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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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So viele Fragen

Der »Repu­bli­ka­ni­sche Club – Neu­es Öster­reich« ist 1986 als Reak­ti­on auf die so genann­te Wald­heim-Affä­re ent­stan­den. Seit­her wid­met er sich in zahl­rei­chen Ver­an­stal­tun­gen mehr oder weni­ger lin­ken The­men, ins­be­son­de­re der Bekämp­fung des Anti­se­mi­tis­mus und ande­rer rechts­ra­di­ka­ler Ten­den­zen. Äußert man den Pro­gramm­ma­chern des Repu­bli­ka­ni­schen Clubs gegen­über den Ver­dacht, dass sie zu den Ver­feh­lun­gen der Sozi­al­de­mo­kra­tie ein unkri­ti­sches Ver­hält­nis hät­ten, dass sie de fac­to eine Auf­fan­g­in­sti­tu­ti­on der SPÖ für Bür­ger links der Mit­te sind, wird das hef­tig abgestritten.

Jetzt lädt der Club mit den fol­gen­den Wor­ten zu einer Dis­kus­si­on ein: »Die Gra­zer KPÖ hat einen beacht­li­chen Wahl­er­folg errun­gen. Kein Ana­lyst nimmt aber an, dass die Grazer/​innen der kom­mu­ni­sti­schen Ideo­lo­gie nahe­ste­hen. War­um also die­ser uner­war­te­te Erfolg? Ist der Hand­lungs­spiel­raum für lin­ke Poli­tik doch grö­ßer als ange­nom­men? Wenn ja, könn­te auch die SPÖ als histo­ri­sche Arbei­ter­par­tei die­ses Poten­ti­al nüt­zen? Und ist der Aus­tro­mar­xis­mus eines Otto Bau­er oder Max Adler sogar zukunftsweisend?«

Die Fra­ge­stel­lung mutet kuri­os an. Da wur­de eine Reprä­sen­tan­tin der Kom­mu­ni­sti­schen Par­tei mit den mei­sten Wäh­ler­stim­men zur Bür­ger­mei­ste­rin gekürt, und der Repu­bli­ka­ni­sche Club inter­es­siert sich nicht etwa für die Trä­ger des »uner­war­te­ten Erfolgs«, für die histo­ri­sche Arbei­ter­par­tei KPÖ, son­dern für – eben! – die SPÖ. Gern möch­te man zurück­fra­gen: Gibt die SPÖ der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te Anlass zu der Annah­me, sie wol­le eine lin­ke Poli­tik betrei­ben? Hat man von ihren Reprä­sen­tan­ten, dar­un­ter immer­hin die Bür­ger­mei­ster der Haupt­stadt Wien, jemals ver­nom­men, dass sie, wie die kom­mu­ni­sti­schen Abge­ord­ne­ten im Gra­zer Gemein­de­rat, auf einen Groß­teil ihres Gehalts zugun­sten von Bedürf­ti­gen ver­zich­ten? Betrei­ben sie in der Metro­po­le, die einst als »Rotes Wien« inter­na­tio­nal beach­tet wur­de, eine Poli­tik der erschwing­li­chen Mie­ten, wie es die Gra­zer Kom­mu­ni­sten seit Jah­ren tun? Statt­des­sen hat der frü­he­re sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Bür­ger­mei­ster Wiens noch vor ein paar Jah­ren dekla­riert, ein Aus­län­der käme ihm nicht in einen Gemein­de­bau – auf gut deutsch: habe kei­ne Chan­ce, eine kom­mu­na­le Woh­nung zu erhal­ten. For­dern die SPÖ-Poli­ti­ker, wie die neue Gra­zer Bür­ger­mei­ste­rin Elke Kahr, einen Ver­zicht auf Dienst­wa­gen? Und wel­che füh­ren­den SPÖ-Poli­ti­ker haben zu erken­nen gege­ben, dass sie den Hand­lungs­spiel­raum eines lin­ken Poten­ti­als nüt­zen, dass sie gar in die Fuß­spu­ren eines Otto Bau­er oder eines Max Adler tre­ten wol­len? Fürch­ten sie nicht viel­mehr schon das Wort »Aus­tro­mar­xis­mus« mehr als der Teu­fel das Weihwasser?

War­um stellt der Repu­bli­ka­ni­sche Club die­se Fra­gen nicht den Spit­zen­funk­tio­nä­ren der SPÖ? Er weiß wohl war­um. Viel­leicht könn­te Elke Kahr dar­auf ant­wor­ten. Übri­gens beschwö­ren freund­lich gesinn­te Jour­na­li­sten, dass die Poli­tik der Gra­zer Genos­sen nichts mit Kom­mu­nis­mus zu tun habe. Mag sein. Aber fra­gen darf man wohl auch, wenn wir gera­de dabei sind, war­um Kom­mu­nis­mus für alle Zei­ten mit Sta­lin asso­zi­iert wer­den muss und nicht mit sozia­lem Ver­hal­ten, und war­um im Zusam­men­hang mit der Sozi­al­de­mo­kra­tie nur Otto Bau­er ins Feld geführt wird und nicht die Gewäh­rung von Kriegs­kre­di­ten oder das »freu­di­ge Ja« eines Karl Ren­ner zum Anschluss Öster­reichs an Hit­lers Deut­sches Reich?

»So vie­le Berich­te /​ So vie­le Fra­gen« hat Brechts lesen­der Arbei­ter. Und der Repu­bli­ka­ni­sche Club?