Die Rhetorik ist martialisch. Thanos Plevris, der frischgebackene griechische Migrationsminister, redet von »Invasion«. Mehrere Regierungsabgeordnete sprechen von »hybridem Krieg« oder einer »Notlage«. Ein großer Teil der Medien schreibt, dass Kreta von illegalen Einwanderern regelrecht »überschwemmt« werde.
In der ersten Hälfte des Jahres 2025 kamen nach Angaben der [griechischen] Küstenwache 7336 Geflüchtete auf der Mittelmeerinsel Kreta und der kleinen vorgelagerten Insel Gavdos an. Im Juli kamen noch fast 2000 dazu. Das sind fast 350 Prozent mehr als im Jahr 2024, aber keine Zahl, die die Beschreibung »Invasion« verdient. Zudem wäre es für eine große Insel wie Kreta theoretisch kein Problem, mit 9.000 oder 10.000 Geflüchteten zurechtzukommen. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 waren es über eine Million Geflüchtete, die auf viel kleineren Inseln wie Lesbos und Kos ankamen, also hundertmal mehr. Aber die gesellschaftliche und politische Stimmung ist im Jahr 2025 anders, sowohl in Europa als auch in Griechenland.
Die Einheimischen auf Kreta, die im Jahr 2024 fast vier Millionen Touristen empfangen haben, wehren sich vehement gegen die Entstehung eines Lagers für die neuen Flüchtlinge. (…) Also werden die Neuankömmlinge im Moment weiter nach Malakasa bei Athen oder nach Nordgriechenland weitergeleitet. (…)
Gleichzeitig sind für den griechischen Migrationsminister alle Flüchtlinge »illegale Migranten«, die ins Gefängnis gehören und droht den Geflüchteten mit reduzierten Essensrationen. Plevris behauptet, dass die Menschen in den geschlossenen Lagern viel zu gut essen und erklärte wiederholt, dass sein Ministerium für Einwanderung »kein Hotel« sei.
Fakt ist, dass in Griechenland nur Asylbewerber mit Lebensmitteln versorgt werden. Anerkannte Flüchtlinge und auch diejenigen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber im Land bleiben, weil sie nirgendwo anders hinkönnen, haben kein Recht auf Lebensmittelversorgung. (…)
Hinzu kommt, dass die Neuankömmlinge derzeit sowieso keinen Zugang zu einem Asylverfahren haben – und damit auch kein Recht auf Lebensmittelversorgung. Denn nachdem letzte Woche ein neues Gesetz verabschiedet wurde (mit den Stimmen der Regierungspartei Nea Dimokratia und Abgeordneten kleinerer rechter Parteien), nimmt Griechenland für mindestens drei Monate keine Asylanträge von Geflüchteten mehr an, die über den Seeweg aus Nordafrika ins Land kommen.
Das Gesetz ist umstritten, nach Auffassung vieler Rechtsexperten verfassungswidrig und im eklatanten Widerspruch zu den europäischen Werten. Aber nicht einmal die EU-Kommission stellt sich quer.
Plevris hat jetzt juristisch freie Hand für seine Pläne, die Neuankömmlinge ohne Asylverfahren zurückzuschicken. »Es gibt Länder, in die wir sie zurückschicken können, Länder, mit denen wir ein Abkommen haben, und andere, in die sie freiwillig zurückkehren können«, behauptete er am Wochenende im TV Sender SKAI.
Doch stimmt das? Eine von drei Personen, die sich derzeit in Abschiebungshaft befinden, ist aus Ägypten und kann laut dem griechischen Ombudsmann unter den derzeitigen Umständen nicht zurückgeschickt werden. Die griechische Regierung würde deswegen gern einen Deal mit Kairo machen, aber noch gibt es den nicht.
Nach Angaben des Migrationsministeriums stammen die meisten Asylbewerber, die in den ersten fünf Monaten des Jahres 2025 in Griechenland angekommen sind, aus Afghanistan (31 Prozent), gefolgt von Ägypten (16,4 Prozent), Syrien (6,2 Prozent), Pakistan (5,2 Prozent), Sudan (4,5 Prozent) und Bangladesch (3,6 Prozent). Es ist jedoch zweifelhaft, ob diejenigen, die kein Asyl bekommen bzw. keines beantragen dürfen, in alle diese Länder zurückgeschickt werden können.
Trotz alledem arbeitet der Migrationsminister weiter an der Politik der Abschreckung und bereitet einen neuen Gesetzentwurf vor, der für diejenigen, die sich weigern, das Land zu verlassen, drei Jahre Gefängnis ohne Bewährung und 10.000 Euro Geldstrafe vorsieht. (…)
In den Ohren des rechten Publikums in Griechenland klingen Plevris´ Pläne vielversprechend, und nur das ist der Regierung wichtig. Doch eigentlich weiß man in der Regierung sehr gut, dass mit Gefängnis-Drohungen oder mit den zwei Fregatten, die Premierminister Mitsotakis neulich zur Patrouille vor die libysche Küste entsandt hat, das Problem nicht gelöst werden kann.
Im Moment ist der zerstörte Staat Libyen der Ort, an dem sich diejenigen versammeln, die den afrikanischen Kriegen, dem Hunger und der Perspektivlosigkeit entfliehen wollen und auf eine Gelegenheit zur Überfahrt nach Europa warten. Allein vor dem Krieg im Sudan sind 14 Millionen Menschen geflohen – vor allem nach Tschad, Ägypten, Südsudan, Äthiopien und eben Libyen (Kaki Bali, Focus online, erschienen in Kooperation mit der Deutschen Welle, 16.07.2025).