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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Forschende und Helfende

Der »Ermög­li­cher« (Ossietzky 12/​ 2025) und die »Ermög­li­che­rin« (Ossietzky 13/​2025) haben das Pro­blem gemein­sam, dass, wie wir gese­hen haben, ihre sprach­li­che Ver­wen­dung inhalt­li­che Kri­tik her­vor­ru­fen kann.

Ande­re Aus­drücke wie die »Stu­die­ren­den« oder die »For­schen­den« haben die­ses Pro­blem per se nicht. Dafür stellt ihnen aber die Gram­ma­tik – im Bünd­nis mit der Seman­tik – ein Bein. Die­ses Bein wird allen gestellt, die sich der Kunst wid­men, eine zugleich inhalt­lich als auch lin­gu­istisch über­zeu­gen­de gen­der­ge­rech­te Spra­che zu ent­wickeln: Ob Stern­chen, gro­ßes Binnen-»I« oder was es sonst an Ver­su­chen gibt, ein kri­ti­sches Publi­kum für sich zu gewin­nen – an allem wird gemäkelt.

Da schien es eine gute Idee gewe­sen zu sein, es mit dem Par­ti­zip Prä­sens zu ver­su­chen. So ent­stan­den die For­mu­lie­run­gen »die For­schen­den«, »die Stu­die­ren­den« und schließ­lich auch noch »die Hel­fen­den«. Nun schien alles gut.

Doch dann wur­de gefragt: Sind die »For­schen­den« mit den »For­sche­rin­nen und For­schern«, von denen die Rede sein soll­te, iden­tisch, die »Stu­die­ren­den« mit den »Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten« und die »Hel­fen­den« mit den »Hel­fe­rin­nen und Helfern«?

Da muss­te zunächst kon­sta­tiert wer­den, dass aus Sub­stan­ti­ven Par­ti­zi­pi­en gewor­den waren, und nun stell­te sich auch noch her­aus, dass – wie schon der Name sagt – Par­ti­zi­pi­en zudem der Grup­pe der Ver­ben gehö­ren. (Das latei­ni­sche Wort »par­ti­ceps«, von dem das Par­ti­zip sei­nen Namen hat, bedeu­tet näm­lich: »teil­haf­tig sein«, »einen Anteil an etwas haben«.)

So waren, z. B., aus den tem­po­ral nicht ein­ge­schränk­ten »For­sche­rin­nen und For­schern« durch die For­mu­lie­rung »For­schen­de« sol­che gewor­den, die gera­de dabei waren zu for­schen. Das moch­te sich in der Tat so ver­hal­ten, deck­te aber den Anspruch nicht ab, den die län­ge­re, mei­stens auch als beruf­li­che zu ver­ste­hen­de Bezeich­nung »For­sche­rin­nen und For­scher« erhob. Schließ­lich kann das Publi­kum sol­chen Per­so­nen, die – zumin­dest sprach­lich – nicht den Anspruch erhe­ben, dies stän­dig zu tun (den »For­schen­den«), nicht so viel Ver­trau­en ent­ge­gen­brin­gen, wie den »For­sche­rin­nen und For­schern«, die die­sen Anspruch pri­ma vista erhe­ben können.

Wie konn­te es zu die­sem Miss­stand kom­men? Die Ant­wort ist ganz ein­fach: Es war ver­ab­säumt wor­den, sich mit Ari­sto­te­les‘ Aus­ein­an­der­set­zung mit den Mega­ri­kern zu beschäf­ti­gen, die er im 9. Buch sei­ner »Meta­phy­sik« – zumin­dest für einen Meta­phy­si­ker – hef­tig angreift.

Nach deren Auf­fas­sung ist, z. B., einer, »der nicht baut, auch nicht ver­mö­gend (d. h.: poten­zi­ell in der Lage), zu bau­en, son­dern nur der Bau­en­de, solan­ge er baut.« Es fällt auf, dass der Begriff des »Bau­en­den« in der­sel­ben Par­ti­zi­pi­al­form erscheint wie »die For­schen­den«, »die Stu­die­ren­den« oder die »die Hel­fen­den«. Ari­sto­te­les beweist an die­ser Stel­le für einen Meta­phy­si­ker beträcht­li­chen Humor, um sei­ne Kon­tra­hen­ten (er wählt die männ­li­che Form) lächer­lich zu machen. Man spricht heu­te auch vom Pro­blem des »nicht bau­en­den Baumeisters«.

Im Zustand die­ser bedau­erns­wer­ten Mega­ri­ker befin­den sich auch die­je­ni­gen, die, z. B., von »Hel­fen­den« spre­chen. Die Verb­form drückt aus, dass sie es augen­blick­lich tun; was danach geschieht, bleibt offen.

In einem Bericht von NDR info am 18. August waren hier­mit huma­ni­tä­re Hel­fe­rin­nen und Hel­fer gemeint, die getö­tet wor­den oder zumin­dest gefähr­det gewe­sen waren. Die anschlie­ßen­de Mode­ra­ti­on mach­te dem sprach­li­chen Miss­griff ein Ende und sprach von »Hel­fe­rin­nen und Helfern«.