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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Heimatschutz: Zeitenwende von unten

Jetzt ist sie da. Mit Datum 14. März 2025 wur­de die Hei­mat­schutz­di­vi­si­on »in Dienst gestellt«, wie die Tages­schau am sel­ben Tag mel­de­te. Auf ihrer Web­sei­te heißt es wei­ter: »Der Inspek­teur des Hee­res, Gene­ral­leut­nant Alfons Mais, voll­zog den Schritt bei einem Appell in der Juli­us-Leber-Kaser­ne in Ber­lin. Die Divi­si­on ist der vier­te Groß­ver­band des Heeres.«

Hei­mat­schutz? Home­land Secu­ri­ty? Ist das nicht die­se Behör­de in den USA, die nach den Anschlä­gen auf das World-Trade-Cen­ter 2001 in New York gebil­det wur­de? Und die in jeder US-Kri­mi­se­rie irgend­wann als über­all Ver­schwö­run­gen ver­mu­ten­de Gur­ken­trup­pe dar­ge­stellt wird?

Zur deut­schen Vari­an­te schreibt die Bun­des­wehr: »Der Begriff Hei­mat­schutz beschreibt den Schutz und die Ver­tei­di­gung des eige­nen Staats­ge­biets.« Und wei­ter: »Dabei geht es nicht nur um mili­tä­ri­sche Bedro­hun­gen.« Bereits kurz nach Grün­dung der Bun­des­wehr wur­de in den 1960er Jah­ren ihr Ein­satz bei Natur- und ande­ren Kata­stro­phen vom Gesetz­ge­ber geregelt.

2016 wur­de der »Zivil­schutz« neu orga­ni­siert. Seit­her sind Bun­des­wehr­an­ge­hö­ri­ge bis hin­un­ter in die Kreis­ebe­ne in die Kata­stro­phen­schutz­plä­ne inte­griert und arbei­ten dort mit Behör­den, Poli­zei, Tech­ni­schem Hilfs­werk THW, Feu­er­wehr und Ret­tungs­dien­sten zusam­men. Die Armee »kann sich (…) schon jetzt auf ein Netz­werk aus 16 Lan­des­kom­man­dos am Sitz der jewei­li­gen Lan­des­re­gie­rung, 37 Bezirks­ver­bin­dungs­kom­man­dos in allen Regie­rungs­be­zir­ken und 448 Kreis­ver­bin­dungs­kom­man­dos in allen Land­krei­sen und kreis­frei­en Städ­ten stützen«.

Die Hel­fer in Flecktarn­uni­form sind immer häu­fi­ger bei den Übun­gen für grö­ße­re Hilfs­ein­sät­ze – soge­nann­te »Groß­la­gen« – zu sehen. Wo da die Hil­fe der Bun­des­wehr für die Zivil­schutz­kräf­te beginnt und wo bereits die Hil­fe aus der Zivil­ge­sell­schaft für die Bun­des­wehr Inhalt der gemein­sa­men Übun­gen ist, lässt sich immer öfter nicht mehr auseinanderhalten.

»Wegen der ver­än­der­ten Sicher­heits­la­ge nach dem rus­si­schen Angriff auf die Ukrai­ne hat der Hei­mat­schutz mehr Bedeu­tung bekom­men und soll ver­stärkt wer­den«, erklärt der Tages­schau Arti­kel und zitiert Alt­bun­des­prä­si­dent Joa­chim Gauck, der zur Indienst­stel­lung des neu­en Groß­ver­ban­des gekom­men war: »Jetzt ist die Zeit für eine Hal­tung der Ent­schlos­sen­heit, der Wehr­haf­tig­keit, der Ver­ant­wor­tung. Und die­se Hal­tung muss aus der Mit­te der Gesell­schaft kom­men und von ihr gestützt werden.«

Damit sind wir beim Kern des­sen, was bereits seit eini­ger Zeit mit dem Auf­bau von Hei­mat­schutz­kom­pa­nien, mit »Part­ner­schaf­ten für den Hei­mat­schutz« und mit gemein­sa­men Übun­gen von Mili­tär und zivi­len Stel­len ange­strebt wird. Im Span­nungs-, Kri­sen- und Kriegs­fall soll die gesam­te Gesell­schaft »kriegs­tüch­tig« sein und das Mili­tär bei der »Ter­ri­to­ri­al­ver­tei­di­gung« unter­stüt­zen. Schon seit 2021 kön­nen sich frei­wil­li­ge Wehr­dienst­lei­sten­de im Rah­men des Pro­jekts »Dein Jahr für Deutsch­land« zu »Hei­mat­schüt­zern« aus­bil­den las­sen. Das hes­si­sche Lan­des­kom­man­do der Bun­des­wehr etwa ver­folgt ein Pro­gramm, um mehr Per­so­nal in die Hei­mat­schutz­kom­pa­nien zu bekom­men: »Part­ner­schaft mit der Bun­des­wehr« rich­tet sich an die zivi­len Behör­den und an pri­vat­wirt­schaft­li­che Unter­neh­men. Sofern deren Beschäf­tig­te sich zum Reser­ve­dienst mel­den, kön­nen sie in ihren sechs Jah­ren Dienst­pflicht zwei Wochen pro Jahr für Übun­gen oder Dien­ste frei­ge­stellt wer­den. Die Bun­des­wehr über­nimmt die Kosten.

Das zeigt dop­pel­te Wir­kung. Denn fast jeder Abschluss einer Part­ner­schaft wird durch gro­ße Arti­kel in der loka­len Pres­se bekannt gemacht, flan­kiert durch wei­te­re Bericht­erstat­tung über die »gestei­ger­ten Bedro­hungs­la­ge« – wes­halb die Kräf­te des Hei­mat­schut­zes gestärkt wer­den müssten.

Die Divi­si­on Hei­mat­schutz gehört zum Heer, das eine Teil­streit­kraft in der neu­en Bun­des­wehr­struk­tur ist. Sei­ne Auf­ga­ben: Part­ner im Kata­stro­phen­schutz in Frie­dens­zei­ten. Im Kri­sen- und Kriegs­fall soll sie sicher­stel­len, dass Deutsch­land als Ope­ra­ti­ons­ba­sis und logi­sti­sche Dreh­schei­be für die Nato funk­tio­niert. Es gibt 42 Hei­mat­schutz­kom­pa­nien deutsch­land­weit, die bis­her den 16 Lan­des­kom­man­dos der Bun­des­wehr unter­stellt waren. Im Herbst 2024 wur­de in Wies­ba­den das Hes­si­sche Hei­mat­schutz­re­gi­ment als fünf­tes sei­ner Art gegrün­det. Das sech­ste wird der­zeit in Sach­sen-Anhalt vorbereitet.

Für die nun »in Dienst gestell­te« Hei­mat­schutz­di­vi­si­on sind aktu­ell 6.000 Stel­len ein­ge­plant, die zu 80 Pro­zent mit Reser­vi­sten besetzt wer­den. Der Kom­man­deur der neu­en Divi­si­on, Gene­ral­ma­jor Andre­as Hen­ne meint, nötig sei­en aber deut­lich mehr – und eine umfang­rei­che­re Prä­senz in der Flä­che. Er hofft auf die neue Wehr­pflicht und über­legt: »Alle die­je­ni­gen, die maxi­mal elf Mona­te bei der Bun­des­wehr blei­ben wol­len, sol­len in den Hei­mat­schutz gehen.«

Er sieht nicht nur da eine posi­ti­ve Ent­wick­lung. »Bis­her war schon die Lage­rung von Waf­fen für die Hei­mat­schutz­kom­pa­nien und -regi­men­ter ein grö­ße­res Pro­blem, da sie als Reser­ve for­mal kei­ne Infra­struk­tur begrün­den konn­ten. Mit der Auf­stel­lung einer eige­nen Hei­mat­schutz­di­vi­si­on des Hee­res soll das anders wer­den.« Denn im Ernst­fall müss­ten die Hei­mat­schüt­zer auch kurz­fri­stig alar­miert, gemein­sam und bewaff­net in einen Ein­satz gehen kön­nen: »Unser Schwer­punkt ist es, einen zeit­ge­rech­ten Auf­marsch der Nato mög­lich zu machen. Dar­in ent­hal­ten ist der Schutz der kri­ti­schen Infra­struk­tur, Auto­bahn­brücken, Kraft­wer­ke, auch Ser­ver­far­men, die in erster Linie mili­tä­ri­schen Gesichts­punk­ten unter­lie­gen«, wird der Gene­ral­ma­jor in der Wet­ter­au­er Zei­tung zitiert.

Im Kri­sen- und Kriegs­fall besteht die ent­schei­den­de Auf­ga­be des Hei­mat­schut­zes dar­in, Deutsch­lands Funk­ti­on als Ope­ra­ti­ons­ba­sis und Dreh­schei­be für die Nato sicher­zu­stel­len. Zen­tral dafür ist die vor­be­halt­lo­se Unter­stüt­zung der Bun­des­wehr aus der Zivil­ge­sell­schaft. So wol­len es die Natio­na­le Sicher­heits­stra­te­gie und der 1000-sei­ti­ge gehei­me Ope­ra­ti­ons­plan Deutsch­land. Dar­in gibt es wohl genaue­re Aus­füh­run­gen, wie die Stra­te­gen in Mili­tär und Poli­tik die­se »kriegs­tüch­ti­ge« Gesamt­ge­sell­schaft in ihre Pla­nun­gen ein­be­zie­hen. Die recht­li­chen Grund­la­gen für den Zugriff auf die Staatsbürger:innen und ihr Hab und Gut wur­den seit Ver­ab­schie­dung der Not­stands­ge­set­ze 1968 in etli­chen Geset­zen und Ver­ord­nun­gen fixiert. Die­se wer­den gera­de kri­tisch über­prüft und gege­be­nen­falls an die neu­en Anfor­de­run­gen angepasst.

Erst kürz­lich erschien mit dem »Grün­buch 4.0 ZMZ« eine Ana­ly­se sol­cher Zivil-Mili­tä­ri­schen Zusam­men­ar­beit, der Her­an­zie­hung von Zivil­per­so­nen in die mili­tä­ri­sche Logi­stik. Das »Grün­buch« wur­de von einem Kern­team aus 20 Per­so­nen erstellt – meh­re­re Mili­tärs, Ver­tre­ter von Bun­des- und Lan­des­mi­ni­ste­ri­en und von drei Ver­fas­sungs­schutz­äm­tern sowie Mit­ar­bei­tern einer Bera­tungs­fir­ma – im Auf­trag von fünf Abge­ord­ne­ten des Bun­des­ta­ges. Auf ca. 60 Sei­ten wird in der Ana­ly­se eini­ger Berei­che zusam­men­ge­fasst, wie zivi­le Behör­den, Blau­licht­or­ga­ni­sa­tio­nen, Pri­vat­un­ter­neh­men und Zivil­per­so­nen ein­ge­bun­den wer­den. Das reicht von Bewa­chung »kri­ti­scher« Infra­struk­tur über die Unter­stüt­zung von Trup­pen beim Durch­marsch und die Ver­sor­gung Ver­letz­ter bis hin zur Ver­hin­de­rung von Sabo­ta­ge. Auch die Über­wa­chung der Bevöl­ke­rung und die Unter­drückung von Pro­te­sten sind nicht ausgespart.

Ger­man For­eign Poli­cy fass­te zusam­men: »Die Grün­buch-Autoren drin­gen dar­auf, orga­ni­sa­to­ri­sche Vor­be­rei­tun­gen schon jetzt zu tref­fen und nach Mög­lich­keit auch Kapa­zi­tä­ten zu schaf­fen, all dies nicht zuletzt unter Her­an­zie­hung von Zivi­li­sten. Zudem neh­men sie Maß­nah­men in den Blick, um im Kri­sen- und Kriegs­fall Pro­test und Wider­stand zu bekämpfen.«

Dass man nun nicht mehr nur die Hil­fe der Bun­des­wehr für zivi­le Behör­den übe, son­dern auch die Unter­stüt­zung der Behör­den und Orga­ni­sa­tio­nen für die Bun­des­wehr, das sei, so ein lei­ten­der Offi­zier des Reser­ve­kom­man­dos, die »Zei­ten­wen­de von unten«.