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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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»Think Big«

Lau­fend schaf­fen Staa­ten Anläs­se, die zur Ver­tei­di­gung von natio­na­lem Glanz und Glo­ria Krie­ge gebie­ten. Die Grund­sätz­lich­kei­ten staat­li­chen Han­delns beur­teilt die an Schei­dung in Gut und Böse inter­es­sier­te, kom­men­tie­ren­de Öffent­lich­keit rea­li­stisch dif­fe­ren­ziert. So nimmt sich für sie z. B. der Empire-Wil­le der Limeys, sich nicht von daher­ge­lau­fe­nen Gau­chos einen mit Schafs­köt­teln über­sä­ten Stein­hau­fen namens Falk­land­in­seln weg­neh­men zu las­sen, als ledig­lich »über­heb­li­che, absur­de Geste« aus, weil die Sta­tur Groß­bri­tan­ni­ens nach dem Zwei­ten Welt­krieg nun ein­mal zurecht­ge­stutzt wor­den ist. Anders, näm­lich als ungleich »plau­si­bler«, da unbe­streit­bar gül­tig, sehen die Kom­men­ta­to­ren Ter­ri­to­ri­al- und Res­sour­cen­an­sprü­che, wenn sie von einer Groß­macht, eben weil sie die Num­mer eins ist, erho­ben wer­den kön­nen.

Die­ses Glück gott­ge­woll­ten Erfolgs inspi­riert den MAGA-Visio­när Trump, der sich bei sei­nen Deals an die staat­li­che Vor­ga­be von Krieg als dem ent­schei­den­den Frie­dens­mit­tel hält, bei sei­nem lau­ten und gezwit­scher­ten Nach­den­ken; z. B. über eine Frei­staa­ten­re­ge­lung à la Puer­to Rico für Pana­ma, über eine nah­öst­li­che noch Gaza genann­te Rivie­ra für Höchst­lei­ster, über eine den USA vor­be­hal­te­ne Nut­zung ukrai­ni­scher Roh­stof­fe und Böden; und schließ­lich kann er sich – war­um denn auch nicht? – vor­stel­len, aus Kana­da und Grön­land wei­te­re US-Bun­des­staa­ten zu machen. Dar­über hin­aus lie­ße sich doch auch noch das Ärger­nis der inter­na­tio­nal nie­man­dem so recht gehö­ren­den Ark­tis und Ant­ark­tis aus der Welt schaf­fen, indem sich »Ame­ri­ca first« als end­gül­ti­ger Herr an den Polen eta­bliert. (Ziem­lich mick­rig nimmt sich dage­gen der in grel­len Far­ben gemal­te Expan­sio­nis­mus des rus­si­schen Für­sten der Fin­ster­nis aus, der übri­gens bekun­det, dass er die Grönland»frage« für »ernst«, also für noch eine Gewaltfra­ge hält.)

So etwas Gro­ßes will auch »Euro­pa« nicht nur wol­len, son­dern auch kön­nen kön­nen. Selbst hung­rig will es dabei nicht vom gefrä­ßi­gen gro­ßen Bru­der kurz­ge­hal­ten wer­den. Schließ­lich ist es ja kein »shit­ho­le coun­try« mehr; dem »Zuwachs an Ver­ant­wor­tung gehor­chend«, wie die Medi­en zu beto­nen nicht müde wer­den, darf es sich ein­fach auch nicht mehr wie ein sol­ches beneh­men. Wo kämen wir denn da hin?! So die Logik die­ses Willens.

Nur: Woher kommt die­se Maß­lo­sig­keit? Kommt der Wil­le zu ihr aus ihm selbst und sonst nichts? Könn­ten sich Staa­ten denn nicht ein­fach zu einem ande­ren Wol­len, zu Selbst­ge­nüg­sam­keit und damit dazu, von Gewalt zu las­sen, bekeh­ren, wie ihnen häu­fig kri­tisch ange­tra­gen wird? Nein, eine solch heh­re Wen­de steht nicht zu ihrer frei­en Dis­po­si­ti­on: Als ihre kapi­ta­li­sti­sche Exi­stenz­grund­la­ge För­dern­de fol­gen sie dem Zweck und Zwang, unauf­hör­lich aus Geld mehr Geld zu machen; ihr Eigen­in­ter­es­se weiß: Ohne die­ses Wachs­tum geht es nicht. Es muss mit Benut­zung von Part­nern, Riva­len und Fein­den per öko­no­mi­schem Kräf­te­mes­sen und mili­tä­risch bewehrt nach außen durch­ge­setzt wer­den, bei Stra­fe des Unter­lie­gens im Wett­be­werb. Der inter­na­tio­na­le Hun­ger des Staats ent­springt dem des Kapi­tals, das sein kei­ne Gren­zen ken­nen­des Mit­tel ist.

Dies ist der wesent­li­che Antrieb moder­nen Staats­han­delns. Erklärt man es nicht aus die­sem Grund, so wird aus dem exi­sten­ten Gegen­satz von Herr und Knecht, Staat und Bür­ger, eine lee­re Abstrak­ti­on: der Staat ist dann Herr­schaft pur. Die­ser Befund stellt sich nur mit Zir­kel­schlüs­sen ein, z. B. mit einem »Nach­her wie vor­her«; »zum Beweis« des­sen, dass es Herr­schaft rein um sich, bar eines »Wofür?«, gehe, wird histo­ri­sie­rend dar­auf gedeu­tet, dass Staa­ten zu ihrer Aus­ge­stal­tung wie Schaf­fung Gewalt ein­set­zen. Der Umstand, dass dem so ist, begrün­det (vgl. dazu den geläu­fi­gen Begriff »Staatsrai­son«) jedoch nach wie vor den Gebrauch von Gewalt nicht: Die Kon­ti­nui­tät bei der Anwen­dung eines Mit­tels macht aus die­sem wie gesagt kei­nen (Selbst-)Zweck. Oder man kann psy­cho­lo­gi­sie­rend – Vor­ha­ben »fol­gen« aus dem Wil­len zu ihnen – bei Herr­schern belie­bi­ge ver­werf­li­che wie edle »Moti­ve« bzw. eine Ver­an­la­gung zu die­sen ent­decken. Das Vol­un­t­a­ris­mus genann­te Ver­fah­ren wirft zahl­lo­se Fra­gen auf: Woll­te Bill Gates‘ Impf­pro­jekt denn alle ver­gif­ten? Lei­det Putin nun an Hybris sei­nes Wol­lens? Liegt Trump sein Frie­denswil­le aus­rei­chend am Her­zen? Und so wei­ter und so fort.

Indem z. B. der Autor Ole Nymoen sich mit dem Ein­spruch begnügt, Staats­wohl ste­he eben im Gegen­satz zu dem des Ein­zel­nen – so sei der Staat nun mal (immer schon gewe­sen) –, lässt er Raum für fal­sche, da vol­un­t­a­ri­sti­sche Aus­deu­tun­gen und muss sich mit die­sen in Talk­shows (z. B. mit Sarah Boset­tis For­de­rung »Ich will, dass du ringst!«) her­um­schla­gen. Das ist auch eine Schwä­che sei­nes Buchs (»War­um ich nie­mals für mein Land kämp­fen wür­de«). Den­noch ist sei­ne Ver­wei­ge­rung von Kriegs­ge­folg­schaft und vor allem von Ver­ständ­nis für den Staat, das her­kömm­li­cher Pazi­fis­mus ja eben nicht auf­kün­digt, in die­ser kriegs­be­rei­ten Zeit außer­ge­wöhn­lich. Unge­ach­tet des erwähn­ten blin­den Flecks bleibt zu wün­schen, es »ver­stie­gen« sich vie­le zu sei­ner Hal­tung. Wenigstens.