Noch im Jahr 1978 bekundete er gegenüber dem stellvertretenden Chefredakteur einer Regionalzeitung: »Der Führer war ein Genie, das nur mit seiner Zeit in Widerstreit kam. In seiner Ungeduld, er müsse alles machen, scheiterte er. (…) Die Dichter der kommenden Jahrhunderte werden von ihm singen. Die Fest-Folge ist nur ein Fingerzeig.« (Gemeint waren Joachim Fests Buch und Film über Hitler.) Er selbst hat sich nie als Gescheiterter gefühlt, dagegen jahrzehntelang als Opfer, weil er einige Jahre – vergleichsweise privilegiert – in Gefängnissen zubringen musste. Aber am Ende hatte er doch gesiegt, so meinte er. Und den Sieg schrieb er Deutschland zu.
Tobias Portschy (1905-1996) studierte Rechtswissenschaften, wurde als Deutschnationaler bei einem Studienaufenthalt im Jahr 1928 in Göttingen zum Anhänger des Nationalsozialismus und trat 1931 der österreichischen NSDAP bei. Er stammte aus dem Burgenland, das in der k. & k.-Monarchie ein Teil Westungarns war und 1921 der Republik Österreich zugesprochen wurde. Inmitten dieses Bundeslandes, im Raum Oberwart, sind seit über dreihundert Jahren tausende Roma wohnhaft, grundsätzlich sesshaft, aber auch einen Wanderungsraum in der Umgebung nutzend. Portschy wuchs nicht weit entfernt von ihnen auf; ihr »Außenseitertum« und ihre »Andersartigkeit« wurden bereits frühzeitig zu seinem zentralen Thema.
»Die Zigeuner und die Juden sind seit der Gründung des Dritten Reiches untragbar. Glaubt uns, dass wir diese Frage mit nationalsozialistischer Konsequenz lösen werden.« So wurde Portschy am 10. April 1938, dem Tag der Anschluss-Volksabstimmung nach dem Einmarsch der Wehrmacht, in der Oberwarter Sonntags-Zeitung zitiert. Da wurde er bereits in der Öffentlichkeit Landeshauptmann oder Gauleiter des Burgenlandes genannt, als der er seit 1935 in der illegalen NSDAP fungiert hatte. Mit seiner im August 1938 publizierten Denkschrift »Die Zigeunerfrage« legte er ein Programm vor, das »Die nationalsozialistische Lösung der Zigeunerfrage« bis in alle Einzelheiten beschreibt. Das Gas fehlte noch.
In dem 1992 erschienenen Film »Schuld und Gedächtnis«, der damals spät nachts im ORF gezeigt wurde, interviewte der Regisseur Egon Humer vier österreichische Nationalsozialisten, darunter Portschy. Wie die anderen drei auch präsentierte er sich als Unschuldslamm und Opfer (das von den 15 Jahren schweren Kerkers, zu denen er 1949 verurteilt wurde, gerade zwei absitzen musste). Bemerkenswert ist aber eine besondere Erzählung, die diesen Film heute zusätzlich aktuell macht, auch weil ein Teil des Interviews just am 10. November 1989 geführt wurde: »Gestern hab ich geweint in der Nacht im Bett. Ich hab geweint, weil ich die Abgeordneten im Bundestag die Hymne Deutschlands singen gehört hab, mit einer Begeisterung sondergleichen.« Der ehemalige Gauleiter des Burgenlandes und nach dessen Aufteilung ehemalige stellvertretende Gauleiter der Steiermark und programmatische »Endlöser der Zigeunerfrage« war in seinem Wohnzimmer aufgestanden und hatte mitgesungen, wohl zusätzlich auch die nicht mehr offizielle erste Strophe mit »Deutschland über alles«, und malte sich etwas später die Konsequenzen aus dem nun ablaufenden »Fall des Eisernen Vorhangs« aus: »Dann werden die Europäer zu Europäern. Denn die Deutschen waren jahrtausendhindurch die Führung Europas. (…) Der Revisionismus hat eingesetzt, voll. Ich sehe das vor allem im Deutschlandvertrag, ich sehe das im Aufbruch der Völker im Osten (…); unsere Weltanschauung hat gesiegt: Die Völker steh‘n auf! (…) der Russe will Russe sein, der Ungar will Ungar sein, der Pole will Pole sein – wer hat denn das gelehrt?!«
Zu einem allerdings reichte seine prophetische Fantasie nicht aus. Eine Frau als »Führerin Europas« hätte er sich nicht vorstellen können, da er Frauen dafür wenig geeignet hielt. Aber eine ungewählte deutsche Führerin (Führerprinzip?) als Aufrüstungseinpeitscherin wäre ihm sicher auch recht gewesen.