Thomas Bachmann schreibt klar, knapp, deutlich. Zudem bleibt er beharrlich, ist unbeirrbar, ehrlich und eindringlich. Ein kritisch wacher Chronist seiner Zeit. Dies gilt für seine Prosa wie z. B. die kneipenphilosophischen Betrachtungen, und es gilt ganz besonders für seine Lyrik.
Es sind feinfühlige Wahrnehmungen, oft nüchtern abgeklärte Beobachtungen des banalen Alltags in diesem Land und unserer Zeit, die sich als roter Faden durch die 180 Seiten des neuen, nunmehr vierten Lyrikbandes Übers Jahr ziehen. Es beginnt mit einer einfachen Bestandsaufnahme, einem Eingeständnis unter der Überschrift Ich geb’s ja zu:
»es fällt mir schwer / zu funktionieren / wie gewünscht / im Hamsterrad zu / laufen, dies und das / dazu zu kaufen / mich wie üblich / dann und wann / gründlich zu besaufen / und ansonsten still / und fein ein / Wackelkopf zu sein / der bei jedem / Schlagloch nickt / tut mir leid, ich / krieg’s nicht hin.«
In seiner Lyrik aber schafft Thomas Bachmann es immer wieder neu, den richtigen Dreh zu finden und es lyrisch hinzukriegen, ob gereimt oder ungereimt die richtigen Schlüsse zu ziehen. Ob balladenhaft erzählend oder kurz und knapp, präzise auf den Punkt gebracht. Stets bietet der Leipziger Multikünstler seinen Leserinnen und Lesern wohldosierte lyrische Heilmittel gegen manche Krankheit, so gegen Feinddenken und Krieg:
»Der Feind ist der Feind / und wenn er Lieder singt / so ist das grässlich, und / wenn er Klavier spielt / so ist das unerhört, und / wenn er Frieden wünscht / so ist das verschlagen / der Feind ist der Feind.«
Über 138 seiner feinen Wortgefüge hat Thomas Bachmann hier zusammengetragen, Gedichte über Abend und Morgen, über Tagesgeschehen und Jahresläufe, über menschliche Tugenden und Schwächen, Frieden und Krieg, gebeutelte Umwelt und Natur.
»Geruhsam / geht der Abend / in die Nacht hinüber / als ein hagerer Mann / mit ruhigem Schritt / hält er an seiner Hand / schon das Kind / des kommenden Tags / Abschied und Gruß / zugleich. / Schau, wie er geht / der Vater, und wie / schön er ist. / Und wie die Nacht / die Mutter das Kind / wachsen lässt.«
Frank Schumann vom Berliner Verlag am Park zählt als Verleger der nunmehr vier Übers Jahr-Lyrikbände und der von Thomas Bachmann betreuten Anthologie-Reihe Schlafende Hunde gewiss zu denjenigen, die immer noch auf die Heilkräfte der Literatur generell setzen, und Rainer Maria Rilkes Wort von der Lyrik als probates Heilmittel gegen die nüchterne Unrast der Zeit gilt nicht nur für deren unbeirrbare Verfasser wie dem Literaten und Musiker Thomas Bachmann, dessen aktuelle Lyrik der geneigten Leserschaft wieder jede Menge Gedankengewinn und wohldosierte, geeignete Heilkräfte liefert zum täglichen Gebrauch.
Thomas Bachmann: Übers Jahr IV, Gedichte & Lieder 2024/25, Verlag am Park, Berlin 2025, 185 S., 15 €.