Über vierzig Bücher hat er geschrieben. Sie heißen unter anderem »Voices in the Storm« (1953, auf Deutsch »Stimmen im Sturm« 1977), »Wohin der Mensch gehört« (1957), »Am Kai der Hoffnung« (1974), »Wir lachen, weil wir weinen« (1977), »Die Zeit berühren« (1992), »Meine Sehnsucht ist noch unterwegs. Ein Leben auf Reisen« (2016), »Die meine Wege kreuzten. Begegnungen aus neun Jahrzehnten« (2018). Schon die Titel weisen auf Kampfgeist, Engagement, Verbundenheit mit der Zeit und Aufmerksamkeit für andere hin. Das hat ihn immer bewegt und beschäftigt, als Reisender, Beobachter und Schriftsteller. Es war – wir Leser wissen es aus seinen Büchern – ein langer und schwerer Weg, den der jüdische Junge über England und Australien gegangen ist, bis er 1957 einen »Hafen« in der DDR fand. Da waren britisches Internierungslager, Arbeit auf Schiffen und in Häfen und Fotografieren seine Universitäten gewesen. Kontakte zur Gewerkschaft und zur Friedensbewegung ergaben sich. Sein Sinn für Gerechtigkeit und seine Neugier leiteten ihn, und er wollte sich mitteilen. Das vor allem prägte auch seine Bücher, die er dann für DDR-Leser als Auslandsreporter über gesellschaftliche Brennpunkte in der Welt schrieb: Ein bisschen politischer Berichterstatter, ein bisschen Kumpel der einfachen Leute und auch ein klein wenig Abenteurer in einer Welt, die die DDR-Leser nicht kannten.
Walter Kaufmann haderte nicht mit seinem Jugendschicksal, das ihm höhere Bildung versperrte und die Eltern in Auschwitz umkommen ließ. »Das Leben war gut zu mir. Ich fühle mich nicht als Opfer«, ist seine trotzige Haltung. Aber umso dringlicher sein Appell, nichts zu vergessen. Deshalb beschrieb er sein Leben auf verschiedene Weise in mehreren seiner Bücher. Nie sieht er sich dabei isoliert oder alleingelassen. Überall fand er Unterstützer, Freunde, Gefährten. Diese Haltung vor allem ist es, die seine Bücher auszeichnet. So fand er seinen Stil, über sich zu schreiben, indem er Begegnungen mit anderen schildert. Immer neue Bekanntschaften fallen ihm dabei ein, immer bringt er in seinen Short Storys das zu Sagende auf den Punkt, immer ist Welt und Zeit in den Kurzporträts enthalten, wobei die Widersprüchlichkeit menschlicher Existenz durchaus ihren Platz hat. Er liebt und akzeptiert das Leben, hat aber nie die Hoffnung aufgegeben, es ließe sich etwas ändern.
Dies aufzuschreiben, erübrigt sich fast in dieser Zeitschrift, in der Walter Kaufmann in zahlreichen Heften über sein Leseerlebnis berichtet und dabei auch einiges über sich verrät. Nie schrieb er dabei einen Verriss, denn er weiß, wie viel Herzblut ein Autor in sein Werk gibt, und er fühlt mit dem Kollegen, mit dem er sich am liebsten über Gelungenes freut. Er liest, was ihn interessiert, und sein Interesse ist breit. Oft sind es jüdische Schicksale aus aller Welt, aber auch auf die neuen Arbeiten seiner Kollegen aus der DDR ist er neugierig. Seinem Urteil kann man trauen, es ist so handfest und klug wie seine Bücher.
Am 19. Januar wird Walter Kaufmann 95. Er soll noch lange schreiben!