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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Rückenschule

Man will es ein­fach nicht glau­ben, aber jeder hat sein sprich­wört­li­ches Päck­chen zu tra­gen. Auf gut Deutsch: Jeder muss mit sei­nem Schick­sal klar­kom­men. Bei mir ist es der ver­damm­te Rücken, der sich bei jeder dum­men Bewe­gung mit einem ste­chen­den Schmerz aus hei­te­rem Him­mel mel­det. Dann bin ich qua­si bewe­gungs­un­fä­hig und lau­fe wie ein Fra­ge­zei­chen durch die Gegend. Selbst das Zubin­den der Schu­he geht nicht ohne Hil­fe der Ehe­frau und das Aus­stei­gen aus dem Auto wird zur lach­haf­ten Zir­kus­num­mer für die Nachbarschaft.

Dass ich die­ses Schick­sal mit rund drei Vier­tel aller Deut­schen tei­le, ist auch kein Trost­pfla­ster. Die Rücken­pro­ble­me sind längst zu einem volks­wirt­schaft­li­chen Fak­tor gewor­den, denn das Kreuz mit dem Kreuz ver­schlingt all­jähr­lich ins­ge­samt 10 Mil­li­ar­den Euro Behand­lungs­ko­sten und noch ein­mal 15 Mil­li­ar­den Euro für die Spät­fol­gen. Bei die­sen Zah­len fragt man sich aller­dings: Ist unse­re Wir­bel­säu­le eine Fehl­kon­struk­ti­on oder gött­li­cher Pfusch?

»Abnut­zungs­er­schei­nun­gen am fünf­ten und sech­sten Wir­bel« – so lau­tet die lapi­da­re Aus­sa­ge des Rönt­gen­bil­des. Das klingt eigent­lich gar nicht so dra­ma­tisch, doch mein Rücken­mar­ty­ri­um schreit in regel­mä­ßi­gen Abstän­den nach einem Heiz­kis­sen oder einem hei­ßen Wan­nen­bad. Ein­rei­ben mit Schlan­gen­gift ist noch so ein Geheim­re­zept. Und in unse­rer Rei­se­apo­the­ke dür­fen die Schmerz­ta­blet­ten nie­mals fehlen.

Seit kur­zem habe ich aber eine völ­lig neue Schmerz­the­ra­pie ent­wickelt, indem ich mei­nen Rücken­wir­beln Namen gebe, natür­lich weib­li­che Namen! Eri­ka, Gise­la, Rena­te und so wei­ter. So habe ich nun einen Adres­sa­ten für mei­ne schmerz­er­füll­ten Flü­che. »Hey, Han­ne­lo­re, ver­dammt noch mal, musst du dich aus­ge­rech­net am Wochen­en­de mel­den. Aua! Schiet noch mal!« Doch zu mei­ner tota­len Über­ra­schung ant­wor­tet die Übel­tä­te­rin mit der mah­nen­den Stim­me mei­nes Ortho­pä­den: »Wer sei­ne täg­li­che Rücken­gym­na­stik ver­nach­läs­sigt, ist sel­ber schuld!«