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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Chinas Strategie gegen Trump

Da man nach den Lon­don-Gesprä­chen zwi­schen Chi­na und den USA am 9. und 10. Juni ca. zwei Wochen von bei­den Par­tei­en nichts gehört hat, nah­men vie­le Beob­ach­ter an, dass es wie­der einen Still­stand der Gesprä­che gibt. Es ging aber doch, angeb­lich inten­siv, wei­ter. »Sie wer­den uns Sel­te­ne Erden lie­fern«, und sobald sie das tun, »wer­den wir unse­re Gegen­maß­nah­men zurück­neh­men«, sag­te am 26. Juni der US- Han­dels­mi­ni­ster Lut­nick dem US-Nach­rich­ten­sen­der Bloom­berg News in einem Inter­view. Es gibt einen neu­en »Deal«, der von Lut­nick und Trump so ver­kauft wird, dass die USA alles erreicht haben, am Drücker sind. Wenn man die Ver­laut­ba­rung des Spre­chers des chi­ne­si­schen Han­dels­mi­ni­ste­ri­ums (MOFCOM) bei einer Pres­se­kon­fe­renz einen Tag spä­ter liest, klingt es anders: »Chi­na wird Anträ­ge auf Aus­fuhr von zuläs­si­gen, kon­trol­lier­ten Gütern in Über­ein­stim­mung mit dem Gesetz prü­fen und genehmigen.«

Das bedeu­tet, dass der Export Sel­te­ner Erden wei­ter­hin geneh­mi­gungs­pflich­tig ist, die Anträ­ge danach geprüft wer­den, ob die jewei­li­gen Pro­duk­te und Unter­neh­men export­fä­hig und export­wür­dig sind oder nicht – und wenn ja, eine Export­ge­neh­mi­gung erteilt wird. Sel­te­ne Erden und aus ihnen pro­du­zier­te Magne­te, die für zivi­le Nut­zung ver­wen­det wer­den, bekom­men eine Export­ge­neh­mi­gung. Wenn nach chi­ne­si­schen Bestim­mun­gen Pro­duk­te für die mili­tä­ri­sche Nut­zung nicht export­fä­hig sind, wird die Export­ge­neh­mi­gung ver­wehrt wer­den. Chi­na hat im Dezem­ber 2024 den Export von Dual-Use-Arti­keln an das US-Mili­tär oder für mili­tä­ri­sche Zwecke der USA ver­bo­ten. Chi­na hat damals übri­gens auch beschlos­sen, den Export von Gal­li­um, Ger­ma­ni­um, Anti­mon und super­har­ten Mate­ria­li­en sowie gra­phit­be­zo­ge­nen Dual-Use-Arti­keln in die USA streng zu kontrollieren.

Die­ses The­ma hat Spreng­stoff, da Chi­na im Jahr 2024 69 Pro­zent der welt­wei­ten Sel­te­ne-Erden-Gewin­nung durch­führ­te. Die USA hat sich durch jahr­zehn­te­lan­ge Inak­ti­vi­tät auf die­sem Gebiet von chi­ne­si­schen Lie­fe­run­gen abhän­gig gemacht.

Der Ver­hand­lungs­sta­tus zwi­schen Peking und Washing­ton hat sich gedreht von Tarif­the­men zu Export­be­schrän­kungs­the­men – und damit von einer zuerst vor­han­de­nen US-Domi­nanz bei den Ver­hand­lun­gen zur jet­zi­gen chinesischen.

Die jet­zi­gen Ver­ein­ba­run­gen sind Ergeb­nis zwei­er Run­den zwi­schen den zustän­di­gen ame­ri­ka­ni­schen und chi­ne­si­schen Mini­stern, eine erste Run­de in Genf am 10. und 11. Mai, nach­dem Trump zum ersten Mal in Panik gera­ten war und ver­zwei­felt den chi­ne­si­schen Prä­si­dent Xi Jin­ping zu errei­chen such­te, der aber für ihn nicht zu spre­chen war. Die US-Akti­en­kur­se sack­ten nach Trumps schritt­wei­ser Ein­füh­rung von Import­zöl­len gegen Chi­na bis 145 Pro­zent ab. Zu sei­ner Ver­blüf­fung erhob Peking Schritt für Schritt Gegen­zöl­le in glei­cher Höhe, es kam zu lee­ren Rega­len bei Walm­art, sei­ne Olig­ar­chen-Kum­pa­ne stie­gen ihm auf die Füße, da ihre Akti­en­kur­se absack­ten, die Rating­agen­tur Moody’s ver­schlech­ter­te die Beur­tei­lung der Trag­fä­hig­keit der Schul­den der USA. So knick­te Trump ein und akzep­tier­te, dass »nur« auf Ebe­ne der zustän­di­gen Mini­ster in Genf ver­han­delt wird. Von chi­ne­si­scher Sei­te nahm Vize­pre­mier He Lifeng, von ame­ri­ka­ni­scher Finanz­mi­ni­ster Scott Bes­sent und der US-Han­dels­ver­tre­ter Jamie­son Gre­er teil. Nach der Ein­füh­rung der rezi­pro­ken Tari­fe durch Trump hat­te Chi­na schon am 4. April Export­be­schrän­kun­gen für sie­ben Arten von Sel­ten­erd­me­tal­len und aus ihnen gemach­ten Magne­ten, die »Dual-Use«-Verwendungsmöglichkeit haben und für die Expor­teu­re eine Lizenz zum Export bean­tra­gen müs­sen, beschränkt. Das chi­ne­si­sche Han­dels­mi­ni­ste­ri­um erklär­te, dass zukünf­ti­ge Expor­te nur mit spe­zi­el­len Lizen­zen mög­lich sein wer­den. Die­ser Schritt die­ne »zur Bewah­rung der natio­na­len Sicher­heit« und der »Erfül­lung inter­na­tio­na­ler Ver­pflich­tun­gen, wie Non­pro­li­fe­ra­ti­ons-Ver­pflich­tun­gen« (Maß­nah­men zur Ver­hin­de­rung der Wei­ter­ver­brei­tung von Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen ins­be­son­de­re Atom­waf­fen etc). Die Beschrän­kun­gen bedeu­ten für Chi­na intern eine posi­ti­ve Reduk­ti­on der Umwelt­ver­schmut­zun­gen, die durch die­se Pro­duk­tio­nen statt­fin­den. Sie gel­ten dau­er­haft und welt­weit, nicht nur für Expor­te in die USA.

Nach dem Mee­ting in Genf ver­öf­fent­lich­ten das Wei­ße Haus und das chi­ne­si­sche Han­dels­mi­ni­ste­ri­um eine gemein­sa­me Erklä­rung, in der sie sich ver­pflich­te­ten, die gegen­sei­ti­gen Zoll­sät­ze für einen Zeit­raum von 90 Tagen von 125 Pro­zent auf nur 10 Pro­zent zu sen­ken. Der bestehen­de 20-Pro­zent-Zoll auf chi­ne­si­sche Waren bleibt bestehen, was bedeu­tet, dass der vor­läu­fi­ge Zoll­satz für chi­ne­si­sche Waren 30 Pro­zent beträgt. Chi­na stimm­te zu, nicht­ta­rifä­re Gegen­maß­nah­men, die es gegen die USA ergrif­fen hat­te, seit Trump am 2. April 2025 die berühm­ten rezi­pro­ken Zöl­le ver­hängt hat, aus­zu­set­zen oder zu entfernen.

Anfang Juni beginnt Trump Chi­na vor­zu­wer­fen, es hät­te sich nicht an die Abspra­chen von Genf gehal­ten. US-Unter­neh­men stei­gen ihm auf die Füße, da ihre Vor­rä­te an Sel­te­nen Erden bedenk­lich weni­ger wer­den, vor allem die US-Auto­in­du­strie hat­te ein gro­ßes Problem.

Aber wer die Ver­ein­ba­run­gen wirk­lich gebro­chen hat, das war die Trump-Regie­rung, die wie so oft nach schö­nen Wor­ten bei Sit­zun­gen im alten Stil der Ein­däm­mung und Schi­ka­nie­rung Chi­nas mit neu­en Maß­nah­men wei­ter­mach­te, obwohl eine Art Waf­fen­still­stand ver­ein­bart wor­den war, wie z.B. das Ver­bot des Ver­kaufs von zivi­len Luft­fahrt­mo­to­ren und aller damit ver­bun­de­nen Tech­no­lo­gien und Dienst­lei­stun­gen an chi­ne­si­sche Unter­neh­men oder das Ver­bot für chi­ne­si­sche Stu­den­ten, in den USA zu studieren.

In einem ihm gewähr­ten Tele­fo­nat mit Xi Jin­ping wur­de eine wei­te­re Gesprächs­run­de der Mini­ster ver­ein­bart. Xi Jin­ping hat­te die­sem Tele­fo­nat zuge­stimmt, nach­dem der gesam­te Ver­hand­lungs­pro­zess aus dem Ruder zu gera­ten droh­te. In der US-Admi­ni­stra­ti­on gibt es eine Rei­he Chi­na-Fal­ken, die ver­su­chen, getrof­fe­ne Ver­ein­ba­run­gen zu hin­ter­trei­ben und die Kon­flik­te zwi­schen den USA und Chi­na zu vertiefen.

Kurz­fri­stig, am 9. Juni, traf sich der chi­ne­si­sche Vize­pre­mier­mi­ni­ster He Lifeng in Lon­don mit US-Finanz­mi­ni­ster Scott Bes­sent, Han­dels­mi­ni­ster Howard Lut­nick und dem US-Han­dels­ver­tre­ter Jamie­son Gre­er. Der Schwer­punkt von der US-Sei­te lag auf der umfas­sen­den Ertei­lung von Export­li­zen­zen für Sel­te­ne Erden, auf der chi­ne­si­schen Sei­te auf der Auf­he­bung der seit Genf ver­füg­ten neu­en US-Schikanen.

Obwohl Details des Frame­works offi­zi­ell nicht ver­öf­fent­licht wur­den, stellt Trump in sei­nem Netz­werk Truth Social fest: »Alle Magne­te und alle not­wen­di­gen Sel­te­nen Erden wer­den zuerst von Chi­na gelie­fert. Eben­so wer­den wir Chi­na das zur Ver­fü­gung stel­len, was ver­ein­bart wur­de, ein­schließ­lich der Mög­lich­keit, dass chi­ne­si­sche Stu­den­ten unse­re Hoch­schu­len und Uni­ver­si­tä­ten nut­zen. Wir erhal­ten ins­ge­samt 55 Pro­zent Zöl­le, Chi­na erhält 10 Pro­zent.« Man kann sich kaum vor­stel­len, dass Peking dem zuge­stimmt hat.

Die Nach­rich­ten­agen­tur Reu­ters zitiert in einem Bericht vom 15. 6. zwei mit dem The­ma ver­trau­te Per­so­nen, die ein­ver­nehm­lich sagen, dass Peking sich nicht ver­pflich­tet habe, die Aus­fuhr­frei­ga­be für eini­ge spe­zia­li­sier­te Sel­ten­erd­ma­gne­te zu ertei­len, die US-Mili­tär­lie­fe­ran­ten für Kampf­jets und Rake­ten­sy­ste­me benö­ti­gen. Chi­nas Ver­hand­lungs­füh­rer dürf­ten Erleich­te­run­gen der Export­kon­trol­len für Sel­ten­erd­ma­gne­te für den mili­tä­ri­schen Ein­satz mit der Auf­he­bung lang­jäh­ri­ger US-Beschrän­kun­gen für den Export der fort­schritt­lich­sten AI-Chips nach Chi­na in Ver­bin­dung gebracht haben. Peking bot auch an, einen »grü­nen Kanal« ein­zu­rich­ten, um Lizenz­ge­neh­mi­gun­gen von »ver­trau­ens­wür­di­gen« US-Unter­neh­men beschleu­nigt zu behandeln.

Chi­na ver­si­chert, die Lie­fer­ket­ten für Nicht-mili­tä­ri­sche Zwecke nicht behin­dern zu wol­len, es gebe hier nur durch die neu­en Geneh­mi­gungs­re­geln Start­pro­ble­me. Wahr­schein­lich ist hin­ge­gen, dass Bei­jing die west­li­che Rüstungs­in­du­strie grund­sätz­lich nicht mehr belie­fert – was auf­grund der Nach­rü­stung ver­brauch­ter Mili­tär­gü­ter durch die US-unter­stütz­ten Krie­ge im Mitt­le­ren Osten und der Ukrai­ne sowie Washing­tons Auf­rü­stungs­zie­len im Fer­nen Osten für die USA ein rie­si­ges Pro­blem ist.

Wird es für den Kon­flikt USA – Chi­na eine kurz­fri­sti­ge Lösung geben, die län­ger hält? Das ist sehr unwahr­schein­lich. War­um? Das ist sehr ein­fach: Die USA sind ein impe­ria­li­sti­sches Land, noch dazu eines, das Welthe­ge­mo­nie beses­sen hat und mit allen Mit­teln ver­sucht, die­se Über­le­gen­heit auf­recht zu erhal­ten. Washing­ton bekämpft Chi­na als sozia­li­sti­sches Land, es ist ein Kampf: Impe­ria­lis­mus gegen Sozia­lis­mus. Washing­ton wird wei­ter­hin schon akkor­dier­te Ver­ein­ba­run­gen bre­chen, neue Schi­ka­nen gegen chi­ne­si­sche Unter­neh­men oder Bran­chen ein­füh­ren, um die Ent­wick­lung Chi­nas zu behin­dern. Chi­na hat aus den Ver­hand­lun­gen von Trump gelernt und sich auf Trump vor­be­rei­tet. Kom­pro­mis­se und Nach­ge­ben brin­gen nichts, man muss hart dage­gen­hal­ten und die größ­ten Schwä­chen der USA aus­lo­ten. Anfang April waren die USA zuerst in der Offen­si­ve und ver­häng­ten hohe Tari­fe gegen Chi­na. Nach dem Prin­zip »auf einen gro­ben Klotz gehört ein gro­ber Keil« hat Peking Trump die Zöl­le auf eine Höhe trei­ben las­sen, die den USA schwer gescha­det hat und für Chi­na kein so gro­ßes Pro­blem dar­stell­te. Die USA hat­ten 2024 nur einen Anteil von 15 Pro­zent am chi­ne­si­schen Export. Im Mai 2025 sind Chi­nas Expor­te in die USA im Vor­jah­res­ver­gleich zwar um 34 Pro­zent gefal­len, gleich­zei­tig stie­gen die Expor­te nach Indi­en um 12 Pro­zent, in die EU um 12 Pro­zent, in die ASEAN Staa­ten um 15 Pro­zent. Die chi­ne­si­schen Pri­vat­un­ter­neh­men sind sehr fle­xi­bel und haben rasch neue Kun­den akqui­riert. Außer­dem stieg Chi­nas Inlands­kon­sum im Mai 2025 im Vor­jah­res­ver­gleich um mehr als 6 Pro­zent. So konn­te ein Teil der Aus­wir­kun­gen abge­fan­gen wer­den. Dann muss­te Trump ein­len­ken. Von Händ­lern der Wall Street wur­de dafür das Akro­nym TACO erfun­den, »Trump Always Chickens Out«, d. h. er zieht den Schwanz ein.

Seit Chi­na Trump ein zwei­tes Mal auf­lau­fen und ihn spü­ren ließ, dass die Sel­te­nen Erden ein Tool bei den Ver­hand­lun­gen sind, hat Chi­na die Ober­hand, es agiert aus einer Posi­ti­on der Stär­ke. Es hat den Drücker gefun­den, der Trump wirk­lich weh­tut. Lie­fe­rung oder Stopp der Sel­te­nen Erden kann von Chi­na gut dafür ein­ge­setzt wer­den, Schi­ka­nen der USA zu bekämp­fen und die USA dazu zu zwin­gen, getrof­fe­ne Ver­ein­ba­run­gen einzuhalten.

Die der­zei­ti­ge Situa­ti­on ist ein Waf­fen­still­stand, der Kon­flikt wird wei­ter­ge­hen. Man darf sich über den Cha­rak­ter der USA kei­nen Illu­sio­nen hingeben.