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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Ukrainekrieg: Aus der Kubakrise lernen!

Als rus­si­sche Trup­pen am 24. Febru­ar 2022 die Ukrai­ne angrif­fen, war­fen füh­ren­de deut­sche Sozi­al­de­mo­kra­ten – wie schon die Reichs­tags­ab­ge­ord­ne­ten der Par­tei am 4. August 1914 durch Bewil­li­gung von Kriegs­kre­di­ten für die kai­ser­li­che Armee – über Nacht jahr­zehn­te­lang bewähr­te Grund­sät­ze der Frie­dens­si­che­rung über Bord: Waf­fen nicht in Kri­sen- und schon gar nicht in Kriegs­ge­bie­te zu lie­fern, hat­te für die SPD bis dahin zur Staats­rä­son der Bun­des­re­pu­blik gehört. Seit­her wur­den Pan­zer­fäu­ste, Luft­ab­wehr­ra­ke­ten, Pan­zer­hau­bit­zen, Mehr­fach­ra­ke­ten­wer­fer und Flak­pan­zer in ein Kriegs­ge­biet expor­tiert, das ande­re Nato-Staa­ten schon vor­her mit schwe­ren Waf­fen voll­ge­stopft hat­ten. Dabei ist »unse­re Sicher­heit« ent­ge­gen anders­lau­ten­den Paro­len weder am Hin­du­kusch noch am Dne­pr ver­tei­digt worden.

Anstatt der Mili­ta­ri­sie­rung des Den­kens, der Spra­che und der Medi­en­be­richt­erstat­tung ent­ge­gen­zu­tre­ten, ver­kün­de­te Bun­des­kanz­ler Olaf Scholz in sei­ner von Ova­tio­nen beglei­te­ten Par­la­ments­re­de am 27. Febru­ar 2022, jähr­lich »mehr als zwei Pro­zent des Brut­to­in­lands­pro­dukts«, also min­de­stens die Hälf­te mehr als bis­her, für Rüstung aus­ge­ben und ein Son­der­ver­mö­gen in der schwin­del­erre­gen­den Höhe von 100 Mil­li­ar­den Euro für die mit einem Rüstungs­haus­halt von über 50 Mil­li­ar­den Euro angeb­lich schlecht aus­ge­rü­ste­te, weil »unter­fi­nan­zier­te« Bun­des­wehr schaf­fen zu wollen.

Nicht viel beson­ne­ner als die mei­sten SPD-Poli­ti­ker ver­hielt sich das Regie­rungs­per­so­nal von Bünd­nis 90/​Die Grü­nen: Plötz­lich scher­te sich die­se Par­tei, als deren Mar­ken­kern seit ihrer Grün­dung die Bewah­rung von Umwelt, Natur und Kli­ma galt, nicht mehr um ihre Prin­zi­pi­en, son­dern wink­te das größ­te Auf­rü­stungs­pro­gramm seit Grün­dung der Bun­des­wehr durch. Dabei scha­det der Umwelt, der Natur und dem Kli­ma nichts mehr als das Mili­tär. Dies reicht schon im Frie­den von einem rie­si­gen Ener­gie- und Land­ver­brauch über Manö­ver­schä­den bis zum Tief­flug­lärm von Mili­tär­jets. Plötz­lich galt den Bünd­nis­grü­nen, bei denen ein Salon­bel­li­zis­mus um sich griff, selbst der Import des vor­her als Teu­fels­zeug ver­damm­ten Frack­ing-Gases als Königs­weg aus der Ener­gie­ab­hän­gig­keit von Russland.

Alle eta­blier­ten Par­tei­en (mit Aus­nah­me der LINKEN) waren plötz­lich bereit, mehr Geld für die »Ertüch­ti­gung« der Bun­des­wehr aus­zu­ge­ben – die­ser neu­er­dings häu­fig ver­wen­de­te Begriff erin­nert stär­ker an Turn­va­ter Jahn als an eine moder­ne Armee. Man habe die von Russ­land aus­ge­hen­de Kriegs­ge­fahr jahr­zehn­te­lang unter­schätzt, hieß es mei­stens zur Begrün­dung. Dass man die ein­zig ver­fas­sungs­kon­for­me Ziel­set­zung der Lan­des­ver­tei­di­gung zugun­sten einer Umrü­stung der Bun­des­wehr zur über­all ein­setz­ba­ren Inter­ven­ti­ons­ar­mee auf­ge­ge­ben hat­te, wur­de hin­ge­gen verschwiegen.

Dass unser Land von der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on, ihrem Prä­si­den­ten oder irgend­ei­nem ande­ren Staat auf der Welt mili­tä­risch bedroht wür­de, war und ist nicht erkenn­bar. Viel­mehr ist es absurd zu glau­ben, rus­si­sche Trup­pen könn­ten irgend­wann eine deut­sche Stadt erobern, gelang es ihnen doch wochen­lang nicht, ein Stahl­werk in Mariu­pol oder Donezk und Luhansk mili­tä­risch unter Kon­trol­le zu bekom­men. Trotz­dem mach­te die vom Deut­schen Bun­des­tag her­aus­ge­ge­be­ne Wochen­zei­tung Das Par­la­ment am 8. August 2022 mit der Titel­schlag­zei­le »Putin ante por­tas« (für Leser/​innen ohne das Klei­ne oder Gro­ße Lati­num sei es über­setzt: »Putin vor den Toren«) auf, ganz so, als stün­den rus­si­sche Trup­pen dem­nächst in Ber­lin, Ham­burg oder München.

Zehn­mal sprach Scholz in sei­ner »Zeitenwende«-Rede von »Putins Krieg«, wozu die »Fra­gen eines lesen­den Arbei­ters« von Ber­tolt Brecht wie die Faust aufs Auge pas­sen: »Der jun­ge Alex­an­der erober­te Indi­en. Er allein? Cäsar schlug die Gal­li­er. Hat­te er nicht wenig­stens einen Koch bei sich?« Wie kann man das Gesche­hen in der Ukrai­ne nur der­art sim­pli­fi­zie­ren, des­sen Ent­ste­hungs­ur­sa­chen nach Bildzei­tungs­ma­nier auf eine Per­son ver­kür­zen, die gesell­schaft­li­chen Hin­ter­grün­de und die macht­po­li­ti­schen Inter­es­sen des Kon­flikts jedoch völ­lig ignorieren?

Obwohl der Oppo­si­ti­ons­füh­rer Fried­rich Merz vom rus­si­schen Prä­si­den­ten in sei­ner Ant­wort auf Scholz als »Kriegs­ver­bre­cher« sprach, fuhr er mit einem Sei­ten­hieb auf den Bun­des­kanz­ler fort: »Aber so einen Krieg befiehlt nicht einer allein, und er ent­steht auch nicht ohne poli­ti­sches Umfeld.« Glaub­wür­di­ger wäre Merz aller­dings, wenn er jene US-Prä­si­den­ten, die über tau­send Per­so­nen – dar­un­ter zahl­rei­che Unbe­tei­lig­te, Frau­en und Kin­der – mit Kampf­droh­nen unter direk­ter Betei­li­gung der Ram­stein Air Base in Deutsch­land völ­ker­rechts­wid­rig (ohne Gerichts­ver­fah­ren oder Kriegs­er­klä­rung) exe­ku­tie­ren lie­ßen, eben­falls als Mör­der bezeich­nen würde.

Zu einer fun­dier­ten Ana­ly­se der Kriegs­ur­sa­chen trug Scholz mit sei­ner Rede, die besten­falls Stamm­tisch­ni­veau auf­wies, nichts bei. Die von ihm favo­ri­sier­te Kurz­for­mel erin­ner­te an die Per­so­na­li­sie­rung, Psy­cho­lo­gi­sie­rung und Patho­lo­gi­sie­rung zwecks Ent­po­li­ti­sie­rung im Nach­klang des Zwei­ten Welt­krie­ges. Indem sei­ner­zeit von »Hit­lers Krieg« die Rede war, spra­chen sich vie­le Deut­sche selbst von jeg­li­cher Schuld frei. Die­se hat­ten folg­lich weder die Nazis, ihre kon­ser­va­ti­ven Gesin­nungs­freun­de und Mit­läu­fer noch das Groß­ka­pi­tal und sei­ne Ver­bän­de auf sich gela­den, son­dern eine Per­son, die ver­meint­lich »durch­ge­knallt« war und den Krieg allein vom Zaun gebro­chen hatte.

Nun behaup­tet man im Grun­de das­sel­be von Wla­di­mir Putin. Doch ein Krieg wird nie bloß von einer Per­son her­bei­ge­führt, son­dern immer auch von der Eli­te eines Lan­des oder meh­re­rer Län­der – der öko­no­mi­schen, der poli­ti­schen und Ver­wal­tungs­eli­te. Putin ist auf­grund sei­ner Spit­zen­po­si­ti­on als Prä­si­dent der Rus­si­schen Föde­ra­ti­on zwei­fel­los haupt­ver­ant­wort­lich für die am 24. Febru­ar 2022 begon­ne­ne Inva­si­on. Ihm die­sen Krieg jedoch allein anzu­la­sten und an sei­ner psy­chi­schen Kon­sti­tu­ti­on zu zwei­feln, blen­det ande­re Deter­mi­nan­ten – dar­un­ter die Mit­ver­ant­wor­tung ukrai­ni­scher Poli­ti­ker und der Nato – aus.

Was wegen des fort­exi­stie­ren­den Anti­so­wje­tis­mus und Anti­kom­mu­nis­mus oft­mals über­se­hen wird: Das heu­ti­ge Russ­land ist kein sozia­li­sti­scher oder kom­mu­ni­sti­scher Staat wie die UdSSR, mit der es immer noch iden­ti­fi­ziert wird, viel­mehr eine kapi­ta­li­sti­sche Gesell­schaft wie die Ukrai­ne. Das über­se­hen auch man­che Lin­ke in Ost­deutsch­land, die mit Putin auf­grund ihrer tra­di­tio­nel­len Ver­bun­den­heit mit dem frü­he­ren »Bru­der­staat« der DDR sym­pa­thi­sie­ren. Russ­land und die Ukrai­ne sind durch ein hohes Maß an sozio­öko­no­mi­scher Ungleich­heit gekenn­zeich­net. Des­halb gilt für sie wie für ande­re impe­ria­li­sti­sche Staa­ten, was der am 31. Juli 1914 ermor­de­te fran­zö­si­sche Sozia­li­sten­füh­rer Jean Jau­rès in einem berühm­ten Ver­gleich fol­gen­der­ma­ßen aus­ge­drückt hat: »Der Kapi­ta­lis­mus trägt den Krieg in sich wie die Wol­ke den Regen.«

Scholz fiel in übel­ste Kal­te-Kriegs-Rhe­to­rik zurück, als er von einem »Kon­flikt zwi­schen Putin und der frei­en Welt« sprach. Dage­gen avan­cier­te die Ukrai­ne in kür­ze­ster Zeit zum Sym­pa­thie­trä­ger, obwohl sie wegen ihrer fana­ti­schen, ultra­na­tio­na­li­sti­schen und mili­tan­ten Nazi-Kol­la­bo­ra­teu­re unter dem vom frü­he­ren Bot­schaf­ter Andrij Mel­nyk ver­ehr­ten Ste­pan Ban­de­ra, wegen der aus­ge­präg­ten Kor­rup­ti­on mit Olig­ar­chen als eigent­li­chen Lan­des­herrn sowie auf­grund der US-Ame­ri­ka­ni­sie­rung von Wirt­schaft und poli­ti­scher Kul­tur (mit einem Komi­ker als Prä­si­den­ten und einem Boxer als Bür­ger­mei­ster der Haupt­stadt) schlecht beleu­mun­det war. Dazu trug auch bei, dass die Mas­sen­me­di­en in der Ukrai­ne weit­ge­hend gleich­ge­schal­tet, sozialistische/​kommunistische Par­tei­en ver­bo­ten und Gewerk­schaf­ten ver­pönt sind.

Ent­ge­gen mono­kau­sa­len Erklä­rungs­mu­stern tra­gen mei­stens bei­de Part­ner ihren Teil zur Ent­ste­hung und Ver­schär­fung der gegen­sei­ti­gen Span­nun­gen bei, bis es zum »gro­ßen Knall« kommt. So war es auch beim Ukrai­ne­krieg, der einen län­ge­ren Vor­lauf hat­te. Am ehe­sten hät­ten die Ent­ste­hungs­ur­sa­chen des Kon­flikts bei der Auf­lö­sung des War­schau­er Ver­tra­ges 1990/​91 besei­tigt wer­den kön­nen. Zwar hat die Ukrai­ne sei­ner­zeit gegen ent­spre­chen­de Sicher­heits­ga­ran­tien Russ­lands auf ihren Atom­waf­fen­be­stand ver­zich­tet, über den sie ohne­hin nicht die Kom­man­do­ge­walt besaß, eine sehr viel nach­hal­ti­ge­re Frie­dens­si­che­rung wäre jedoch mög­lich gewe­sen, wenn die Nato-Mit­glie­der und die Nach­fol­ge­staa­ten der Sowjet­uni­on am Ende des Kal­ten Krie­ges ein kol­lek­ti­ves Sicher­heits­sy­stem in Euro­pa geschaf­fen hät­ten. Wären die USA als Füh­rungs­macht der west­li­chen Alli­anz bereit gewe­sen, das Zeit­al­ter der hoch gerü­ste­ten und ato­mar bewaff­ne­ten Mili­tär­pak­te auf unse­rem Kon­ti­nent für immer zu been­den, hät­te man alle poten­ti­el­len Kriegs­geg­ner gleich­be­rech­tigt ein­glie­dern, Russ­land sei­ne histo­risch begrün­de­ten Ein­krei­sungs­äng­ste neh­men und die Wahr­schein­lich­keit eines Angriffs durch Schaf­fung einer gemein­sa­men Abwehr­front aller übri­gen betei­lig­ten Staa­ten mini­mie­ren können.

Wenn die Geschich­te der inter­na­tio­na­len Bezie­hun­gen etwas lehrt, dann vor allem dies: Gefähr­det war der Frie­de in Euro­pa immer dann, wenn es grö­ße­re Span­nun­gen zwi­schen Deutsch­land und Russ­land gab. Die zwei­ma­li­ge Ost­erwei­te­rung der Nato, die auf dem Gip­fel in Buka­rest 2008 auf Wunsch von US-Prä­si­dent Geor­ge W. Bush erklär­te Bereit­schaft des Mili­tär­bünd­nis­ses zur Auf­nah­me der Ukrai­ne und Geor­gi­ens, die Ein­fü­gung die­ser »stra­te­gi­schen Ori­en­tie­rung« in die ukrai­ni­sche Ver­fas­sung sowie die mas­si­ve Auf­rü­stung des Lan­des durch US-ame­ri­ka­ni­sche Mili­tär­hil­fe haben der rus­si­schen Wahr­neh­mung eines über­mäch­ti­gen Westens und einer mög­li­chen Rake­ten­sta­tio­nie­rung »vor der eige­nen Haus­tür« immer neue Nah­rung gege­ben. Hät­te »Putins Russ­land« sei­nen Nach­bar­staat wirk­lich ange­grif­fen, wenn all das dem Krieg nicht vor­an­ge­gan­gen wäre und die Ukrai­ne statt der Nato-Aus­deh­nung an die rus­si­sche West­gren­ze ihre immer­wäh­ren­de Neu­tra­li­tät zum Ver­fas­sungs­prin­zip erho­ben hätte?

Äußert man Skep­sis im Hin­blick auf das der Ukrai­ne unter­brei­te­te Ange­bot eines Nato-Bei­tritts, wird gern auf die Sou­ve­rä­ni­tät des Lan­des ver­wie­sen, das wie jedes ande­re selbst ent­schei­den kön­nen müs­se, ob und ggf. wel­chem Mili­tär­pakt es ange­hö­ren möch­te. Über­zeu­gen­der wäre die­ses Argu­ment, hät­ten sei­ne Prot­ago­ni­sten auch die Sou­ve­rä­ni­tät Kubas ver­tei­digt, als der Kari­bik­staat im Jahr 1962 sowje­ti­sche Mit­tel­strecken­ra­ke­ten auf sei­nem Ter­ri­to­ri­um sta­tio­nie­ren woll­te. Und hat irgend­je­mand hier­zu­lan­de dage­gen pro­te­stiert, dass die USA sogar einen Atom­krieg ris­kier­ten, um das »vor ihrer Haus­tür« zu verhindern?

Für einen kri­ti­schen Beob­ach­ter lau­tet die Schlüs­sel­fra­ge: Wem nützt das Gemet­zel auf dem Schlacht­feld? Haupt­pro­fi­teu­re sind die rus­si­sche und die US-ame­ri­ka­ni­sche Rüstungs­in­du­strie bzw. deren Groß­ak­tio­nä­re. Krieg ist unter kapi­ta­li­sti­schen Rah­men­be­din­gun­gen ein rie­si­ges Geschäft für den mili­tä­risch-indu­stri­el­len Kom­plex. Waf­fen­sy­ste­me wer­den im Kampf­mo­dus erprobt, zer­stört und anschlie­ßend neu ent­wickelt, was den Akti­en­kurs von Rüstungs­kon­zer­nen explo­die­ren lässt. Haupt­ver­lie­re­rin des Krie­ges ist die arbei­ten­de Bevöl­ke­rung, der sowohl die mei­sten Gefal­le­nen wie auch die Opfer sei­ner wirt­schaft­li­chen Fol­gen ange­hö­ren, von sei­nen enor­men Kosten, die sie auf­ge­bür­det bekommt, ganz zu schweigen.

Unter­neh­men wie Rhein­me­tall – Deutsch­lands größ­ter Rüstungs­kon­zern, des­sen Akti­en­kurs sich im Früh­jahr 2022 ver­dop­pel­te – haben ein Inter­es­se dar­an, dass es mög­lichst lan­ge und vie­le Waf­fen­lie­fe­run­gen in die Ukrai­ne gibt. Ob schwe­re Waf­fen das sind, was die Men­schen vor Ort wirk­lich brau­chen, ist jedoch zu bezwei­feln. Denn sol­che Waf­fen­lie­fe­run­gen ver­län­gern mög­li­cher­wei­se sogar den Krieg, das Ster­ben und das Lei­den der Bevöl­ke­rung. Sinn­vol­ler wären poli­ti­sche oder diplo­ma­ti­sche Frie­dens­be­mü­hun­gen, nicht wei­te­re Kon­flikt- und Gewalt­es­ka­la­ti­on. Schließ­lich ent­wickeln Krie­ge prak­tisch aus­nahms­los eine fata­le Eigen­dy­na­mik: Je län­ger sie dau­ern, umso mehr Waf­fen und Sol­da­ten wer­den mobi­li­siert, umso grö­ßer wird der wech­sel­sei­ti­ge Hass, und umso stär­ker stump­fen alle direkt oder indi­rekt dar­an Betei­lig­ten ab, obwohl ihr ener­gi­scher Wider­stand not­wen­dig wäre, um das Mor­den der ent­fes­sel­ten Mili­tär­ma­schi­ne­rie zu stoppen.

Die Kuba­kri­se im Okto­ber 1962 mach­te den USA wie der Sowjet­uni­on klar, dass ihr Kon­fron­ta­ti­ons­kurs die Gefahr eines die Welt ver­nich­ten­den Atom­krie­ges in sich barg und Ent­span­nungs­be­mü­hun­gen über­fäl­lig waren. Bald dar­auf wur­de eine als »Hei­ßer Draht« oder »Rotes Tele­fon« bezeich­ne­te Fern­schreib­ver­bin­dung zwi­schen Mos­kau und Washing­ton ein­ge­rich­tet sowie der Atom­waf­fen­sperr­ver­trag geschlos­sen. In jüng­ster Zeit fürch­te­te Russ­land ato­ma­re US-Mit­tel­strecken­ra­ke­ten auf der Krim oder im Don­bass eben­so wie die USA damals rus­si­sche Nukle­ar­ra­ke­ten auf Kuba. Sieht man davon ab, dass es in der Ukrai­ne – anders als sei­ner­zeit – zum Krieg gekom­men ist, ähnelt die­ser Kon­flikt frap­pie­rend der Kuba­kri­se. Des­halb soll­ten bei­de die­sel­ben Schluss­fol­ge­run­gen wie damals zie­hen und sich um Dees­ka­la­ti­on bemü­hen. Frie­dens­ver­hand­lun­gen, ein Waf­fen­still­stand und die Been­di­gung des Krie­ges müs­sen aller­höch­ste Prio­ri­tät haben.