Der Vietnamkrieg endete 1975. Um dem Elend des kriegszerstörten Landes und dem siegreichen kommunistischen Regime zu entkommen, wagten rund anderthalb Millionen Vietnamesen die Flucht übers offene Meer. Am 3. Dezember 1978 kamen die ersten so genannten »Boat People« in Deutschland an. Dank der Initiative des niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Als die Bilder von den entkräfteten Flüchtlingen, die nahe den Küsten Malaysias oder Thailands unter menschenunwürdigen Zuständen auf ihren Schiffen oder in überfüllten Lagern ausharren mussten, um die Welt gingen, entschied Albrecht spontan und im Kreis seiner Familie, die ersten 1.000 »Boat People« in seinem Bundesland aufzunehmen und schickte seinen Minister Wilfried Hasselmann nach Malaysia, um zunächst 163 Flüchtlinge von der schrottreifen »Hai Hong« abzuholen: »Es war ein ganz trauriges Bild, wenn ich es so sagen darf, für uns alle, in solchem Zustand, verhungert, ängstlich, leise, kein lautes Wort, auch ungewiss, in welche Zukunft sie jetzt kommen, aber doch dankbar, dass sie vom Schiff weg waren.«
Die Ankunft der Vietnamesen in Hannover geriet zu einem Medienereignis. Eingehüllt in Decken des Roten Kreuzes, wurde den übermüdeten Flüchtlingen in der Flughafenhalle an weiß gedeckten Tischen Suppe, Tee und Obst serviert. Einige Flüchtlinge, gezeichnet von Hunger, Durst und Verbrennungen, brachte man ins Krankenhaus. Die anderen fuhren in das Durchgangslager Friedland.
Den ersten 163 Flüchtlingen folgten schließlich insgesamt knapp 40.000, darunter 10.000, die von dem Frachter »Cap Anamur« gerettet wurden. Der Kölner Journalist Rupert Neudeck und seine Ehefrau Christel hatten Anfang 1979 die Initiative »Ein Schiff für Vietnam« gegründet, um – mit der Unterstützung von prominenten Politikern und Schriftstellern wie Norbert Blüm, Martin Walser und Heinrich Böll – ein großes Schiff zu chartern und möglichst viele Flüchtlinge aus Vietnam aufzunehmen.
Den Vietnamesen blieb im Rahmen dieser humanitären Hilfsaktion ein langes Asylverfahren erspart, im Unterschied zu politischen Flüchtlingen zum Beispiel aus Chile, Argentinien oder dem Nahen Osten, denen keine Vorzugsbehandlung gewährt wurde, weil sie nicht vor einem kommunistischen Regime geflohen waren, sondern wie die Flüchtlinge aus Chile vor rechten Putschisten, unterstützt von den USA. Ein entsprechendes Gesetz privilegierte Kontingentflüchtlinge wie die »Boat People« gegenüber Asylbewerbern und begünstigte sie bei Sprachkursen sowie der Arbeits- und Wohnungssuche. Unter diesen Voraussetzungen, gepaart mit hoher Bildungsbereitschaft und dem Wunsch nach gesellschaftlicher Eingliederung, gelang vielen Vietnamesen der wirtschaftliche und soziale Aufstieg.