Kriegsgeschrei überall! Die Medien scheinen keine Parteien, nur noch Deutsche zu kennen. Gibt es keine hörbare Opposition? Doch, es gibt sie – unter den Comedians. Ich habe keinen Fernsehapparat, aber ich finde sie alle auf YouTube und muss feststellen, dass die meisten von ihnen ihre frechen Sprüche auf ARD und ZDF, MDR und ORF loslassen. Weit mehr als ein Dutzend von ihnen habe ich bisher gefunden, darunter nur wenige Frauen, aber diese sind dafür umso schärfer.
Nun ist Comedy oder Kabarett eine Kunst und damit vieldeutig. Ironie und Verblüffung sind die verwendeten Waffen. Das ist der Grund, weshalb ich gar nicht allen Aussagen zustimmen muss, um begeistert zu sein: Die Machart macht’s. Im Lachen öffnet sich ein Raum, in dem anderes möglich wird. Comedians sind das erfrischende Gegenstück zu den Talkshows, in denen Politikdarsteller mit wichtiger Miene erklären, weshalb ihre widerwärtige Politik die einzig mögliche Lösung sei.
Einige Beispiele gefällig? Andreas Rebers schlägt unter dem Titel »Können wir wieder Krieg?« Aggressionstraining in den Schulen vor sowie Ferien auf dem Schlachthof statt auf dem Bauernhof. »Wann haben Sie das letzte Mal in einer Kita ein Kriegsspielzeug gesehen?«, fragt er. Da kann Lisa Eckhart sekundieren. Sie nimmt ihren dreijährigen Jungen und versucht ihn zum Kriegführen anzustacheln, sie wundert sich darüber, dass es nicht nur ein Schuldenpaket für die Rüstung geben soll, sondern auch eins für Investitionen in die Bildung: Wozu braucht man noch Bildung, wenn doch alles kaputtgebombt werden soll? »Es ist schon ärgerlich: Da stellt man alle Kraftwerke ab, weil man keinen Atommüll will, und kurz darauf steht im Raum, dass Deutschland selbst Atommüll wird.« Lisa Eckhart, die bei jedem Auftritt in einem noch gewagteren Kostüm erscheint und die Domina gibt, ist die schärfste unter allen deutschsprachigen Comedians. Ihre ironischen Statements wollen gerne missverstanden werden und den Missversteher dann als Dummkopf entlarven. »Ich bin für Krieg«, sagt sie. »Ich war immer für Krieg, auch als Pazifismus noch links war. Aber ich bin gegen Waffen. Das ist so unpersönlich. Bei Waffen fehlt der Körperkontakt. (…) Wir alle kennen das von zu Hause: So eine Prügelei mit dem Partner kann schnell umschlagen in Erotik.«
Ganz anders im Stil, aber in der Herangehensweise verwandt, könnte man Olaf Schubert beschreiben. Er gibt sich mit seinem Rautenpullover und seiner zögerlichen Redeweise immer als der tumbe Ossi und weiß zum Thema Krieg vor allem eins: »Deutschland hat sich ja schon zweimal kriegstüchtig gefühlt – es hat nicht ganz gereicht. «
Eine Reihe von Comedians (Kaya Yanar, Bülent Ceylan, Abdul Karim, Nikita Miller) attackiert genussvoll die Vorurteile von Deutschen gegenüber Migranten. Nikita Miller sagt voraus, wenn Putin so weitermache, werde er bald den Friedensnobelpreis bekommen – Obama hätte es ja auch so gemacht. Kaya Yanar zeigt sich im Interview erschüttert über die toten Kinder, die er in Gaza gesehen hat; er nimmt mehrfach Stellung zum Gazakrieg und muss sich von der Jüdischen Allgemeinen heftige Angriffe gefallen lassen.
Zu verweisen ist auch auf Volker Pispers. Er tritt zwar seit einigen Jahren nicht mehr auf, aber seine Videos werden immer wieder von jungen Youtubern neu entdeckt und wieder veröffentlicht. Die Qualität des Bildes leidet dabei zwar erheblich, aber es kommt ja auf die Aussagen an. Und die sind schneidend: Seine Kritik an der Verlogenheit der Politiker, am Kapitalismus und an den Medien ist unübertrefflich. Gelegentlich hat man den Eindruck, dass er an der Universität eine Vorlesung über Wirtschaft hält, alles kommt äußerst sachlich daher – aber jeder Satz ist eine Ohrfeige.
Nun kann man sagen, dass alle diese Comedians die Rolle von Hofnarren spielen: Sie sind lustig, aber ihre Witze ändern nichts. Geschenkt, aber mich bauen sie auf. Sie zeigen mir, dass auch in den Öffentlich-Rechtlichen noch ein kritischer Geist weht, und jeder kann sich aussuchen, was er lieber mag.