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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Friedensökologische Inkompetenz

Der Bun­des­tag debat­tier­te am 23.5.2025 über eine nach­hal­ti­ge Ener­gie- und Wär­me-Poli­tik. Der CDU-Abge­ord­ne­te Geb­hart plä­dier­te für die CO2-Beprei­sung durch das unbe­ein­fluss­te Wech­sel­spiel von Ange­bot und Nach­fra­ge; der Markt soll das The­ma regeln, nicht eine Plan­wirt­schaft. Lisa Badum begrüß­te für die Bünd­nis­grü­nen die Ori­en­tie­rung am markt­wirt­schaft­li­chen Wech­sel­spiel bei der Preis­bil­dung für CO2-Emis­sio­nen und plä­dier­te dafür, die Ein­nah­men aus der CO2-Beprei­sung für den Kli­ma­schutz zu ver­wen­den. Die SPD-Abge­ord­ne­te Scheer unter­stütz­te die For­de­rung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts, bei der Wär­me­wen­de bes­ser zu werden.

Das sind alles Schau­fen­ster­re­den, die an der Dra­ma­tik der öko­lo­gi­schen Situa­ti­on kom­plett vor­bei­ge­hen. Bei allen Unei­nig­kei­ten in der wis­sen­schaft­li­chen Bewer­tung der öko­lo­gi­schen Gefah­ren muss gel­ten: Solan­ge das Risi­ko eines Kol­lap­ses des Erd­sy­stems im Raum steht, hat jede Poli­tik die Auf­ga­be, Prä­ven­ti­on zu betrei­ben, für den Fall, dass die War­nun­gen sich als berech­tigt erwei­sen. Die Siche­rung der Exi­stenz­be­din­gun­gen muss die Prio­ri­tät Num­mer eins allen gesell­schaft­li­chen und poli­ti­schen Han­delns sein. Es geht dar­um, die Zer­stö­rung des Erd­sy­stems zu verhindern.

Die bri­san­te­sten Gefah­ren unse­rer Epo­che sind die mili­tä­ri­schen und die öko­lo­gi­schen Risi­ken, vor denen auch die Nukle­ar­wis­sen­schaft­ler war­nen, die die Welt­un­ter­gangs­uhr (»Doomsday-Clock«) auf die bedroh­lich­ste Stu­fe seit Hiro­shi­ma gestellt haben. Die­se Gefah­ren kön­nen eine in Mil­lio­nen Jah­ren gewach­se­ne Ent­wick­lung abrupt beenden.

Die über vie­le Pha­sen der Erd­ge­schich­te gewach­se­nen Kreis­läu­fe im Lebens­be­reich der Mensch­heit sind durch ihre eng auf­ein­an­der abge­stimm­ten Teil­pro­zes­se teil­wei­se hoch­emp­find­lich gegen­über anfäng­lich unschein­ba­ren Ver­än­de­run­gen. Ent­schei­dun­gen, die anfangs viel­leicht nur Tei­le des öko­lo­gi­schen Räder­werks aus dem Gleich­ge­wicht brin­gen, ber­gen das anfangs nur schwer zu erken­nen­de Risi­ko, die Natur in ihrer lebens­er­hal­ten­den Gesamt­heit zu gefähr­den. In der Bild­spra­che von Erich Käst­ner geht es dar­um, einen Schnee­ball auf­zu­hal­ten, ehe aus ihm eine Lawi­ne wird, die alles mit sich reißt und nicht mehr unter Kon­trol­le zu brin­gen ist.

Vor­aus­schau­en­des Han­deln beginnt mit dem kri­ti­schen Blick auf die Mei­nungs­ma­che in der Medi­en­welt. Dass die Welt­öf­fent­lich­keit durch staat­li­che Mani­pu­la­ti­on von umsich­ti­gem Han­deln abge­hal­ten wird, wuss­te schon Karl Marx, als er schrieb, dass die jeweils vor­herr­schen­den Gedan­ken die Gedan­ken der Herr­schen­den sind.

So geht etwa die Pro­pa­gan­da vor allem der Nato-Staa­ten im Ukrai­ne­krieg vor. Die Weis­heit, dass ein Krieg immer auch eine Vor­ge­schich­te hat, wird aus­ge­blen­det. Dies zu kri­ti­sie­ren, stellt kei­ne Unter­stüt­zung der rus­si­schen Armee dar, es folgt aller­dings dem frie­dens­po­li­ti­schen Pri­mat der umfas­sen­den Betrach­tung der Teil­pro­zes­se des Gesamt­ge­sche­hens. Und da wird deut­lich, dass die Ver­ant­wort­li­chen die Öffent­lich­keit in ihrem Sinn mani­pu­lie­ren, indem sie den Rechts­bruch euro­päi­scher Ver­trä­ge durch die Nato-Ost­ex­pan­si­on aus­blen­den und der Gegen­sei­te ein­sei­tig einen Expan­si­ons­drang vor­wer­fen, dem die Nato sel­ber folgt. Sie len­ken die Öffent­lich­keit auch noch von Stra­te­gie-Papie­ren ab, in denen sie die Haupt-Ori­en­tie­rung ihrer Hege­mo­nie­po­li­tik gegen Chi­na ent­wickel­ten. Als Bei­spiel sei hier das Papier des Atlan­tic Coun­cil mit dem Titel »Blue­print für stra­te­gi­schen Wett­be­werb« erwähnt. Ein Krieg der USA/​Nato gegen Chi­nas wäre das vor­zei­ti­ge Ende der Mensch­heit, und das wohl noch vor einem mög­li­chen öko­lo­gi­schen Kollaps.

Die Öko­lo­gie gerät der­weil in der Auf­merk­sam­keit der Medi­en und der Bevöl­ke­rung infol­ge der Kriegs-Dar­stel­lun­gen immer wei­ter in den Hin­ter­grund. Dabei zeich­net sich der öko­lo­gi­sche Kol­laps in der Ana­ly­se von Daten aus län­ger­fri­sti­gen Pro­zes­sen deut­lich ab. Was in der Atmo­sphä­re geschieht, betrifft eins von min­de­stens fünf Syste­men im Räder­werk des Erd­sy­stems. Die Teil­kreis­läu­fe spie­len sich in der Land­mas­se, in den Frost- und Per­ma­frost-Gebie­ten, im Meer vom Mee­res­bo­den bis zur Was­ser­ober­flä­che und in atmo­sphä­ri­schen Sphä­ren ab.

Der Rio-Gip­fel 1992, die erste gro­ße Welt­kli­ma­kon­fe­renz, brach­te die Agen­da 2010 mit 27 Grund­sät­zen her­vor, deren ret­ten­de Umset­zung weit­ge­hend aus­steht. Die Beschlüs­se beinhal­te­ten damals kei­ne Maß­nah­men für den Fall, dass sich ein Akteur nicht an die Umwelt­schutz­be­schlüs­se hal­ten wür­de. Ent­spre­chend mas­siv fie­len die Ver­feh­lun­gen in der Fol­ge aus. Die gro­ße Kyo­to-Kli­ma­kon­fe­renz brach­te 1997 das Kyo­to-Pro­to­koll her­vor, in dem sich die Staa­ten auf Emis­si­ons­be­gren­zun­gen geei­nigt hat­ten, die aller­dings mit dem Makel behaf­tet waren, dass auf Druck der USA die mili­tä­ri­schen Emis­sio­nen unbe­rück­sich­tigt blei­ben, um die Hand­lungs­mög­lich­kei­ten der Armeen, hier natür­lich vor allem der US-Armee, nicht zu gefährden.

Die man­geln­de Umset­zung der Beschlüs­se der Pari­ser UN-Kli­ma­kon­fe­renz 2015 knüpft an das inkon­se­quen­te Han­deln der Eli­ten in Staat und Wirt­schaft seit dem Rio-Kli­ma-Gip­fel an. Das laut und offi­zi­ell dekla­rier­te Ziel, die Erd­er­wär­mung unter 1,5-Grad Cel­si­us zu hal­ten oder maxi­mal auf 2 Grad zu begren­zen ist bereits geris­sen. Mit Rasanz nähert sich die glo­ba­le Durch­schnitts­tem­pe­ra­tur bereits jetzt dem Niveau von 1,8 Grad.

Bei 1,8 Grad ist jedoch schon ein Kipp-Punkt erreicht, ab dem das Abster­ben groß­flä­chi­ger Öko­sy­ste­me wie der Koral­len­rif­fe mit ihrer bedeut­sa­men Arten­viel­falt nicht mehr umkehr­bar ist. Län­ge­re Dür­ren in ein­zel­nen Groß­re­gio­nen ereig­nen sich gleich­zei­tig mit Flut­ka­ta­stro­phen in ande­ren Tei­len der bewohn­ten Erd­ober­flä­che, dies u.a. infol­ge der Zunah­me an Ver­dun­stung auf­grund der gestie­ge­nen Tem­pe­ra­tur der Meeresoberfläche.

Das gesam­te Kli­ma­sy­stem zwi­schen dem Äqua­tor und den Pol­kap­pen ver­liert sei­ne gewohn­te Kreis­lauf­sta­bi­li­tät, auf­grund gerin­ge­rer Gegen­sät­ze zwi­schen den im Abschmel­zen begrif­fe­nen Pol­kap­pen und dem Äqua­tor redu­ziert sich der atmo­sphä­ri­sche Jet­stream, sodass es zu län­ge­ren Peri­oden sta­bi­ler Wet­ter­ereig­nis­se wie Trocken­hei­ten einer­seits und Nie­der­schlags­reich­tum anders­wo ande­rer­seits kommt.

Die Nah­rungs­ver­sor­gung und gene­rell die Lie­fer­ket­ten der Mensch­heit sind durch die­se Ent­wick­lun­gen mas­siv gefähr­det, gro­ße Berei­che der Erde wer­den unbe­wohn­bar. In der Fol­ge häu­fen sich Flucht­be­we­gun­gen, somit stei­gen Span­nun­gen im Kampf um Was­ser wie auch in der Abwehr von Schutzsuchenden.

Die rei­chen Staa­ten kön­nen sich viel­leicht eine Wei­le dage­gen abschot­ten, Res­sour­cen­krie­ge wer­den ent­spre­chend wahr­schein­li­cher. Laut Oxfam schä­digt das reich­ste Pro­zent der Welt­be­völ­ke­rung das Kli­ma aktu­ell dop­pelt so stark wie die ärme­re Hälf­te der Welt. Die sich immer mas­si­ver auf­bau­en­de öko­lo­gi­sche Kata­stro­phe ist kei­ne rei­ne Umwelt-The­ma­tik, sie steht auch im Zusam­men­hang mit den Unge­rech­tig­kei­ten zwi­schen Arm und Reich. Auch die sozia­le Kluft ist kei­ne rei­ne Nord-Süd-Fra­ge, son­dern auch ein Skan­dal der unglei­chen Ver­mö­gens­ver­tei­lung in den so genann­ten Industriestaaten.

Die Super­rei­chen berei­chern sich auch an den Pro­fi­tra­ten der Rüstungs­kon­zer­ne, die beson­de­re Ren­di­te­aus­sich­ten eröff­nen, wenn die Öko­no­mie des Neo­li­be­ra­lis­mus in Kri­sen auf- und abdrif­tet, da Rüstungs­lie­fe­run­gen auf lang­fri­sti­gen Ver­trä­gen mit staat­li­chen Behör­den fußen, wäh­rend das All­tags­ge­schäft an den Bör­sen und auf den Märk­ten der Welt in kur­zen Zeit­räu­men abge­wickelt wird.

Ex-US-Prä­si­dent Eisen­hower hat­te in sei­ner Abschieds­re­de 1960 zu Recht vor dem mili­tä­risch-indu­stri­el­len Kom­plex gewarnt: »In den Regie­rungs­rä­ten müs­sen wir uns davor schüt­zen, dass der mili­tä­risch-indu­stri­el­le Kom­plex unge­recht­fer­tig­ten Ein­fluss erlangt, egal, ob er gesucht oder nicht gewünscht wird. Das Poten­zi­al für den kata­stro­pha­len Auf­stieg fehl­ge­lei­te­ter Macht besteht und wird bestehen blei­ben. Wir dür­fen nie­mals zulas­sen, dass das Gewicht die­ser Kom­bi­na­ti­on unse­re Frei­hei­ten oder demo­kra­ti­schen Pro­zes­se gefährdet.«

Die Bedeu­tung die­ser War­nung unter­streicht der Fakt, dass die Staa­ten der Welt ein Viel­fa­ches des­sen, was sie für Ent­wick­lung aus­ge­ben, in den Mili­tär­sek­tor inve­stie­ren. Die Mensch­heit hat aber nur dann eine Chan­ce auf ihr Über­le­ben, wenn sie die von der Nato prak­ti­zier­te Stra­te­gie der Abschreckung und der welt­wei­ten Ver­brei­tung von Mili­tär­ba­sen zugun­sten der UNO-Char­ta umkehrt. Die UNO-Char­ta wur­de als Reak­ti­on auf den Zwei­ten Welt­krieg noch 1945 beschlos­sen, in ihr geht es um eine Welt­frie­dens­ord­nung in gemein­sa­mer, weil gegen­sei­ti­ger Sicher­heit und nicht um Abschreckung eines Teils der Staa­ten der Welt gegen einen anderen.

Zusam­men­fas­send gilt: Nach­hal­tig­keit im Sin­ne der Bewah­rung der Lebens­grund­la­gen der Mensch­heit ist nur mit einer umfas­sen­den, ent­schie­de­nen und koope­ra­ti­ven Frie­dens­po­li­tik erreichbar.