Da man nach den London-Gesprächen zwischen China und den USA am 9. und 10. Juni ca. zwei Wochen von beiden Parteien nichts gehört hat, nahmen viele Beobachter an, dass es wieder einen Stillstand der Gespräche gibt. Es ging aber doch, angeblich intensiv, weiter. »Sie werden uns Seltene Erden liefern«, und sobald sie das tun, »werden wir unsere Gegenmaßnahmen zurücknehmen«, sagte am 26. Juni der US- Handelsminister Lutnick dem US-Nachrichtensender Bloomberg News in einem Interview. Es gibt einen neuen »Deal«, der von Lutnick und Trump so verkauft wird, dass die USA alles erreicht haben, am Drücker sind. Wenn man die Verlautbarung des Sprechers des chinesischen Handelsministeriums (MOFCOM) bei einer Pressekonferenz einen Tag später liest, klingt es anders: »China wird Anträge auf Ausfuhr von zulässigen, kontrollierten Gütern in Übereinstimmung mit dem Gesetz prüfen und genehmigen.«
Das bedeutet, dass der Export Seltener Erden weiterhin genehmigungspflichtig ist, die Anträge danach geprüft werden, ob die jeweiligen Produkte und Unternehmen exportfähig und exportwürdig sind oder nicht – und wenn ja, eine Exportgenehmigung erteilt wird. Seltene Erden und aus ihnen produzierte Magnete, die für zivile Nutzung verwendet werden, bekommen eine Exportgenehmigung. Wenn nach chinesischen Bestimmungen Produkte für die militärische Nutzung nicht exportfähig sind, wird die Exportgenehmigung verwehrt werden. China hat im Dezember 2024 den Export von Dual-Use-Artikeln an das US-Militär oder für militärische Zwecke der USA verboten. China hat damals übrigens auch beschlossen, den Export von Gallium, Germanium, Antimon und superharten Materialien sowie graphitbezogenen Dual-Use-Artikeln in die USA streng zu kontrollieren.
Dieses Thema hat Sprengstoff, da China im Jahr 2024 69 Prozent der weltweiten Seltene-Erden-Gewinnung durchführte. Die USA hat sich durch jahrzehntelange Inaktivität auf diesem Gebiet von chinesischen Lieferungen abhängig gemacht.
Der Verhandlungsstatus zwischen Peking und Washington hat sich gedreht von Tarifthemen zu Exportbeschränkungsthemen – und damit von einer zuerst vorhandenen US-Dominanz bei den Verhandlungen zur jetzigen chinesischen.
Die jetzigen Vereinbarungen sind Ergebnis zweier Runden zwischen den zuständigen amerikanischen und chinesischen Ministern, eine erste Runde in Genf am 10. und 11. Mai, nachdem Trump zum ersten Mal in Panik geraten war und verzweifelt den chinesischen Präsident Xi Jinping zu erreichen suchte, der aber für ihn nicht zu sprechen war. Die US-Aktienkurse sackten nach Trumps schrittweiser Einführung von Importzöllen gegen China bis 145 Prozent ab. Zu seiner Verblüffung erhob Peking Schritt für Schritt Gegenzölle in gleicher Höhe, es kam zu leeren Regalen bei Walmart, seine Oligarchen-Kumpane stiegen ihm auf die Füße, da ihre Aktienkurse absackten, die Ratingagentur Moody’s verschlechterte die Beurteilung der Tragfähigkeit der Schulden der USA. So knickte Trump ein und akzeptierte, dass »nur« auf Ebene der zuständigen Minister in Genf verhandelt wird. Von chinesischer Seite nahm Vizepremier He Lifeng, von amerikanischer Finanzminister Scott Bessent und der US-Handelsvertreter Jamieson Greer teil. Nach der Einführung der reziproken Tarife durch Trump hatte China schon am 4. April Exportbeschränkungen für sieben Arten von Seltenerdmetallen und aus ihnen gemachten Magneten, die »Dual-Use«-Verwendungsmöglichkeit haben und für die Exporteure eine Lizenz zum Export beantragen müssen, beschränkt. Das chinesische Handelsministerium erklärte, dass zukünftige Exporte nur mit speziellen Lizenzen möglich sein werden. Dieser Schritt diene »zur Bewahrung der nationalen Sicherheit« und der »Erfüllung internationaler Verpflichtungen, wie Nonproliferations-Verpflichtungen« (Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen insbesondere Atomwaffen etc). Die Beschränkungen bedeuten für China intern eine positive Reduktion der Umweltverschmutzungen, die durch diese Produktionen stattfinden. Sie gelten dauerhaft und weltweit, nicht nur für Exporte in die USA.
Nach dem Meeting in Genf veröffentlichten das Weiße Haus und das chinesische Handelsministerium eine gemeinsame Erklärung, in der sie sich verpflichteten, die gegenseitigen Zollsätze für einen Zeitraum von 90 Tagen von 125 Prozent auf nur 10 Prozent zu senken. Der bestehende 20-Prozent-Zoll auf chinesische Waren bleibt bestehen, was bedeutet, dass der vorläufige Zollsatz für chinesische Waren 30 Prozent beträgt. China stimmte zu, nichttarifäre Gegenmaßnahmen, die es gegen die USA ergriffen hatte, seit Trump am 2. April 2025 die berühmten reziproken Zölle verhängt hat, auszusetzen oder zu entfernen.
Anfang Juni beginnt Trump China vorzuwerfen, es hätte sich nicht an die Absprachen von Genf gehalten. US-Unternehmen steigen ihm auf die Füße, da ihre Vorräte an Seltenen Erden bedenklich weniger werden, vor allem die US-Autoindustrie hatte ein großes Problem.
Aber wer die Vereinbarungen wirklich gebrochen hat, das war die Trump-Regierung, die wie so oft nach schönen Worten bei Sitzungen im alten Stil der Eindämmung und Schikanierung Chinas mit neuen Maßnahmen weitermachte, obwohl eine Art Waffenstillstand vereinbart worden war, wie z.B. das Verbot des Verkaufs von zivilen Luftfahrtmotoren und aller damit verbundenen Technologien und Dienstleistungen an chinesische Unternehmen oder das Verbot für chinesische Studenten, in den USA zu studieren.
In einem ihm gewährten Telefonat mit Xi Jinping wurde eine weitere Gesprächsrunde der Minister vereinbart. Xi Jinping hatte diesem Telefonat zugestimmt, nachdem der gesamte Verhandlungsprozess aus dem Ruder zu geraten drohte. In der US-Administration gibt es eine Reihe China-Falken, die versuchen, getroffene Vereinbarungen zu hintertreiben und die Konflikte zwischen den USA und China zu vertiefen.
Kurzfristig, am 9. Juni, traf sich der chinesische Vizepremierminister He Lifeng in London mit US-Finanzminister Scott Bessent, Handelsminister Howard Lutnick und dem US-Handelsvertreter Jamieson Greer. Der Schwerpunkt von der US-Seite lag auf der umfassenden Erteilung von Exportlizenzen für Seltene Erden, auf der chinesischen Seite auf der Aufhebung der seit Genf verfügten neuen US-Schikanen.
Obwohl Details des Frameworks offiziell nicht veröffentlicht wurden, stellt Trump in seinem Netzwerk Truth Social fest: »Alle Magnete und alle notwendigen Seltenen Erden werden zuerst von China geliefert. Ebenso werden wir China das zur Verfügung stellen, was vereinbart wurde, einschließlich der Möglichkeit, dass chinesische Studenten unsere Hochschulen und Universitäten nutzen. Wir erhalten insgesamt 55 Prozent Zölle, China erhält 10 Prozent.« Man kann sich kaum vorstellen, dass Peking dem zugestimmt hat.
Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert in einem Bericht vom 15. 6. zwei mit dem Thema vertraute Personen, die einvernehmlich sagen, dass Peking sich nicht verpflichtet habe, die Ausfuhrfreigabe für einige spezialisierte Seltenerdmagnete zu erteilen, die US-Militärlieferanten für Kampfjets und Raketensysteme benötigen. Chinas Verhandlungsführer dürften Erleichterungen der Exportkontrollen für Seltenerdmagnete für den militärischen Einsatz mit der Aufhebung langjähriger US-Beschränkungen für den Export der fortschrittlichsten AI-Chips nach China in Verbindung gebracht haben. Peking bot auch an, einen »grünen Kanal« einzurichten, um Lizenzgenehmigungen von »vertrauenswürdigen« US-Unternehmen beschleunigt zu behandeln.
China versichert, die Lieferketten für Nicht-militärische Zwecke nicht behindern zu wollen, es gebe hier nur durch die neuen Genehmigungsregeln Startprobleme. Wahrscheinlich ist hingegen, dass Beijing die westliche Rüstungsindustrie grundsätzlich nicht mehr beliefert – was aufgrund der Nachrüstung verbrauchter Militärgüter durch die US-unterstützten Kriege im Mittleren Osten und der Ukraine sowie Washingtons Aufrüstungszielen im Fernen Osten für die USA ein riesiges Problem ist.
Wird es für den Konflikt USA – China eine kurzfristige Lösung geben, die länger hält? Das ist sehr unwahrscheinlich. Warum? Das ist sehr einfach: Die USA sind ein imperialistisches Land, noch dazu eines, das Welthegemonie besessen hat und mit allen Mitteln versucht, diese Überlegenheit aufrecht zu erhalten. Washington bekämpft China als sozialistisches Land, es ist ein Kampf: Imperialismus gegen Sozialismus. Washington wird weiterhin schon akkordierte Vereinbarungen brechen, neue Schikanen gegen chinesische Unternehmen oder Branchen einführen, um die Entwicklung Chinas zu behindern. China hat aus den Verhandlungen von Trump gelernt und sich auf Trump vorbereitet. Kompromisse und Nachgeben bringen nichts, man muss hart dagegenhalten und die größten Schwächen der USA ausloten. Anfang April waren die USA zuerst in der Offensive und verhängten hohe Tarife gegen China. Nach dem Prinzip »auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil« hat Peking Trump die Zölle auf eine Höhe treiben lassen, die den USA schwer geschadet hat und für China kein so großes Problem darstellte. Die USA hatten 2024 nur einen Anteil von 15 Prozent am chinesischen Export. Im Mai 2025 sind Chinas Exporte in die USA im Vorjahresvergleich zwar um 34 Prozent gefallen, gleichzeitig stiegen die Exporte nach Indien um 12 Prozent, in die EU um 12 Prozent, in die ASEAN Staaten um 15 Prozent. Die chinesischen Privatunternehmen sind sehr flexibel und haben rasch neue Kunden akquiriert. Außerdem stieg Chinas Inlandskonsum im Mai 2025 im Vorjahresvergleich um mehr als 6 Prozent. So konnte ein Teil der Auswirkungen abgefangen werden. Dann musste Trump einlenken. Von Händlern der Wall Street wurde dafür das Akronym TACO erfunden, »Trump Always Chickens Out«, d. h. er zieht den Schwanz ein.
Seit China Trump ein zweites Mal auflaufen und ihn spüren ließ, dass die Seltenen Erden ein Tool bei den Verhandlungen sind, hat China die Oberhand, es agiert aus einer Position der Stärke. Es hat den Drücker gefunden, der Trump wirklich wehtut. Lieferung oder Stopp der Seltenen Erden kann von China gut dafür eingesetzt werden, Schikanen der USA zu bekämpfen und die USA dazu zu zwingen, getroffene Vereinbarungen einzuhalten.
Die derzeitige Situation ist ein Waffenstillstand, der Konflikt wird weitergehen. Man darf sich über den Charakter der USA keinen Illusionen hingeben.