Es ist ein Wagnis einen Film, statt über Bruce Springsteens größte Hits, über sein vielleicht am wenigsten kommerzielles Album – »Nebraska« (1982) – zu machen. Auf der anderen Seite lernen wir so vielleicht mehr über den wahren Bruce als mit der Hits-Variante. Insofern ist der Film »Deliver Me From Nowhere« von Scott Cooper – nach einer Buchvorlage von Warren Zane – äußerst sehenswert.
Der Film beginnt in Freehold, New Jersey, wo der schüchterne achtjährige Bruce Springsteen von seiner Mutter in eine Bar geschickt wird, um den Vater nach Hause zu holen. Dieser leidet an Schizophrenie, streitet sich ständig mit seiner Mutter und unterdrückt ihn immer wieder. Bis der kleine Springsteen ihn in einer – verbürgten – Szene mit einem Baseballschläger auf den Rücken schlägt.
Dann sehen wir Bruce Springsteen 1981 in Cincinnati, Ohio, vor tausenden tobenden Fans seinen Rock-Song »Born to Run« geben. Ein Jahr zuvor hatte er das wunderbare Erfolgs-Doppelalbum »The River« herausgebracht und die Single daraus – »Hungry Heart« – wurde ein Top-5-Hit. Die Chefs seiner Plattenfirma CBS sind mehr als glücklich: Die Musik Springsteens geht ab »wie eine Rakete«! So soll es auch weiterlaufen, mit neuem Rockalbum, neuer Hit-Single, noch mehr Geld.
Springsteen aber muss nach einer Tour »runterkommen«, und der große Ruhm erschreckt ihn. In der Kleinstadt Colts Neck unweit von Freehold, New Jersey, mietet er sich ein Haus und einen neuen Chevrolet Camaro (145 PS). Auch einen Vier-Spur-Kassetten-Recorder und ein Radio als Echo-Gerät lässt er zu sich kommen, um Songs zu schreiben und im Schlafzimmer als Demo – nur mit Gitarre, Mundharmonika und wenig mehr – aufzunehmen.
Wir sehen Springsteen mit einer lokalen Band in einem Club namens »The Stone Pony« einen Little-Richard-Song spielen. Schauspieler Jeremy Allen White kommt mit seinem Gesang dem echten Springsteen erstaunlich nahe.
Nach dem Konzert trifft Springsteen auf Faye Romano (Odessa Young), mit der er ein Verhältnis beginnt (in Wirklichkeit hatte Springsteen zu dieser Zeit mehrere Freundinnen). Nachts um zwei Uhr fahren sie auf einem Jahrmarkt Karussell und kommen sich dabei näher. Später jedoch vernachlässigt er sie – ist er doch mitten in einem Schaffensrausch.
Wir erleben, wie er an neuen Songs schreibt und dafür verschiedenste Einflüsse verarbeitet. So sieht er im TV den Film »Badlands«, wie ein amoralisches Pärchen 1958 mordend durch South Dakota zieht. Daraus entwickelt sich sein Song »Nebraska« (so heißt schließlich das ganze Album). Andere Lieder handeln von gefolterten Polizisten, Möchte-gern-Gangstern und Autodieben. Aber er kommt auch immer wieder auf seine Kindheit mit dem gewalttätigen Vater zurück, besucht auch sein inzwischen verwaistes Elternhaus. Das nimmt ihn so sehr mit, dass er mit Faye Schluss macht und versucht, sich mit seinem Auto umzubringen!
Als später Springsteen die Lieder mit seiner E Street Band aufnehmen will, ist er entsetzt. All die Gefühle in den Songs werden unter Schichten von Musik begraben. Also entscheidet er sich gegen die Band: die Songs sollen rauskommen, wie sie sind!
Sein Manager, Produzent und Freund Jon Landau (Jeremy Strong) warnt vor CBS: »Die wollen Hits und keinen Nervenzusammenbruch.« Aber es kommt noch schlimmer. Springsteen verfügt: keine Singles, keine Presse, keine Tour. Als Landau den CBS-Chef empfängt, erklärt dieser wie erwartet: »Das klingt wie ein Unfall (…). Keine Radiostation spielt das!« Landau entgegnet den historischen Satz: »In meinem Büro glauben wir an Bruce Springsteen.« Und hat schließlich recht: Das Album »Nebraska« klettert auf Platz 3 der USA-Charts und wird Vorbild vieler minimalistischer »Lo-Fi«-Produktionen.
Eine neue Etappe beginnt: Springsteen fährt per Auto quer durch die USA nach Los Angeles, wo er ein Haus gekauft hat. Unterwegs hat er einen Nervenzusammenbruch, muss sich in L.A. ärztliche Hilfe holen. Ein Leben lang werden ihn Depressionen begleiten.
Ein knappes Jahr später gibt er wieder ein Konzert, versöhnt sich in einer eindringlichen Szene mit seinem Vater. Und bringt als nächstes das Rock-Album »Born in the U.S.A.« (1984) heraus – mit dem er weltweit zum Superstar wird.