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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Krieg gegen die Menschheit

Die Welt­kli­ma­kon­fe­renz – COP 30 – in der bra­si­lia­ni­schen Ama­zo­nas-Stadt Belém konn­te ihren Ansprü­chen von Anbe­ginn her nicht gerecht wer­den, da sie blind gemacht wur­de gegen den wei­ßen Ele­fan­ten im Gebüsch. Eine Goog­le-Anfra­ge mit den Begrif­fen »COP 30« und »Mili­tär« ergab ledig­lich zwei Links – vom Tages­spie­gel und von der taz – die von der Goog­le-KI wie folgt zusam­men­ge­fasst wurden:

»Exper­ten for­dern, dass der mili­tä­ri­sche Sek­tor ver­pflich­tet wird, sei­ne Treib­haus­gas­emis­sio­nen an die Ver­ein­ten Natio­nen zu mel­den, da die­se aktu­ell eine gro­ße Daten­lücke im Kli­ma­schutz dar­stel­len. (…) Der­zeit müs­sen mili­tä­ri­sche Treib­haus­gas­emis­sio­nen nicht gemel­det wer­den. Dies wird als eine ›blin­de Stel­le‹ im Kli­ma­schutz kritisiert.«

Ohne die Über­win­dung der Hoch- und Atom­rü­stung hat unse­re Zivi­li­sa­ti­on kei­ne Zukunft. Das Bul­le­tin der kri­ti­schen Atom­wis­sen­schaf­ten bringt das in sei­ner Welt­un­ter­gangs­uhr – »Doomsday Clock« – zum Aus­druck: Wir leben gegen­wär­tig in der gefähr­det­sten Zeit über­haupt. Das liegt an inter­na­tio­na­len Span­nun­gen, an den immens gestei­ger­ten Aus­ga­ben für die Atom- und Hoch­rü­stung und an den Risi­ken, die von dro­hen­den öko­lo­gi­schen Kipp-Punk­ten, vor denen vie­le Wis­sen­schaft­ler war­nen, ausgehen.

Vor­be­rich­te zur Kon­fe­renz senk­ten schon die Erwar­tun­gen, etwa weil die EU ihre Kli­ma­po­li­tik mit ihrer neo­li­be­ra­len Poli­tik des so genann­ten »Büro­kra­tie­ab­baus« zugun­sten der Hand­lungs­frei­heit für die gro­ßen Kon­zer­ne aufweichte.

Der­weil eska­lie­ren die Schä­di­gun­gen der Atmo­sphä­re und der Frucht­bar­keit der Erde. Dies, obwohl es im Som­mer 2024 in Euro­pa bereits über 62.700 hit­ze­be­ding­te Todes­fäl­le gab, was einem Anstieg von 23 Pro­zent gegen­über dem Vor­jahr gleich­kommt. Die öko­lo­gi­schen Schä­di­gun­gen durch eine beschwich­ti­gen­de Umwelt­po­li­tik ohne kon­se­quen­te Bewah­rung der Lebens­grund­la­gen koste­te die Staa­ten der EU bis­her schon hun­der­te von Mil­lio­nen Euro; das aber wird allen kom­pe­ten­ten War­nun­gen aus der COP 30 und der Wis­sen­schaft nicht mehr als ein im Ver­gleich gerin­ger Auf­takt an Zer­stö­run­gen sein.

Längst ist klar, dass die Risi­ken öko­lo­gi­scher Kipp-Punk­te einen Kon­troll­ver­lust für die Staa­ten bedeu­ten kön­nen, ein System­pro­blem dar­stel­len. Des­halb ver­hal­len die Appel­le an die Ver­nunft der Ver­ant­wor­tungs­trä­ger in den Spit­zen der Staa­ten ohne Erfolg. Selbst die Welt am Sonn­tag erkann­te am 26.10.2025 an: Laut Wis­sen­schaft­lern der Öko­lo­gie »wer­de die Natur in den gän­gi­gen öko­no­mi­schen Model­len – die stark auf Märk­te und kurz­fri­sti­ge Gewin­ne aus­ge­rich­tet sind – kaum berücksichtigt«.

Hin­zu kommt der Fak­tor Mili­tär als Ver­ur­sa­cher der Zer­stö­rung von Lebens­grund­la­gen für die Mensch­heit. Der fran­zö­si­sche Sozia­list Jean Jau­rès fass­te den Zusam­men­hang in die­se Wor­te: »Der Kapi­ta­lis­mus trägt den Krieg in sich, wie die Wol­ke den Regen.«

Die Aus­wir­kun­gen sind laut Deutsch­land­funk Kul­tur vom 2.1.2025 bereits heu­te immens: »Krie­ge zer­stö­ren Men­schen­le­ben, Infra­struk­tu­ren und gan­ze Län­der. Doch ein Opfer wird meist über­se­hen: die Schä­den an der Umwelt. Dabei kann die Zer­stö­rung an der Natur erheb­li­che Aus­ma­ße annehmen.«

Bis heu­te wer­den mili­tä­ri­sche Schä­di­gun­gen nicht in die Kli­ma­bi­lan­zen ein­ge­rech­net. Das Pen­ta­gon argu­men­tiert: Der Ener­gie­ver­brauch des Mili­tärs dür­fe nicht ein­ge­schränkt wer­den, weil sonst die Ver­tei­di­gungs­fä­hig­keit gefähr­det sei. So setz­ten die USA im Kon­text mit der Kyo­to-Welt­kli­ma­kon­fe­renz durch, dass nur die nicht­mi­li­tä­ri­schen Ver­bren­nungs­ab­ga­se an den Welt­kli­ma­rat gemel­det wer­den müs­sen. Auch die Bun­des­wehr pro­fi­tiert von die­ser Rege­lung, obwohl sie sich selbst zu Umwelt­schutz-Maß­nah­men ver­pflich­tet. Der öko­lo­gi­sche Fuß­ab­druck der Bun­des­wehr ist laut Bun­des­tags-Druck­sa­che 20/​10928 deut­lich. Im Jahr 2021 etwa hat sie ins­ge­samt 1,71 Mil­lio­nen Ton­nen CO2-Äqui­va­lent aus­ge­sto­ßen – zwei Jah­re zuvor waren es 1,45 Mil­lio­nen Ton­nen. Wohl­ge­merkt, die­se Zah­len bezie­hen sich auf Jah­re vor der Groß­in­va­si­on Russ­lands in die Ukraine.

Die Mani­pu­la­ti­on der Welt­öf­fent­lich­keit infol­ge des Aus­blen­dens der öko­lo­gi­schen Schä­di­gun­gen durch den Mili­tär­sek­tor ist auch eine Bestä­ti­gung der War­nun­gen des dama­li­gen US-Prä­si­den­ten Eisen­hower vor dem mili­tä­risch-indu­stri­el­len Kom­plex in sei­ner Abschiedsrede:

»Die­se Ver­bin­dung eines gewal­ti­gen Mili­tär­ap­pa­ra­tes mit einer gro­ßen Rüstungs­in­du­strie stellt eine neue Erfah­rung in den USA dar. Der gesam­te Ein­fluss – wirt­schaft­lich, poli­tisch, ja sogar spi­ri­tu­ell – wird wahr­ge­nom­men in jeder Stadt, in jedem Par­la­ment unse­rer Bun­des­staa­ten und jeder Behör­de der Bun­des­re­gie­rung. Wir erken­nen die Not­wen­dig­keit die­ser Ent­wick­lung an. Wir dür­fen aber auch nicht die Augen ver­schlie­ßen gegen­über ihren schwer­wie­gen­den Fol­gen. All unse­re Bemü­hun­gen, Mit­tel und Exi­stenz­grund­la­gen sind betrof­fen; das gilt auch für die Struk­tur unse­rer Gesellschaft.«

Wel­che Kräf­te das heu­te sind, zeigt sich unter ande­rem auf der Web­site der für den Sep­tem­ber 2026 in der Mes­se Essen vor­ge­se­he­nen Rüstungs­mes­se »Euro­de­fence-Expo«: Dort prei­sen die Ver­an­stal­ter ihr Pro­jekt mit der Ori­en­tie­rung auf einen ein­zig­ar­ti­gen Aus­tausch ver­schie­de­ner Reprä­sen­tan­ten aller Haupt­spar­ten des mili­tä­risch-indu­stri­el­len Kom­ple­xes an: Euro­de­fence för­de­re »aktiv den Aus­tausch von Poli­tik, Indu­strie und den Anwen­dern mili­tä­ri­scher Sicher­heits­tech­no­lo­gie. (…) Die enge Ver­zah­nung der Ver­an­stal­tun­gen schafft wert­vol­le Syn­er­gie zwi­schen Indu­strie und Militär.«

Außer den Poli­ti­kern, Rüstungs­in­du­stri­el­len und Mili­tärs sind noch die Medi­en wich­tig, die die Spra­che im Sinn der Mili­ta­ri­sie­rung weiß­wa­schen; deut­lich wird das bereits, wenn im Zusam­men­hang mit der Rüstungs­mes­se Kriegs­hand­lun­gen mit den Wor­ten »Anwen­dung mili­tä­ri­scher Sicher­heits­tech­no­lo­gie« erwähnt werden.

Mit ihrem Weiß­wa­schen des Mili­tärs hat die COP 30 wie ihre Vor­gän­ger-Kon­fe­ren­zen den erklär­ten Zie­len gescha­det. Zur COP 29, die 2024 in Baku statt­fand, for­mu­lier­te die DFG-VK eine ent­spre­chen­de Kri­tik: »Auch auf der COP 29 in Baku haben die The­men Mili­tär und Krieg sowie deren kli­ma­po­li­ti­sche Aus­wir­kun­gen nur eine mar­gi­na­le Rol­le gespielt, und zwar auf einer Neben­ver­an­stal­tung, bei der die Dekar­bo­ni­sie­rungs­an­sät­ze der slo­we­ni­schen und nor­we­gi­schen Streit­kräf­te vor­ge­stellt wur­den. (…) Die domi­nan­ten Dis­kus­sio­nen dre­hen sich (…) um ›klas­si­sche‹ Emit­ten­ten wie die Ener­gie­in­du­strie, Ver­kehr und Land­wirt­schaft, wohin­ge­gen das Mili­tär als insti­tu­tio­nel­ler Emit­tent eher ver­drängt wird.«

Durch die Täu­schung der Welt­öf­fent­lich­keit, zu der die Mili­tär­lob­by greift, kön­nen poli­ti­sche Kräf­te wie die Par­tei­en, die in den letz­ten Jah­ren die Bun­des­re­gie­rung tru­gen, Hoch­rü­stung mit dem Anschein öko­lo­gi­scher – grü­ner – Poli­tik ver­bin­den, ohne dass das den erfor­der­li­chen Auf­schrei in der Gesell­schaft hervorvorruft.