Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Bildung als Schlüssel zum Erfolg?

Durch eine – für mich neue – Nach­richt wur­de ich kürz­lich auf Miss­stän­de auf­merk­sam, die das Arbei­ten im uni­ver­si­tä­ren Mit­tel­bau betref­fen – und die letzt­lich auch mich per­sön­lich betra­fen bzw. immer noch betref­fen. Und das ergab sich so: Am 20. Mai die­ses Jah­res erfuhr ich, dass am 26. Mai ein neu­es Gesetz in Kraft tritt. Unter der Über­schrift »Meta beginnt KI-Trai­ning mit per­sön­li­chen Daten – wer wider­spre­chen will, muss rasch han­deln« wur­de mir und allen ande­ren durch eine Pres­se­mit­tei­lung des Ham­bur­gi­schen Beauf­tra­gen für Daten­schutz, Tho­mas Fuchs, mit­ge­teilt, dass der Kon­zern Meta in naher Zukunft unse­re per­sön­li­chen Daten aus sozia­len Netz­wer­ken wie Face­book und Insta­gram dazu nut­zen wird, sei­ne KI-Anwen­dun­gen zu trai­nie­ren. Als Daten die­nen dem Kon­zern Bei­trä­ge, Fotos und Bild­un­ter­schrif­ten auf Face­book und Insta­gram. Mit die­sen sprach­li­chen Schnip­seln wer­den z. B. Sprach­ver­ar­bei­tung und Sprach­syn­the­se des Smart­phone-Chat­bots ver­bes­sert und das Sprach­mo­dell Llama an die sprach­li­che Wirk­lich­keit ange­passt. Nach die­sen Vor­bil­dern wird der neue Meta-AI-Assi­stent, das Kon­kur­renz­pro­dukt zu Siri und Ale­xa, auf Whats­App dann in Zukunft ganz neue Vor­schlä­ge machen, hof­fent­lich nicht so etwas wie »Du Tan­ke, dig­ga?«. Eine klei­ne Anmer­kung am Ran­de: Der Aus­druck »Gesetz« ist natür­lich in die­sem Zusam­men­hang nicht als eine Regel zu ver­ste­hen, die öffent­li­che oder gewähl­te Gre­mi­en aus nach­voll­zieh­ba­ren und dem Gemein­wohl die­nen­den Grün­den erar­bei­tet haben, aber immer­hin ist es eine Regel eines welt­weit agie­ren­den Kon­zerns, die in Deutsch­land ca. die Hälf­te der Bevöl­ke­rung betrifft (Fra­ge: Schei­det die ande­re Hälf­te aus Alters­grün­den aus?). Wer wider­spre­chen möch­te, der sol­le sich infor­mie­ren. Glück­li­cher­wei­se lie­fert der Arti­kel gleich Grün­de und Mög­lich­kei­ten der Ein­fluss­nah­me mit. Ich per­sön­lich füh­le mich näm­lich in der von mir erwar­te­ten dies­be­züg­li­chen Eigen­ver­ant­wort­lich­keit manch­mal über­for­dert, wobei ich mir die Grün­de ger­ne auch noch selbst erdenke.

Aus Jux und Dol­le­rei habe ich dann ein Por­tal besucht, in dem man kon­trol­lie­ren kann, ob eige­ne Sprach­pro­duk­te bereits in einen Chat­bot wie zum Bei­spiel ChatGPT ein­ge­pflegt wor­den sind. Das Por­tal nennt sich »Have I been trai­ned?« (https://haveibeentrained.com/). Da war ich aber sprach­los, als mir als Ergeb­nis der Suche das Cover mei­nes Buches ent­ge­gen­schlug! Damit hat­te ich nicht gerech­net, han­delt es sich doch um ein wis­sen­schaft­li­ches Buch. Ich emp­fand Wut, fühl­te mich gekränkt, dann aber auch gebauch­pin­selt: Soll­te die KI spre­chen ler­nen wie ich? Das war natür­lich Quatsch, denn es han­delt sich ja um ein wis­sen­schaft­li­ches Buch. Bei ruhi­ge­rer Betrach­tung stell­te sich glück­li­cher­wei­se her­aus, dass ich auch gar nicht das Recht habe, mich gekränkt zu füh­len: Mit der Ver­öf­fent­li­chung mei­nes Buches habe ich die Rech­te mei­nes Tex­tes an den Ver­lag ver­kauft. Um bei Unein­ge­weih­ten kei­ne Ver­wir­rung auf­kom­men zu las­sen: Da ver­kauft man ein unter gro­ßen Mühen und hohem Zeit­auf­wand erstell­tes Pro­dukt, für das man kein Geld bekommt, son­dern für das man zah­len muss. Also man ver­kauft, indem man zahlt. Und zwar in mei­nem Fach­be­reich umso mehr, je renom­mier­ter der Ver­lag ist. Natür­lich gibt es auch preis­wer­te­re Mög­lich­kei­ten der Ver­öf­fent­li­chung, zu der man ja auch nur in dem Fall gezwun­gen ist, dass man einen aka­de­mi­schen Titel erlan­gen möch­te – oder eben genau eine Arbeit tun möch­te, deren Inhal­te man sich gemein­hin als Leh­re und For­schung vor­stellt. Es heißt, dass die preis­wer­te­ren Vari­an­ten der Ver­öf­fent­li­chung häu­fig den Nach­teil haben, dass Mar­ke­ting oder Dis­tri­bu­ti­on ein­ge­schränkt sind und das Renom­mee sich ver­rin­gert, womit sich in der Fol­ge die Kar­rie­re­chan­cen ver­min­dern. Am Ende des Stu­di­ums ist dann häu­fig guter Rat teu­er. Das Man­tra »Bil­dung ist der Schlüs­sel zum Erfolg« muss eben durch finan­zi­el­len Rück­halt und auch durch die rich­ti­gen Bezie­hun­gen ergän­zend flan­kiert werden.

Nach­dem ich nun fest­ge­stellt hat­te, dass sich mein – trotz gefühl­tem Vor­han­den­sein – tat­säch­lich nicht mehr vor­han­de­nes Urhe­ber­recht an mei­nem durch Qua­si-Erpres­sung (inklu­si­ve gefühlt-ver­pflich­ten­der Zah­lung für die­se Erpres­sung) zu Stan­de gekom­me­ner Text über mei­nen Kopf hin­weg von einer Fir­ma in die Tasche gesteckt wor­den war und ich ratio­nal gar nicht das Recht, habe, mich gekränkt zu füh­len, muss­te ich erst ein­mal tief durch­at­men. War doch eigent­lich alles gut! Viel­leicht wür­den auf die­se Wei­se sogar noch »mei­ne Inhal­te« in ChatGPT-Ant­wor­ten ein­ge­hen? Dann könn­ten »mei­ne Erkennt­nis­se« sich doch noch mit Leben fül­len? Sie müs­sen wis­sen: In der Pra­xis ähneln sich Wis­sen­schaft und Poli­tik, aber im Unter­schied zur Poli­tik glau­ben die Wis­sen­schaft­ler wirk­lich an das, was sie spre­chen und schrei­ben. Auch ich war zu lan­ge der irri­gen Ansicht, in der Wis­sen­schaft gin­ge es dar­um, Erkennt­nis­se für Leh­re und For­schung (s. o.) zu erschaf­fen, aber das führt jetzt zu weit. Oder konn­te ich dem Kon­zern die Nut­zung des Tex­tes unter­sa­gen, obwohl ich nicht mehr die Rech­te an dem Text hat­te? Ich fand ziem­lich schnell her­aus, dass Sprach­pro­duk­te, die jetzt schon in KI-Anwen­dun­gen ein­ge­pflegt wor­den sind, vom Wider­spruch aus­ge­nom­men sind. Mit ande­ren Wor­ten: Es gibt eine Wider­spruchs­frist, aber nicht gegen schon ein­ge­pfleg­te Daten.

Also alles Schall und Rauch. Als sel­bi­ges hat sich – das sei noch für in die­sem Punkt Unwis­sen­de ver­ra­ten – das wis­sen­schaft­li­che Buch inklu­si­ve des dadurch erwor­be­nen Titels erwie­sen. Das macht auch schon eine ein­fa­che Über­le­gung klar: Jedes Jahr machen immer mehr Schü­ler Abitur, ein stei­gen­der Anteil davon stu­diert. Ein klei­ne­rer Anteil, geschätzt 35.000 Per­so­nen, pro­mo­vie­ren pro Jahr. Das führt in mei­nem ehe­ma­li­gen Fach­be­reich dazu, dass unge­fähr eine von 100 Per­so­nen eine Pro­fes­sur bekommt. Gehört man zu den 99 ande­ren Per­so­nen, ereilt einen das Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz. Das ist ein Bun­des­ge­setz (erschaf­fen unter der hei­li­gen Pla­gia­ta Annet­te S.), das, ver­ein­facht gefasst, besagt, dass man fest ein­ge­stellt wird, wenn man sechs Jah­re vor und sechs Jah­re nach der Pro­mo­ti­on an der Uni­ver­si­tät gear­bei­tet hat – ein Gesetz also, das allein durch sei­ne Exi­stenz lang­jäh­rig vor­ab erdul­de­te pre­kä­re Arbeits­ver­hält­nis­se zuge­steht. In der Pra­xis hal­ten sich die uni­ver­si­tä­ren Kon­zer­ne ver­wun­der­li­cher Wei­se aber nicht an die­ses »Gesetz«, sie kau­fen viel lie­ber tech­ni­sche Gerä­te als feste Arbeits­ver­hält­nis­se, die öko­no­misch unfle­xi­bel machen. Man wird also in der Fol­ge über­haupt nicht mehr ein­ge­stellt, weil man als Uni­ver­si­tät ein­fach neue Leh­ren­de ein­stel­len kann, die ihre 12 Jah­re noch aus­nut­zen kön­nen. Dadurch ent­steht ein soge­nann­ter »Bra­in­drain« – ein Abfluss an gut aus­ge­bil­de­ten Aka­de­mi­kern, die sich im Aus­land Arbeit suchen, obwohl der deut­sche Steu­er­zah­ler ihre Aus­bil­dung mit­fi­nan­ziert hat, was bis­lang auch die rech­ten Kräf­te in Deutsch­land wenig zu stö­ren scheint. Noch ein Fak­tum für die Spe­zia­li­sten unter Ihnen: Sie als Ein­ge­weih­te wis­sen ver­mut­lich, dass an Uni­ver­si­tä­ten hal­be und sogar Vier­tel-Stel­len für wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­ter ver­ge­ben wer­den. Die­se Stel­len wer­den dann aber in der Berech­nung der 12 Jah­re als vol­le Beschäf­ti­gun­gen ange­rech­net. Ist ja auch logisch, oder? Wie soll man auch sonst dem immer grö­ßer wer­den­den nach­fol­gen­dem Heer an Stu­die­ren­den Herr wer­den! Mit irgend­ei­ner Karot­te, und sei es auch nur einer hal­ben, muss man doch noch wedeln kön­nen, dass der Esel vor­wärts geht.

Das Leben bie­tet gemein­hin ja vie­le Mög­lich­kei­ten, und so kann man sich, wenn man vom Wis­sen­schafts­zeit­ver­trags­ge­setz betrof­fen ist, an der Uni­ver­si­tät immer noch als Lehrbeauftragte/​r ver­din­gen. Das bedeu­tet, dass man Unter­richt gibt, im Nor­mal­fall ein For­mat namens Semi­nar, wobei man aber lei­der nicht sozi­al- und kran­ken­ver­si­chert ist, das heißt, dass man nichts in die eige­ne Ren­te ein­zahlt und kein Geld ver­dient, wenn man krank ist. Dadurch hat man dann ca. 20 Stun­den bezahl­te Arbeit ins­ge­samt, die sich mit Vor- und Nach­be­rei­tung freund­lich geschätzt auf das Dop­pel­te der Zeit auf­blä­hen. Für ein Seme­ster (also ca. drei Unter­richts­mo­na­te) gene­riert man so ein Ein­kom­men, von dem man sechs Mona­te leben muss, und das bei einem Stun­den­lohn ab ca. 25 € – was unmög­lich wäre, könn­te man es nicht dadurch auf­fan­gen, dass man meh­re­re Lehr­auf­trä­ge über­nimmt. Auf die­se Wei­se trägt man zur wich­ti­gen und ver­bal immer wie­der mit Wert­schät­zung bedach­ten Aus­bil­dung unse­rer Kin­der bei. Je nach Stu­di­en­gang wer­den zum Bei­spiel zwin­gend Nach­wei­se über Sprach­kennt­nis­se ver­langt, und ich habe an einer Uni­ver­si­tät gear­bei­tet, an der 95 Pro­zent der Sprach­kur­se von Men­schen gege­ben wur­den, die nicht fest ein­ge­stellt waren, son­dern als Lehr­be­auf­trag­te arbei­te­ten, häu­fig mit dem Ziel, zu pro­mo­vie­ren, und dann s. o. – aber das ist eine ande­re Geschich­te. Gleich­falls wei­ter­hin an der Uni­ver­si­tät arbei­ten kann man, wenn man in so genann­ten Dritt­mit­tel­pro­jek­ten ange­stellt wird oder in die Ver­wal­tung geht.

Da das Leben, wie gesagt, vie­le Mög­lich­kei­ten bie­tet, kann man sich auch mit die­sen Ver­hält­nis­sen abfin­den, alles auf eine Kar­te set­zen und ganz auf Risi­ko gehen oder nicht nach­den­ken und ein­fach wei­ter machen wie bis­her und mit Tel­ler­wä­scher­träu­men der Karot­te fol­gen. In die­sem Fall braucht man Bezie­hun­gen und finan­zi­el­len Rück­halt: Man schreibt ein­fach ein zwei­tes Buch und wird Pri­vat­do­zent. Dies ist ein ange­se­he­ner aka­de­mi­scher Titel, der auch ein Sprung­brett zu einer Pro­fes­sur oder einer außer­plan­mä­ßi­gen Pro­fes­sur (Apl. Prof.) sein kann. Unter wel­chen Umstän­den, führt hier zu weit. Eine Pri­vat­do­zen­tur ver­pflich­tet den Trä­ger oder die Trä­ge­rin der so erwor­be­nen Venia Legen­di, an der Uni­ver­si­tät ein bis zwei Seme­ster­wo­chen­stun­den Lehr­ver­an­stal­tun­gen abzu­hal­ten, und zwar unent­gelt­lich. Das ist die soge­nann­te Titel- oder auch Pflicht­leh­re. Kommt er oder sie die­ser Pflicht über einen län­ge­ren Zeit­raum (meist ein bis maxi­mal zwei Jah­re) nicht nach, kann die Hoch­schu­le die Lehr­be­fug­nis und damit auch den Titel Pri­vat­do­zent wie­der ent­zie­hen – und dann wird es schwie­rig mit der Pro­fes­sur. Ver­mut­lich ist es nicht nur für Unein­ge­weih­te erstaun­lich, dass man, wenn man auf der Kar­rie­re­lei­ter höher steigt, an einen Punkt kommt, an dem man unent­gelt­lich arbei­ten muss. Aber an der Uni­ver­si­tät lie­gen Gehalt und Nicht-Gehalt (sowohl finan­zi­ell als auch inhalt­lich) halt genau so nah zusam­men wie Freud und Leid – inso­fern kann man mit etwas Mühe doch immer noch viel für das Leben lernen!

Eine Erkennt­nis ver­mit­telt die Uni­ver­si­tät auf jeden Fall immer noch und das auch immer bes­ser: Bil­dung führt nicht in allen Fäl­len in glei­cher Wei­se zum Erfolg! Letz­te­res war lei­der auch bei mir der Fall. Daher hier eine Mög­lich­keit für Sie: Wenn Sie eine sinn­vol­le Lohn­ar­beit zu ver­ge­ben haben, die mit schnell lesen und schrei­ben oder den­ken zu tun hat, mel­den Sie sich bit­te bei mir. Mei­ne Bil­dung, Ihr Schlüs­sel zum Erfolg!