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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Hauptstädtisches Dramolett

Ein Bun­des­be­auf­trag­ter sitzt vor der drit­ten Tas­se Kaf­fee und will sich ent­schei­den, wor­an er sich erin­nern soll. Gleich kommt sein erster Gast, er leert die Tas­se und bestellt die näch­ste. Dane­ben am Zwei­er­tisch eine Frau. Ein Mann tritt dazu.

Mann: Ent­schul­di­gung, ich wür­de Sie gern anspre­chen. Hät­ten Sie eine Idee, wie ich das hin­krie­gen soll?
Frau: Ja.
Mann: Pri­ma.
Frau: Wie­so?
Mann: Na, dass Sie mir hel­fen wollen.
Frau: Habe ich das gesagt? Sie müs­sen schon selb­stän­di­ger wer­den. Hier. Mein Buch. Lesen Sie es. Dann wis­sen Sie alles über Frauen.
Mann: Toll. Ein Buch. Für mich. Wol­len wir uns nicht duzen?
Frau: Es kostet 24 €. Es ist mein vor­letz­tes. Dafür bekom­men Sie es signiert. Und du darfst »Du« zu mir sagen und musst gleich gehen.
Mann: Siehst gut aus. So aktiv. Hier das Geld. Kau­fe eigent­lich nur Taschen­bü­cher. Wenn ich dei­ne Tele­fon­num­mer bekom­me, zah­le ich auch.
Frau: Hier. Eine Num­mer. (Ruft zum Kell­ner: Der Herr zahlt). Also, ruf an, wenn das Buch aus­ge­le­sen ist.
Mann: Ganz schön dick. Dei­ne Wid­mung ist schwer zu entziffern.
Frau: Bücher sind eben vol­ler Rät­sel. Denk an unse­re Abmachung.
Mann: Ja. Ich gehe. Scha­de, dass du schon einen Freund hast. Ich rufe trotz­dem an. (Geht ab)
Ande­rer Mann kommt: Hallöchen. Bekom­me ich auch ein Date? Auch mit Buch.
Frau: Du willst unbe­dingt was von mir? Bit­te. (Es klatscht zweimal)
Mann: Ohr­fei­gen. Bes­ser als gar kei­nen Körperkontakt.
Frau: Nun das Buch. 24 €. Ich signie­re natür­lich. In Erin­ne­rung an eine kur­ze, kräf­ti­ge Beziehung.
Mann: Mein letz­tes Geld. Ich sage nichts mehr. Es brennt rich­tig. Für die Durch­blu­tung gesund.
Frau: Auf nicht so schnel­les Wie­der­se­hen. Mei­nun­gen zum Buch über den Ver­lag an mich schicken.
Mann: Tschüss. Der Satz mit dem Kör­per­kon­takt war gut. Bin nach Ber­lin gezo­gen, um mit schrei­ben zu beginnen.
Frau: Das Prin­zip Hoffnung.
Mann: Ich betex­te die Luft, damit im Unsicht­ba­ren Wor­te wir­ken. (Geht.)
Frau 2: Ent­schul­di­gung, ich set­ze mich nur kurz zu Ihnen. Ich habe alles gehört und mit­ge­schrie­ben. Das war Spit­ze, ihre Dia­lo­ge. So muss man die Män­ner behan­deln. Zwei Bücher in fünf Minu­ten, Klas­se. Ich bin auch Autorin. Kann ich Ihr Buch sehen. Konn­te den Umschlag nicht erken­nen. Kau­fe es Ihnen ab. Hier die zwan­zig, den Rest dür­fen Sie behalten.
Frau 1: Jetzt sind sie wirk­lich alle. Ein erfolg­rei­cher Tag. Liegt auch am Kli­ma. Es gibt wirk­lich ein Anmachwetter.
Frau 2: Na, wer so gut aus­sieht wie – das ist ja mein Buch?!
Frau 1: Oh. Freut mich, Sie zu tref­fen. Hat mir gut gefal­len. Ich beschloss, ab und zu so zu tun, als ob ich Sie wäre. Ich wechs­le ins du?
Frau 2: Das kostet nur 18 €!
Frau 1: Will dich nicht unter Wert ver­kau­fen. Ich tue, als ob ich du wäre und bekom­me Autoren­ra­batt. Ich habe schon zwei Ein­la­dun­gen zu Lesungen.
Frau 2: Umar­men oder ohr­fei­gen? Das ist hier die Fra­ge. Ich bin sprachlos.
Frau 1: Das ist nicht gut für eine Autorin. Ich habe Ideen. Wir müs­sen uns noch ein­mal tref­fen. Ich lie­fe­re Geschichten.
Frau 2: Trin­ken wir einen Wod­ka? Ich ver­schen­ke mei­nen Namen. Oder ver­stei­ge­re ich ihn?
Frau 1: Zuerst noch ein Auto­gramm. Ja. Hier­her. Wo ein Wil­le ist, ist auch ein Drink. Mir fällt kei­ne rich­ti­ge Poin­te ein. Willst Du mich ein­la­den? Hal­lo, Hey!

Frau 2 hat einen wich­ti­gen Anruf bekom­men, geht eif­rig tele­fo­nie­rend ab, küm­mert sich nicht mehr um die Frau 1.

Der Bun­des­be­auf­trag­te tritt an ihren Tisch und leiht sich einen Kugel­schrei­ber. Kon­zen­triert sich auf dem Rück­weg, nicht zu ver­ges­sen, was er sich mer­ken woll­te. Schreibt es auf und bringt den Kugel­schrei­ber zurück.

Zurück an sei­nem Tisch kommt der Besu­cher, er winkt ihn an. Der ande­re nickt freund­lich, steu­ert auf einen ande­ren Tisch zu. Die Kell­ne­rin bringt die vier­te Tas­se, ser­viert ein Lächeln im all­ge­mei­nen Acht­sam­keits­wett­be­werb um glaub­haf­te Freundlichkeitsimitation.