­um, dem sie zuge­ord­net sind. Die Vor­gän­ger von Romann und Maa­ßen waren nicht aus dem Mini­ste­ri­um gekommen.«

Frit­sche ent­pupp­te sich nach sei­ner Pen­sio­nie­rung 2018 als grenz­über­schrei­ten­der rech­ter Gesin­nungs­ge­nos­se. Nach fünf Jah­ren als ober­ster Koor­di­na­tor aller deut­schen Geheim­dien­ste in der ersten Gro­Ko unter Mer­kel von 2005 bis 2009, als Staats­se­kre­tär im Innen­mi­ni­ste­ri­um und dann als auf­ge­wer­te­ter Staats­se­kre­tär des Bun­des­kanz­ler­amts von 2014 bis 2018 und voll Ver­ant­wort­li­cher eben­falls für alle Geheim­dien­ste lan­de­te er jetzt aus­ge­rech­net in Wien.

Nun kann ein frisch gebacke­ner Regie­rungs-Pen­sio­när sicher fast über­all hin­ge­hen, wo er es schön fin­det. Doch der deut­sche Ober-Geheim­dienst­ler Frit­sche flog qua­si direkt aus dem Bun­des­kanz­ler­amt – mit einer klei­nen Scham­frist – als Bera­ter ins öster­rei­chi­sche Innen­mi­ni­ste­ri­um, das von der rechts­ra­di­ka­len FPÖ geführt wird. Und nicht etwa klamm­heim­lich und gegen den Wil­len der Bun­des­kanz­le­rin und ihrer Regie­rung, son­dern mit deren aus­drück­li­cher Geneh­mi­gung. Und was soll er dort machen? Na, den Ver­fas­sungs­schutz nach deut­schen Erfah­run­gen umgestalten!

Und Erfah­run­gen kann der Rechts-Rent­ner genü­gend ein­brin­gen. »Mehr als 20 Jah­re gehör­te er zu den füh­ren­den Geheim­dienst­lern der Bun­des­re­pu­blik«, berich­te­te das ARD-Maga­zin »Pan­ora­ma« am 7. März. Schon von 1996 bis 2005 war er Vize­prä­si­dent des Ver­fas­sungs­schut­zes. In die­ser Zeit begann auch die Ter­ror­or­ga­ni­sa­ti­on NSU mit ihrer 10-fachen Mord­se­rie. Frit­sche erlang­te im fol­gen­den Jahr­zehnt immer grö­ße­ren Ein­fluss in den Geheim­dien­sten, wäh­rend das »staat­lich betreu­te Mor­den«, wie es die Vor­sit­zen­de des Thü­rin­ger NSU-Unter­su­chungs­aus­schus­ses Doro­thea Marx (SPD) nann­te, gleich­zei­tig immer ver­hee­ren­de­re Aus­ma­ße annahm.

Zu den Erfah­run­gen, die Frit­sche ver­mut­lich sam­meln konn­te, gehö­ren auch Ein­satz und Umgang mit den vie­len Dut­zend V-Leu­ten der deut­schen Geheim­dien­ste unter den Neo­na­zis, die die Mit­glie­der der NSU umschwirr­ten und sie mit Hun­dert­tau­sen­den Euro päp­pel­ten, die sie so über­aus groß­zü­gig vom Ver­fas­sungs­schutz erhal­ten hat­ten. Mög­li­che Erkennt­nis­se beim Schred­dern von NSU-Akten, ehe sie in die Hän­de ver­schie­de­ner NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se gefal­len wären, könn­te Frit­sche eben­falls an den Öster­rei­chi­schen Geheim­dienst wei­ter­ge­ben. Pro­fi­tie­ren könn­te das FPÖ-Mini­ste­ri­um auch von den Erfah­run­gen Frit­sches mit NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­sen des Bun­des­ta­ges, vor die er gela­den war, aber die Auf­klä­rung eher behinderte.

Und dann ist da noch ein ande­res, ziem­lich aktu­el­les Pro­blem. Die Wie­ner Zei­tung Der Stan­dard berich­tet am 15. März, dass der rechts­ra­di­ka­le Ter­ro­rist von Christ­church in Neu­see­land, der min­de­stens 50 Men­schen ermor­de­te, sich angeb­lich auch auf ein rechts­ra­di­ka­les Netz­werk in der deut­schen Bun­des­wehr beru­fen habe. Die Über­schrift des Arti­kels lau­tet: »Christ­church-Atten­tä­ter bezog sich auf rech­te Sol­da­ten in Bun­des­wehr – deren Netz­werk führt nach Österreich.«

Öster­rei­chi­sche Poli­ti­ker und Ver­tre­ter von Bür­ger­rechts­or­ga­ni­sa­tio­nen, so berich­tet die Zei­tung, wür­den jetzt ger­ne Aus­kunft haben über die Ver­bin­dun­gen die­ses rechts­ra­di­ka­len Netz­wer­kes in und außer­halb der Bun­des­wehr in die Alpen­re­pu­blik. Sie wand­ten sich mit ihrer For­de­rung an den öster­rei­chi­schen Innen­mi­ni­ster. Der müss­te jetzt nur ein paar Zim­mer wei­ter gehen, um von sei­nem neu­en Mit­ar­bei­ter und Ex-Staats­se­kre­tär im Bun­des­kanz­ler­amt Klaus-Die­ter Frit­sche aus erster Hand zu erfah­ren, was der Koor­di­na­tor aller Geheim­dien­ste – und dazu gehört auch der mili­tä­ri­sche Abschirm­dienst MAD – dar­über weiß.

Alles in allem: Der Alters-Voll­zeit­job des bis­he­ri­gen ober­sten deut­schen Geheim­dienst­lers beim rech­tra­di­ka­len FPÖ-Innen­mi­ni­ster könn­te die öster­rei­chi­sche Demo­kra­tie wei­ter beein­träch­ti­gen. Und um sei­nen Ein­satz noch zu top­pen: Viel­leicht holt er sich ja sei­nen Schütz­ling Hans-Georg Maa­ßen zur Verstärkung!

Ein Wort noch zur Über­schrift: Ich habe sie bei »Pan­ora­ma« ent­lie­hen und nur das Fra­ge­zei­chen hin­zu­ge­fügt. Die Kol­le­gen woll­ten damit wohl andeu­ten, dass Klaus-Die­ter Frit­sche bei sei­nem jet­zi­gen Ost-Ein­satz von sei­nem bis­he­ri­gen Kurs rechts abge­bo­gen sei. Muss es nicht hei­ßen: Der CSU-Mann ist schon immer stramm rechts gefahren?