Durch eine – für mich neue – Nachricht wurde ich kürzlich auf Missstände aufmerksam, die das Arbeiten im universitären Mittelbau betreffen – und die letztlich auch mich persönlich betrafen bzw. immer noch betreffen. Und das ergab sich so: Am 20. Mai dieses Jahres erfuhr ich, dass am 26. Mai ein neues Gesetz in Kraft tritt. Unter der Überschrift »Meta beginnt KI-Training mit persönlichen Daten – wer widersprechen will, muss rasch handeln« wurde mir und allen anderen durch eine Pressemitteilung des Hamburgischen Beauftragen für Datenschutz, Thomas Fuchs, mitgeteilt, dass der Konzern Meta in naher Zukunft unsere persönlichen Daten aus sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram dazu nutzen wird, seine KI-Anwendungen zu trainieren. Als Daten dienen dem Konzern Beiträge, Fotos und Bildunterschriften auf Facebook und Instagram. Mit diesen sprachlichen Schnipseln werden z. B. Sprachverarbeitung und Sprachsynthese des Smartphone-Chatbots verbessert und das Sprachmodell Llama an die sprachliche Wirklichkeit angepasst. Nach diesen Vorbildern wird der neue Meta-AI-Assistent, das Konkurrenzprodukt zu Siri und Alexa, auf WhatsApp dann in Zukunft ganz neue Vorschläge machen, hoffentlich nicht so etwas wie »Du Tanke, digga?«. Eine kleine Anmerkung am Rande: Der Ausdruck »Gesetz« ist natürlich in diesem Zusammenhang nicht als eine Regel zu verstehen, die öffentliche oder gewählte Gremien aus nachvollziehbaren und dem Gemeinwohl dienenden Gründen erarbeitet haben, aber immerhin ist es eine Regel eines weltweit agierenden Konzerns, die in Deutschland ca. die Hälfte der Bevölkerung betrifft (Frage: Scheidet die andere Hälfte aus Altersgründen aus?). Wer widersprechen möchte, der solle sich informieren. Glücklicherweise liefert der Artikel gleich Gründe und Möglichkeiten der Einflussnahme mit. Ich persönlich fühle mich nämlich in der von mir erwarteten diesbezüglichen Eigenverantwortlichkeit manchmal überfordert, wobei ich mir die Gründe gerne auch noch selbst erdenke.
Aus Jux und Dollerei habe ich dann ein Portal besucht, in dem man kontrollieren kann, ob eigene Sprachprodukte bereits in einen Chatbot wie zum Beispiel ChatGPT eingepflegt worden sind. Das Portal nennt sich »Have I been trained?« (https://haveibeentrained.com/). Da war ich aber sprachlos, als mir als Ergebnis der Suche das Cover meines Buches entgegenschlug! Damit hatte ich nicht gerechnet, handelt es sich doch um ein wissenschaftliches Buch. Ich empfand Wut, fühlte mich gekränkt, dann aber auch gebauchpinselt: Sollte die KI sprechen lernen wie ich? Das war natürlich Quatsch, denn es handelt sich ja um ein wissenschaftliches Buch. Bei ruhigerer Betrachtung stellte sich glücklicherweise heraus, dass ich auch gar nicht das Recht habe, mich gekränkt zu fühlen: Mit der Veröffentlichung meines Buches habe ich die Rechte meines Textes an den Verlag verkauft. Um bei Uneingeweihten keine Verwirrung aufkommen zu lassen: Da verkauft man ein unter großen Mühen und hohem Zeitaufwand erstelltes Produkt, für das man kein Geld bekommt, sondern für das man zahlen muss. Also man verkauft, indem man zahlt. Und zwar in meinem Fachbereich umso mehr, je renommierter der Verlag ist. Natürlich gibt es auch preiswertere Möglichkeiten der Veröffentlichung, zu der man ja auch nur in dem Fall gezwungen ist, dass man einen akademischen Titel erlangen möchte – oder eben genau eine Arbeit tun möchte, deren Inhalte man sich gemeinhin als Lehre und Forschung vorstellt. Es heißt, dass die preiswerteren Varianten der Veröffentlichung häufig den Nachteil haben, dass Marketing oder Distribution eingeschränkt sind und das Renommee sich verringert, womit sich in der Folge die Karrierechancen vermindern. Am Ende des Studiums ist dann häufig guter Rat teuer. Das Mantra »Bildung ist der Schlüssel zum Erfolg« muss eben durch finanziellen Rückhalt und auch durch die richtigen Beziehungen ergänzend flankiert werden.
Nachdem ich nun festgestellt hatte, dass sich mein – trotz gefühltem Vorhandensein – tatsächlich nicht mehr vorhandenes Urheberrecht an meinem durch Quasi-Erpressung (inklusive gefühlt-verpflichtender Zahlung für diese Erpressung) zu Stande gekommener Text über meinen Kopf hinweg von einer Firma in die Tasche gesteckt worden war und ich rational gar nicht das Recht, habe, mich gekränkt zu fühlen, musste ich erst einmal tief durchatmen. War doch eigentlich alles gut! Vielleicht würden auf diese Weise sogar noch »meine Inhalte« in ChatGPT-Antworten eingehen? Dann könnten »meine Erkenntnisse« sich doch noch mit Leben füllen? Sie müssen wissen: In der Praxis ähneln sich Wissenschaft und Politik, aber im Unterschied zur Politik glauben die Wissenschaftler wirklich an das, was sie sprechen und schreiben. Auch ich war zu lange der irrigen Ansicht, in der Wissenschaft ginge es darum, Erkenntnisse für Lehre und Forschung (s. o.) zu erschaffen, aber das führt jetzt zu weit. Oder konnte ich dem Konzern die Nutzung des Textes untersagen, obwohl ich nicht mehr die Rechte an dem Text hatte? Ich fand ziemlich schnell heraus, dass Sprachprodukte, die jetzt schon in KI-Anwendungen eingepflegt worden sind, vom Widerspruch ausgenommen sind. Mit anderen Worten: Es gibt eine Widerspruchsfrist, aber nicht gegen schon eingepflegte Daten.
Also alles Schall und Rauch. Als selbiges hat sich – das sei noch für in diesem Punkt Unwissende verraten – das wissenschaftliche Buch inklusive des dadurch erworbenen Titels erwiesen. Das macht auch schon eine einfache Überlegung klar: Jedes Jahr machen immer mehr Schüler Abitur, ein steigender Anteil davon studiert. Ein kleinerer Anteil, geschätzt 35.000 Personen, promovieren pro Jahr. Das führt in meinem ehemaligen Fachbereich dazu, dass ungefähr eine von 100 Personen eine Professur bekommt. Gehört man zu den 99 anderen Personen, ereilt einen das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Das ist ein Bundesgesetz (erschaffen unter der heiligen Plagiata Annette S.), das, vereinfacht gefasst, besagt, dass man fest eingestellt wird, wenn man sechs Jahre vor und sechs Jahre nach der Promotion an der Universität gearbeitet hat – ein Gesetz also, das allein durch seine Existenz langjährig vorab erduldete prekäre Arbeitsverhältnisse zugesteht. In der Praxis halten sich die universitären Konzerne verwunderlicher Weise aber nicht an dieses »Gesetz«, sie kaufen viel lieber technische Geräte als feste Arbeitsverhältnisse, die ökonomisch unflexibel machen. Man wird also in der Folge überhaupt nicht mehr eingestellt, weil man als Universität einfach neue Lehrende einstellen kann, die ihre 12 Jahre noch ausnutzen können. Dadurch entsteht ein sogenannter »Braindrain« – ein Abfluss an gut ausgebildeten Akademikern, die sich im Ausland Arbeit suchen, obwohl der deutsche Steuerzahler ihre Ausbildung mitfinanziert hat, was bislang auch die rechten Kräfte in Deutschland wenig zu stören scheint. Noch ein Faktum für die Spezialisten unter Ihnen: Sie als Eingeweihte wissen vermutlich, dass an Universitäten halbe und sogar Viertel-Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter vergeben werden. Diese Stellen werden dann aber in der Berechnung der 12 Jahre als volle Beschäftigungen angerechnet. Ist ja auch logisch, oder? Wie soll man auch sonst dem immer größer werdenden nachfolgendem Heer an Studierenden Herr werden! Mit irgendeiner Karotte, und sei es auch nur einer halben, muss man doch noch wedeln können, dass der Esel vorwärts geht.
Das Leben bietet gemeinhin ja viele Möglichkeiten, und so kann man sich, wenn man vom Wissenschaftszeitvertragsgesetz betroffen ist, an der Universität immer noch als Lehrbeauftragte/r verdingen. Das bedeutet, dass man Unterricht gibt, im Normalfall ein Format namens Seminar, wobei man aber leider nicht sozial- und krankenversichert ist, das heißt, dass man nichts in die eigene Rente einzahlt und kein Geld verdient, wenn man krank ist. Dadurch hat man dann ca. 20 Stunden bezahlte Arbeit insgesamt, die sich mit Vor- und Nachbereitung freundlich geschätzt auf das Doppelte der Zeit aufblähen. Für ein Semester (also ca. drei Unterrichtsmonate) generiert man so ein Einkommen, von dem man sechs Monate leben muss, und das bei einem Stundenlohn ab ca. 25 € – was unmöglich wäre, könnte man es nicht dadurch auffangen, dass man mehrere Lehraufträge übernimmt. Auf diese Weise trägt man zur wichtigen und verbal immer wieder mit Wertschätzung bedachten Ausbildung unserer Kinder bei. Je nach Studiengang werden zum Beispiel zwingend Nachweise über Sprachkenntnisse verlangt, und ich habe an einer Universität gearbeitet, an der 95 Prozent der Sprachkurse von Menschen gegeben wurden, die nicht fest eingestellt waren, sondern als Lehrbeauftragte arbeiteten, häufig mit dem Ziel, zu promovieren, und dann s. o. – aber das ist eine andere Geschichte. Gleichfalls weiterhin an der Universität arbeiten kann man, wenn man in so genannten Drittmittelprojekten angestellt wird oder in die Verwaltung geht.
Da das Leben, wie gesagt, viele Möglichkeiten bietet, kann man sich auch mit diesen Verhältnissen abfinden, alles auf eine Karte setzen und ganz auf Risiko gehen oder nicht nachdenken und einfach weiter machen wie bisher und mit Tellerwäscherträumen der Karotte folgen. In diesem Fall braucht man Beziehungen und finanziellen Rückhalt: Man schreibt einfach ein zweites Buch und wird Privatdozent. Dies ist ein angesehener akademischer Titel, der auch ein Sprungbrett zu einer Professur oder einer außerplanmäßigen Professur (Apl. Prof.) sein kann. Unter welchen Umständen, führt hier zu weit. Eine Privatdozentur verpflichtet den Träger oder die Trägerin der so erworbenen Venia Legendi, an der Universität ein bis zwei Semesterwochenstunden Lehrveranstaltungen abzuhalten, und zwar unentgeltlich. Das ist die sogenannte Titel- oder auch Pflichtlehre. Kommt er oder sie dieser Pflicht über einen längeren Zeitraum (meist ein bis maximal zwei Jahre) nicht nach, kann die Hochschule die Lehrbefugnis und damit auch den Titel Privatdozent wieder entziehen – und dann wird es schwierig mit der Professur. Vermutlich ist es nicht nur für Uneingeweihte erstaunlich, dass man, wenn man auf der Karriereleiter höher steigt, an einen Punkt kommt, an dem man unentgeltlich arbeiten muss. Aber an der Universität liegen Gehalt und Nicht-Gehalt (sowohl finanziell als auch inhaltlich) halt genau so nah zusammen wie Freud und Leid – insofern kann man mit etwas Mühe doch immer noch viel für das Leben lernen!
Eine Erkenntnis vermittelt die Universität auf jeden Fall immer noch und das auch immer besser: Bildung führt nicht in allen Fällen in gleicher Weise zum Erfolg! Letzteres war leider auch bei mir der Fall. Daher hier eine Möglichkeit für Sie: Wenn Sie eine sinnvolle Lohnarbeit zu vergeben haben, die mit schnell lesen und schreiben oder denken zu tun hat, melden Sie sich bitte bei mir. Meine Bildung, Ihr Schlüssel zum Erfolg!