Jetzt ist sie da. Mit Datum 14. März 2025 wurde die Heimatschutzdivision »in Dienst gestellt«, wie die Tagesschau am selben Tag meldete. Auf ihrer Webseite heißt es weiter: »Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, vollzog den Schritt bei einem Appell in der Julius-Leber-Kaserne in Berlin. Die Division ist der vierte Großverband des Heeres.«
Heimatschutz? Homeland Security? Ist das nicht diese Behörde in den USA, die nach den Anschlägen auf das World-Trade-Center 2001 in New York gebildet wurde? Und die in jeder US-Krimiserie irgendwann als überall Verschwörungen vermutende Gurkentruppe dargestellt wird?
Zur deutschen Variante schreibt die Bundeswehr: »Der Begriff Heimatschutz beschreibt den Schutz und die Verteidigung des eigenen Staatsgebiets.« Und weiter: »Dabei geht es nicht nur um militärische Bedrohungen.« Bereits kurz nach Gründung der Bundeswehr wurde in den 1960er Jahren ihr Einsatz bei Natur- und anderen Katastrophen vom Gesetzgeber geregelt.
2016 wurde der »Zivilschutz« neu organisiert. Seither sind Bundeswehrangehörige bis hinunter in die Kreisebene in die Katastrophenschutzpläne integriert und arbeiten dort mit Behörden, Polizei, Technischem Hilfswerk THW, Feuerwehr und Rettungsdiensten zusammen. Die Armee »kann sich (…) schon jetzt auf ein Netzwerk aus 16 Landeskommandos am Sitz der jeweiligen Landesregierung, 37 Bezirksverbindungskommandos in allen Regierungsbezirken und 448 Kreisverbindungskommandos in allen Landkreisen und kreisfreien Städten stützen«.
Die Helfer in Flecktarnuniform sind immer häufiger bei den Übungen für größere Hilfseinsätze – sogenannte »Großlagen« – zu sehen. Wo da die Hilfe der Bundeswehr für die Zivilschutzkräfte beginnt und wo bereits die Hilfe aus der Zivilgesellschaft für die Bundeswehr Inhalt der gemeinsamen Übungen ist, lässt sich immer öfter nicht mehr auseinanderhalten.
»Wegen der veränderten Sicherheitslage nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hat der Heimatschutz mehr Bedeutung bekommen und soll verstärkt werden«, erklärt der Tagesschau Artikel und zitiert Altbundespräsident Joachim Gauck, der zur Indienststellung des neuen Großverbandes gekommen war: »Jetzt ist die Zeit für eine Haltung der Entschlossenheit, der Wehrhaftigkeit, der Verantwortung. Und diese Haltung muss aus der Mitte der Gesellschaft kommen und von ihr gestützt werden.«
Damit sind wir beim Kern dessen, was bereits seit einiger Zeit mit dem Aufbau von Heimatschutzkompanien, mit »Partnerschaften für den Heimatschutz« und mit gemeinsamen Übungen von Militär und zivilen Stellen angestrebt wird. Im Spannungs-, Krisen- und Kriegsfall soll die gesamte Gesellschaft »kriegstüchtig« sein und das Militär bei der »Territorialverteidigung« unterstützen. Schon seit 2021 können sich freiwillige Wehrdienstleistende im Rahmen des Projekts »Dein Jahr für Deutschland« zu »Heimatschützern« ausbilden lassen. Das hessische Landeskommando der Bundeswehr etwa verfolgt ein Programm, um mehr Personal in die Heimatschutzkompanien zu bekommen: »Partnerschaft mit der Bundeswehr« richtet sich an die zivilen Behörden und an privatwirtschaftliche Unternehmen. Sofern deren Beschäftigte sich zum Reservedienst melden, können sie in ihren sechs Jahren Dienstpflicht zwei Wochen pro Jahr für Übungen oder Dienste freigestellt werden. Die Bundeswehr übernimmt die Kosten.
Das zeigt doppelte Wirkung. Denn fast jeder Abschluss einer Partnerschaft wird durch große Artikel in der lokalen Presse bekannt gemacht, flankiert durch weitere Berichterstattung über die »gesteigerten Bedrohungslage« – weshalb die Kräfte des Heimatschutzes gestärkt werden müssten.
Die Division Heimatschutz gehört zum Heer, das eine Teilstreitkraft in der neuen Bundeswehrstruktur ist. Seine Aufgaben: Partner im Katastrophenschutz in Friedenszeiten. Im Krisen- und Kriegsfall soll sie sicherstellen, dass Deutschland als Operationsbasis und logistische Drehscheibe für die Nato funktioniert. Es gibt 42 Heimatschutzkompanien deutschlandweit, die bisher den 16 Landeskommandos der Bundeswehr unterstellt waren. Im Herbst 2024 wurde in Wiesbaden das Hessische Heimatschutzregiment als fünftes seiner Art gegründet. Das sechste wird derzeit in Sachsen-Anhalt vorbereitet.
Für die nun »in Dienst gestellte« Heimatschutzdivision sind aktuell 6.000 Stellen eingeplant, die zu 80 Prozent mit Reservisten besetzt werden. Der Kommandeur der neuen Division, Generalmajor Andreas Henne meint, nötig seien aber deutlich mehr – und eine umfangreichere Präsenz in der Fläche. Er hofft auf die neue Wehrpflicht und überlegt: »Alle diejenigen, die maximal elf Monate bei der Bundeswehr bleiben wollen, sollen in den Heimatschutz gehen.«
Er sieht nicht nur da eine positive Entwicklung. »Bisher war schon die Lagerung von Waffen für die Heimatschutzkompanien und -regimenter ein größeres Problem, da sie als Reserve formal keine Infrastruktur begründen konnten. Mit der Aufstellung einer eigenen Heimatschutzdivision des Heeres soll das anders werden.« Denn im Ernstfall müssten die Heimatschützer auch kurzfristig alarmiert, gemeinsam und bewaffnet in einen Einsatz gehen können: »Unser Schwerpunkt ist es, einen zeitgerechten Aufmarsch der Nato möglich zu machen. Darin enthalten ist der Schutz der kritischen Infrastruktur, Autobahnbrücken, Kraftwerke, auch Serverfarmen, die in erster Linie militärischen Gesichtspunkten unterliegen«, wird der Generalmajor in der Wetterauer Zeitung zitiert.
Im Krisen- und Kriegsfall besteht die entscheidende Aufgabe des Heimatschutzes darin, Deutschlands Funktion als Operationsbasis und Drehscheibe für die Nato sicherzustellen. Zentral dafür ist die vorbehaltlose Unterstützung der Bundeswehr aus der Zivilgesellschaft. So wollen es die Nationale Sicherheitsstrategie und der 1000-seitige geheime Operationsplan Deutschland. Darin gibt es wohl genauere Ausführungen, wie die Strategen in Militär und Politik diese »kriegstüchtige« Gesamtgesellschaft in ihre Planungen einbeziehen. Die rechtlichen Grundlagen für den Zugriff auf die Staatsbürger:innen und ihr Hab und Gut wurden seit Verabschiedung der Notstandsgesetze 1968 in etlichen Gesetzen und Verordnungen fixiert. Diese werden gerade kritisch überprüft und gegebenenfalls an die neuen Anforderungen angepasst.
Erst kürzlich erschien mit dem »Grünbuch 4.0 ZMZ« eine Analyse solcher Zivil-Militärischen Zusammenarbeit, der Heranziehung von Zivilpersonen in die militärische Logistik. Das »Grünbuch« wurde von einem Kernteam aus 20 Personen erstellt – mehrere Militärs, Vertreter von Bundes- und Landesministerien und von drei Verfassungsschutzämtern sowie Mitarbeitern einer Beratungsfirma – im Auftrag von fünf Abgeordneten des Bundestages. Auf ca. 60 Seiten wird in der Analyse einiger Bereiche zusammengefasst, wie zivile Behörden, Blaulichtorganisationen, Privatunternehmen und Zivilpersonen eingebunden werden. Das reicht von Bewachung »kritischer« Infrastruktur über die Unterstützung von Truppen beim Durchmarsch und die Versorgung Verletzter bis hin zur Verhinderung von Sabotage. Auch die Überwachung der Bevölkerung und die Unterdrückung von Protesten sind nicht ausgespart.
German Foreign Policy fasste zusammen: »Die Grünbuch-Autoren dringen darauf, organisatorische Vorbereitungen schon jetzt zu treffen und nach Möglichkeit auch Kapazitäten zu schaffen, all dies nicht zuletzt unter Heranziehung von Zivilisten. Zudem nehmen sie Maßnahmen in den Blick, um im Krisen- und Kriegsfall Protest und Widerstand zu bekämpfen.«
Dass man nun nicht mehr nur die Hilfe der Bundeswehr für zivile Behörden übe, sondern auch die Unterstützung der Behörden und Organisationen für die Bundeswehr, das sei, so ein leitender Offizier des Reservekommandos, die »Zeitenwende von unten«.