Es scheint ein schier endloser politischer Weg gewesen zu sein, obwohl die Straßen, um die es ging (Von-Seeckt-Straße und Von-Einem-Straße in Essen-Rüttenscheid), gar nicht so endlos sind.
Ich hatte mich (parteilos) seit 1990, nach zweijährigen Vorarbeiten durch Jürgen Küppers (Grüne), meinem Vorgänger in der Bezirksvertretung II, mit dem Problem dieser beiden Straßennamen beschäftigt und versucht, eine Lösung anzubieten. Eine Schwierigkeit bestand darin, dass diese beiden sauberen Herren keine eingeschriebenen Nazis waren. Deshalb wollte von der CDU und von der FDP auch keiner an die Sache ran.
Von Einem, General im ersten Weltkrieg, war zu Zeiten der Weimarer Republik bereits in Ruhestand, aber publizistisch als Nationalist aktiv, während von Seeckt Chef der Reichswehr wurde, diese entgegen den Bestimmungen des Versailler Vertrages aufrüstete und sie den Nazis quasi wie reifes Obst in den Schoß legte. Als Carl von Ossietzky über diesen Verstoß in der Weltbühne berichtete, wurde er von der Justiz der Republik nicht gelobt, sondern gerichtlich belangt und eingesperrt.
Gedankt wurde vom Naziregime dann den beiden Handlangern im Jahr 1937 mit Straßennamen in verschiedenen Städten, auch in Essen. Etliche sogenannte Wehrwirtschaftsführer waren ebenfalls nicht eingeschriebene Mitglieder der NSDAP, wurden jedoch in Nürnberg zu Haftstrafen verurteilt, diese beiden nicht. Eine Umbenennung der beiden Straßen in Essen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht vorgenommen. Trotz entsprechender Anträge in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde eine Umbenennung von der politischen Mehrheit der Stadt Essen aus nicht immer nachvollziehbaren Gründen abgelehnt. Der verstorbene Stadthistoriker Dr. Ernst Schmidt und andere Essener Historiker empfahlen deshalb Zusatzschilder, die erläutern sollten, um wen es sich bei diesen Nazihelfern gehandelt habe. Zusatzschilder wurden vom Planungsamt aber aus Kostengründen (!) und wegen Personalmangels (!) abgelehnt.
Eine dritte Lösung, die ich insbesondere zusammen mit den Grünen in der Bezirksvertretung II erarbeitet hatte, war dann ein Mahnstein mit einer Erläuterungstafel an der Kreuzung der beiden Straßen. Es stand dort ein relativ großes Baumbeet zur Verfügung; Störungen der verkehrlichen Situation konnten nicht entstehen. Das musste berücksichtigt werden, da solche Argumente gern zur Verhinderung bestimmter Dinge herhalten müssen. Ich entwarf einen kurzen Text für die Erläuterungstafel und sprach ihn mit dem kooperativen Leiter des Stadtarchivs, Herrn Dr. Wisotzky, ab. Er wurde von der BV II öffentlich lobend akzeptiert, obwohl die CDU bis zuletzt durch Kritik und angeblichen Erklärungsbedarf versuchte, die Sache durch die Hintertür zu verhindern. Anfang 2004 wurde dann mit Mehrheit beschlossen, einen Mahnstein aufzustellen und den Betrag von 600 Euro dafür zur Verfügung zu stellen. Ende des Jahres 2004 lehnte dann aber das städtische Rechnungsprüfungsamt diesen Posten als einzigen vom Gesamtetat der Bezirksvertretung (250.000 Euro) ab. Daraufhin gelang es mit Unterstützung des Aktionskreises Rüttenscheid (einer örtlichen Bürgerinitiative), 300 Euro von privaten Spendern aufzutreiben.
Nachdem einiges dieser Posse in der heimischen Presse publik wurde, gab es einen erneuten Beschluss der Bezirksvertretung im Jahr 2006, wonach 500 Euro für den Mahnstein zur Verfügung gestellt werden konnten. Man hatte, wie es im Protokoll hieß, in einer Haushaltsfalte noch Geld gefunden. Der Granitstein war am Essener Südwestfriedhof vorhanden und kostete nichts. Die Sponsorengelder waren nicht mehr nötig. Die öffentliche Aufstellung des Mahnsteins mit Text erfolgte am 14. März 2008.
Die gesamten Bemühungen dauerten über 20 Jahre. Die Unterlagen über den Vorgang habe ich 2010 an das Stadtarchiv übergeben. Das Unbehagen bleibt. Spätere Historiker werden hoffentlich die Köpfe schütteln über die modernen, demokratischen, fortschrittlichen und effektiven Verwaltungen im Ruhrgebiet des 20. und 21. Jahrhunderts.