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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Wasser marsch!

Der Herr Bun­des­prä­si­dent redet, der Herr NRW-Mini­ster­prä­si­dent hat das Lachen nicht ver­lernt. Adrett geklei­det, erscheint die wahl­kämp­fen­de Poli­tik im vom Hoch­was­ser ver­wü­ste­ten Gebiet und erklärt den Flut­op­fern, war­um man an den desa­strö­sen Zustän­den kei­ne Schuld trage.

Naja. Ich ver­brach­te mei­ne Jugend­zeit in Zell am See, da gab es noch Bau­ern, die an den stei­len Berg­hän­gen mit Steig­ei­sen an den Füßen mit der Sen­se das Gras mäh­ten, um für Ihre Kühe Fut­ter zu haben. Damals gab es eine Seil­bahn auf die Schmit­ten­hö­he und unten im Tal einen Schlepp­lift, der führ­te auf die Eben­bergalm und gehör­te der Fami­lie Dorn.

Heu­te gibt es in der »Berg­stadt« Zell am See allein im Gebiet der Schmit­ten­hö­he 28 Seil­bah­nen und Lif­te, und im Gebiet Kitz­stein­horn, mit einem Glet­scher, sor­gen 23 Seil­bah­nen und Lif­te für zum Teil ganz­jäh­ri­ges »Schi­fo­an­ver­gnü­gen«. Die dazu­ge­hö­ri­gen Pisten wer­den, ob es nun schneit oder nicht, mit Schnee­ka­no­nen(!) für die »Sai­son« vor­be­rei­tet. Die beginnt oft Ende Okto­ber und hört meist zu Ostern auf. In der Zwi­schen­zeit dür­fen sich die Pisten »erho­len«. Dass da ein Stark­re­gen, wie er jetzt in Tei­len von Bay­ern, Rhein­land­pfalz und NRW wüte­te, für eine kom­plet­te Zer­stö­rung sor­gen kann, erleb­ten gera­de eini­ge Orte in Bayern.

Der zukünf­ti­ge deut­sche Bun­des­kanz­ler, dem das Lachen im Hal­se nicht stecken­blieb, wäh­rend der Bun­des­prä­si­dent trö­sten­de Wor­te sprach, hat in NRW, wie schon vor­he­ri­ge Lan­des­re­gie­run­gen, mit dafür gesorgt, dass der Braun­koh­le­ab­bau gro­ße Tei­le funk­tio­nie­ren­der Natur­räu­me zer­stör­te. Jeder Pro­test, der seit Jahr­zehn­ten statt­fand, wur­de bru­tal bekämpft, mit Unter­stüt­zung der Gesamtmedien.

Im Jah­re 2011 ist von der Autorin Ingrid Bachér im Dittrich Ver­lag der Roman »Die Gru­be« erschie­nen. In einer Vor­be­mer­kung zu die­sem Roman, der viel mehr Beach­tung hät­te fin­den müs­sen und heu­te für 4,18 € ver­ramscht wird, aber auch noch für 12 € im Buch­la­den gekauft wer­den kann, schreibt die Autorin: »In die­sem Roman sind alle Per­so­nen, die mit Namen genannt wer­den, fik­tiv. Ähn­lich­kei­ten mit leben­den Per­so­nen kön­nen nur rein zufäl­lig sein. (…) Doch die mit ihren wah­ren Namen genann­ten Dör­fer und ihre Ver­nich­tung, die Gru­be und ihre unauf­halt­sa­me Aus­deh­nung, wer­den geschil­dert, wie ich es sah und erlebte.

Ich dan­ke allen, die mir Aus­kunft gaben und die mich anteil­neh­men lie­ßen über zwei Jahr­zehn­te hin­weg, in denen ein Dorf nach dem ande­ren für immer unauf­find­bar ver­schwand, und dies mit­ten in unse­rem fried­li­chen Land.«

Ster­ben­de Dör­fer, Ver­trie­be­ne, Hei­mat­ver­nich­tung. Eine jun­ge Frau erzählt in die­sem Roman vom Braun­koh­len­krieg: »Kein Krieg, kei­ne Besat­zung, kei­ne Natur­ka­ta­stro­phe in all den Jahr­tau­sen­den hat unser Land so gründ­lich ver­nich­tet wie die­se Braun­koh­le-Con­nec­tion. (…) Was für ein schö­nes Land und was für kor­rup­te Poli­ti­ker!« Die Erzäh­le­rin ver­liert ihren Bru­der, der die Zer­stö­rung des Hofes, der seit vie­len Gene­ra­tio­nen im Besitz der Fami­lie war, nicht ver­kraf­tet. Herz­in­farkt. Der Text des Buches ist zum Teil kaum zu ertra­gen, weil er in einer Spra­che, die hart und doch mit­füh­lend ist, eine Wut ent­ste­hen lässt, die tie­fe Ver­zweif­lung erzeugt.

Wie pas­send klingt da, was der Chef des größ­ten deut­schen Ener­gie­kon­zerns e.on, Johan­nes Teyssen, in der BILD im Jah­re 2011 ver­kün­de­te: »Die Ener­gie­wen­de darf Strom nicht zum Luxus­gut, zum Spalt­gra­ben der Gesell­schaft machen. Wird der Ener­gie­um­bau zu teu­er, dann muss das Sozi­al­sy­stem ein­sprin­gen und die Mehr­be­la­stung für ein­kom­mens­schwa­che Haus­hal­te abfe­dern.« Die Pro­fi­teu­re des Pro­fit­ma­xi­mie­rungs­sy­stems sprin­gen selbst­re­dend für nichts ein! Sie kas­sie­ren höch­stens noch für ent­gan­ge­ne Gewin­ne und las­sen sich für den schmerz­li­chen Ver­lust der Atom­kraft- und Koh­le­kraft­wer­ke »ent­schä­di­gen«. Nein, die Men­schen, die den Kahl­schlag erleb­ten, wur­den nicht entschädigt.

In der Schu­le wird bald nicht mehr gele­sen wer­den, dafür wird eine »Virus-Schul­po­li­tik« schon sor­gen, aber solan­ge noch gele­sen wird, wäre die­ser Roman eigent­lich Pflicht­lek­tü­re. Lei­der hat er es nie in die Spie­gel-Best­sel­ler­li­ste geschafft, und auch die »Lite­ra­tur­päp­stin­nen und Lite­ra­tur­päp­ste« haben ihn weder emp­foh­len noch besprochen.

Ob in NRW Lebens­raum weg­ge­bag­gert oder Regen­wald in Süd­ame­ri­ka ver­nich­tet wird, in den Alpen Ski­lif­te, Seil­bah­nen die Land­schaft zer­stö­ren: Man fin­det für alles »ver­nünf­ti­ge« Erklä­run­gen. Das Wort »Kli­ma­wan­del« bleibt ein Myste­ri­um. Und die »Ener­gie­wen­de« fin­det in Bay­ern ohne Wind­kraft statt, denn die zer­stört, laut Söder, ja die wun­der­schö­ne baye­ri­sche Land­schaft, die nun aller­dings im Stark­re­gen­mo­rast ver­schwin­det. Wird alles wie­der aufgebaut!

Das »Sozi­al­sy­stem«, das von denen nicht finan­ziert wird, die des­sen Inan­spruch­nah­me forsch ein­for­dern, wird bald zur Fata Mor­ga­na wer­den. Die Berei­che­rung nach der Metho­de »FFP2Maskenbeschaffung« wird fort­ge­setzt. Wer dem­nächst in die­sem, nich­tun­se­rem Land wäh­len geht, der kann dort eigent­lich sei­ne Stim­me kei­ner der Par­tei­en geben, die alle­samt seit Jahr­zehn­ten die Land­schaft zer­stö­ren und sie den Gewinn­in­ter­es­sen der Groß­kon­zer­ne opfern.

Dass ein Warn­sy­stem bes­ser funk­tio­nie­ren muss, kann jetzt nicht das The­ma sein. Viel­mehr muss über­all dort, wo Stark­re­gen­ge­fahr besteht, für Schutz­maß­nah­men gesorgt und Bau­land in Zukunft anders ver­ge­ben wer­den, um Leben und Lebens­lei­stung der Men­schen nicht zu gefähr­den. Das geschah bis­her nicht. Die War­nun­gen, es gibt sie schon seit Jahr­zehn­ten, lan­ge bevor sich die Pseu­do­um­welt­schutz­par­tei DIE GRÜNEN grün­de­te, wur­den ver­harm­lost oder schlicht­weg als demo­kra­tie­feind­lich denunziert.

Die Grüß­au­gu­stin­nen und -augu­ste son­dern ein »Glück auf« ab und sit­zen das Pro­blem aus. Wie immer wird der Wahl­tag im Sep­tem­ber wohl kein Zahltag.