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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Deliver Me From Nowhere

Es ist ein Wag­nis einen Film, statt über Bruce Springsteens größ­te Hits, über sein viel­leicht am wenig­sten kom­mer­zi­el­les Album – »Nebras­ka« (1982) – zu machen. Auf der ande­ren Sei­te ler­nen wir so viel­leicht mehr über den wah­ren Bruce als mit der Hits-Vari­an­te. Inso­fern ist der Film »Deli­ver Me From Nowhe­re« von Scott Coo­per – nach einer Buch­vor­la­ge von War­ren Zane – äußerst sehenswert.

Der Film beginnt in Free­hold, New Jer­sey, wo der schüch­ter­ne acht­jäh­ri­ge Bruce Springsteen von sei­ner Mut­ter in eine Bar geschickt wird, um den Vater nach Hau­se zu holen. Die­ser lei­det an Schi­zo­phre­nie, strei­tet sich stän­dig mit sei­ner Mut­ter und unter­drückt ihn immer wie­der. Bis der klei­ne Springsteen ihn in einer – ver­bürg­ten – Sze­ne mit einem Base­ball­schlä­ger auf den Rücken schlägt.

Dann sehen wir Bruce Springsteen 1981 in Cin­cin­na­ti, Ohio, vor tau­sen­den toben­den Fans sei­nen Rock-Song »Born to Run« geben. Ein Jahr zuvor hat­te er das wun­der­ba­re Erfolgs-Dop­pel­al­bum »The River« her­aus­ge­bracht und die Sin­gle dar­aus – »Hun­gry Heart« – wur­de ein Top-5-Hit. Die Chefs sei­ner Plat­ten­fir­ma CBS sind mehr als glück­lich: Die Musik Springsteens geht ab »wie eine Rake­te«! So soll es auch wei­ter­lau­fen, mit neu­em Rock­al­bum, neu­er Hit-Sin­gle, noch mehr Geld.

Springsteen aber muss nach einer Tour »run­ter­kom­men«, und der gro­ße Ruhm erschreckt ihn. In der Klein­stadt Colts Neck unweit von Free­hold, New Jer­sey, mie­tet er sich ein Haus und einen neu­en Che­vro­let Cama­ro (145 PS). Auch einen Vier-Spur-Kas­set­ten-Recor­der und ein Radio als Echo-Gerät lässt er zu sich kom­men, um Songs zu schrei­ben und im Schlaf­zim­mer als Demo – nur mit Gitar­re, Mund­har­mo­ni­ka und wenig mehr – aufzunehmen.

Wir sehen Springsteen mit einer loka­len Band in einem Club namens »The Stone Pony« einen Litt­le-Richard-Song spie­len. Schau­spie­ler Jere­my Allen White kommt mit sei­nem Gesang dem ech­ten Springsteen erstaun­lich nahe.

Nach dem Kon­zert trifft Springsteen auf Faye Roma­no (Odes­sa Young), mit der er ein Ver­hält­nis beginnt (in Wirk­lich­keit hat­te Springsteen zu die­ser Zeit meh­re­re Freun­din­nen). Nachts um zwei Uhr fah­ren sie auf einem Jahr­markt Karus­sell und kom­men sich dabei näher. Spä­ter jedoch ver­nach­läs­sigt er sie – ist er doch mit­ten in einem Schaffensrausch.

Wir erle­ben, wie er an neu­en Songs schreibt und dafür ver­schie­den­ste Ein­flüs­se ver­ar­bei­tet. So sieht er im TV den Film »Bad­lands«, wie ein amo­ra­li­sches Pär­chen 1958 mor­dend durch South Dako­ta zieht. Dar­aus ent­wickelt sich sein Song »Nebras­ka« (so heißt schließ­lich das gan­ze Album). Ande­re Lie­der han­deln von gefol­ter­ten Poli­zi­sten, Möch­te-gern-Gang­stern und Auto­die­ben. Aber er kommt auch immer wie­der auf sei­ne Kind­heit mit dem gewalt­tä­ti­gen Vater zurück, besucht auch sein inzwi­schen ver­wai­stes Eltern­haus. Das nimmt ihn so sehr mit, dass er mit Faye Schluss macht und ver­sucht, sich mit sei­nem Auto umzubringen!

Als spä­ter Springsteen die Lie­der mit sei­ner E Street Band auf­neh­men will, ist er ent­setzt. All die Gefüh­le in den Songs wer­den unter Schich­ten von Musik begra­ben. Also ent­schei­det er sich gegen die Band: die Songs sol­len raus­kom­men, wie sie sind!

Sein Mana­ger, Pro­du­zent und Freund Jon Land­au (Jere­my Strong) warnt vor CBS: »Die wol­len Hits und kei­nen Ner­ven­zu­sam­men­bruch.« Aber es kommt noch schlim­mer. Springsteen ver­fügt: kei­ne Sin­gles, kei­ne Pres­se, kei­ne Tour. Als Land­au den CBS-Chef emp­fängt, erklärt die­ser wie erwar­tet: »Das klingt wie ein Unfall (…). Kei­ne Radio­sta­ti­on spielt das!« Land­au ent­geg­net den histo­ri­schen Satz: »In mei­nem Büro glau­ben wir an Bruce Springsteen.« Und hat schließ­lich recht: Das Album »Nebras­ka« klet­tert auf Platz 3 der USA-Charts und wird Vor­bild vie­ler mini­ma­li­sti­scher »Lo-Fi«-Produktionen.

Eine neue Etap­pe beginnt: Springsteen fährt per Auto quer durch die USA nach Los Ange­les, wo er ein Haus gekauft hat. Unter­wegs hat er einen Ner­ven­zu­sam­men­bruch, muss sich in L.A. ärzt­li­che Hil­fe holen. Ein Leben lang wer­den ihn Depres­sio­nen begleiten.

Ein knap­pes Jahr spä­ter gibt er wie­der ein Kon­zert, ver­söhnt sich in einer ein­dring­li­chen Sze­ne mit sei­nem Vater. Und bringt als näch­stes das Rock-Album »Born in the U.S.A.« (1984) her­aus – mit dem er welt­weit zum Super­star wird.