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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Comedians und der Krieg

Kriegs­ge­schrei über­all! Die Medi­en schei­nen kei­ne Par­tei­en, nur noch Deut­sche zu ken­nen. Gibt es kei­ne hör­ba­re Oppo­si­ti­on? Doch, es gibt sie – unter den Come­di­ans. Ich habe kei­nen Fern­seh­ap­pa­rat, aber ich fin­de sie alle auf You­Tube und muss fest­stel­len, dass die mei­sten von ihnen ihre fre­chen Sprü­che auf ARD und ZDF, MDR und ORF los­las­sen. Weit mehr als ein Dut­zend von ihnen habe ich bis­her gefun­den, dar­un­ter nur weni­ge Frau­en, aber die­se sind dafür umso schärfer.

Nun ist Come­dy oder Kaba­rett eine Kunst und damit viel­deu­tig. Iro­nie und Ver­blüf­fung sind die ver­wen­de­ten Waf­fen. Das ist der Grund, wes­halb ich gar nicht allen Aus­sa­gen zustim­men muss, um begei­stert zu sein: Die Mach­art macht’s. Im Lachen öff­net sich ein Raum, in dem ande­res mög­lich wird. Come­di­ans sind das erfri­schen­de Gegen­stück zu den Talk­shows, in denen Poli­tik­dar­stel­ler mit wich­ti­ger Mie­ne erklä­ren, wes­halb ihre wider­wär­ti­ge Poli­tik die ein­zig mög­li­che Lösung sei.

Eini­ge Bei­spie­le gefäl­lig? Andre­as Rebers schlägt unter dem Titel »Kön­nen wir wie­der Krieg?« Aggres­si­ons­trai­ning in den Schu­len vor sowie Feri­en auf dem Schlacht­hof statt auf dem Bau­ern­hof. »Wann haben Sie das letz­te Mal in einer Kita ein Kriegs­spiel­zeug gese­hen?«, fragt er. Da kann Lisa Eck­hart sekun­die­ren. Sie nimmt ihren drei­jäh­ri­gen Jun­gen und ver­sucht ihn zum Krieg­füh­ren anzu­sta­cheln, sie wun­dert sich dar­über, dass es nicht nur ein Schul­den­pa­ket für die Rüstung geben soll, son­dern auch eins für Inve­sti­tio­nen in die Bil­dung: Wozu braucht man noch Bil­dung, wenn doch alles kaputt­ge­bombt wer­den soll? »Es ist schon ärger­lich: Da stellt man alle Kraft­wer­ke ab, weil man kei­nen Atom­müll will, und kurz dar­auf steht im Raum, dass Deutsch­land selbst Atom­müll wird.« Lisa Eck­hart, die bei jedem Auf­tritt in einem noch gewag­te­ren Kostüm erscheint und die Domi­na gibt, ist die schärf­ste unter allen deutsch­spra­chi­gen Come­di­ans. Ihre iro­ni­schen State­ments wol­len ger­ne miss­ver­stan­den wer­den und den Miss­ver­ste­her dann als Dumm­kopf ent­lar­ven. »Ich bin für Krieg«, sagt sie. »Ich war immer für Krieg, auch als Pazi­fis­mus noch links war. Aber ich bin gegen Waf­fen. Das ist so unper­sön­lich. Bei Waf­fen fehlt der Kör­per­kon­takt. (…) Wir alle ken­nen das von zu Hau­se: So eine Prü­ge­lei mit dem Part­ner kann schnell umschla­gen in Erotik.«

Ganz anders im Stil, aber in der Her­an­ge­hens­wei­se ver­wandt, könn­te man Olaf Schu­bert beschrei­ben. Er gibt sich mit sei­nem Rau­ten­pull­over und sei­ner zöger­li­chen Rede­wei­se immer als der tum­be Ossi und weiß zum The­ma Krieg vor allem eins: »Deutsch­land hat sich ja schon zwei­mal kriegs­tüch­tig gefühlt – es hat nicht ganz gereicht. «

Eine Rei­he von Come­di­ans (Kaya Yanar, Bülent Cey­lan, Abdul Karim, Niki­ta Mil­ler) attackiert genuss­voll die Vor­ur­tei­le von Deut­schen gegen­über Migran­ten. Niki­ta Mil­ler sagt vor­aus, wenn Putin so wei­ter­ma­che, wer­de er bald den Frie­dens­no­bel­preis bekom­men – Oba­ma hät­te es ja auch so gemacht. Kaya Yanar zeigt sich im Inter­view erschüt­tert über die toten Kin­der, die er in Gaza gese­hen hat; er nimmt mehr­fach Stel­lung zum Gaza­krieg und muss sich von der Jüdi­schen All­ge­mei­nen hef­ti­ge Angrif­fe gefal­len lassen.

Zu ver­wei­sen ist auch auf Vol­ker Pis­pers. Er tritt zwar seit eini­gen Jah­ren nicht mehr auf, aber sei­ne Vide­os wer­den immer wie­der von jun­gen You­tubern neu ent­deckt und wie­der ver­öf­fent­licht. Die Qua­li­tät des Bil­des lei­det dabei zwar erheb­lich, aber es kommt ja auf die Aus­sa­gen an. Und die sind schnei­dend: Sei­ne Kri­tik an der Ver­lo­gen­heit der Poli­ti­ker, am Kapi­ta­lis­mus und an den Medi­en ist unüber­treff­lich. Gele­gent­lich hat man den Ein­druck, dass er an der Uni­ver­si­tät eine Vor­le­sung über Wirt­schaft hält, alles kommt äußerst sach­lich daher – aber jeder Satz ist eine Ohrfeige.

Nun kann man sagen, dass alle die­se Come­di­ans die Rol­le von Hof­nar­ren spie­len: Sie sind lustig, aber ihre Wit­ze ändern nichts. Geschenkt, aber mich bau­en sie auf. Sie zei­gen mir, dass auch in den Öffent­lich-Recht­li­chen noch ein kri­ti­scher Geist weht, und jeder kann sich aus­su­chen, was er lie­ber mag.