Es gibt Bücher, die sich nicht in die Gegenwart einschreiben, sondern sich ihr mit dem Skalpell nähern. Manfred Knoches »Critique of the Political Economy of the Media« ist ein solches Werk: weniger Monografie als Seziermesser, das die Oberfläche kapitalistischer Medienrhetorik aufschlitzt, um die darunterliegenden Verwertungsimperative sichtbar zu machen. In einer Zeit, in der selbst medienkritische Diskurse allzu oft an der Oberfläche der Empörung verharren, schafft Knoche einen systemanalytischen Tiefgang, der den herrschenden Medienbetrieb nicht als Betriebsunfall, sondern als logische Konsequenz kapitalistischer Produktionsverhältnisse rekonstruiert. Dieses Buch ist kein Appell – es ist ein analytisches Manifest.
Schon in der Einleitung stellt Knoche klar, dass sein Zugang nichts mit den gängigen, moralisch aufgeladenen Klagen über Medienverflachung, Clickbait oder Boulevardisierung zu tun hat. Er wählt – ganz im Sinne der materialistischen Gesellschaftsanalyse – den Weg über die Kritik der politischen Ökonomie. Was das bedeutet, erläutert er an Marx orientiert: Die Medien sind nicht bloß Kommunikationsmittel, sondern Bestandteile eines spezifischen kapitalistischen Akkumulationsregimes, das auch die Produktion, Distribution und Konsumtion von Information dem Verwertungszwang unterwirft. Der medienindustrielle Komplex wird so nicht zufällig, sondern notwendig ideologisch, kapitalistisch, selektiv.
Knoche argumentiert nicht von einem ethischen Ideal öffentlicher Kommunikation her, sondern legt offen, wie die Logik des Kapitals – die Produktion von Tauschwerten unter Maximierung der Profite – zwangsläufig zu einer Entstellung der Medienöffentlichkeit führt. Das macht seine Analyse anschlussfähig für eine marxistisch fundierte Kritik, aber ebenso für jene sozialphilosophische Tradition, die von Adorno über Althusser bis zu Nancy Fraser reicht.
Im ersten Teil – den theoretischen »Foundations« – entwickelt Knoche die Grundannahmen seiner Kritik. Dabei wird die »Kapitalisierung der Medienindustrie« als historisch fortschreitende Integration sämtlicher medialer Produktions- und Distributionsprozesse in die allgemeine Kapitalverwertung beschrieben. Was auf den ersten Blick wie ein Allgemeinplatz wirken könnte, entfaltet durch die minutiöse Darstellung konkreter Dynamiken – etwa bei der Rolle des Staates, der Deregulierungspolitik oder der Konzentrationseffekte – eine erschreckende Evidenz: Medienunternehmen agieren längst nicht mehr primär als Produzenten von Öffentlichkeit, sondern als Akteure innerhalb globaler Verwertungsketten.
Die Privatisierung vormals öffentlicher Infrastrukturen (z. B. Rundfunk, Telekommunikation), die Verschmelzung von Medienkonzernen mit Investmentkapital sowie die Verlagerung redaktioneller Entscheidungen in den Bereich betriebswirtschaftlicher Kalküle sind keine Fehlentwicklungen, sondern konsequente Resultate eines Systems, das Knoche mit analytischer Nüchternheit entlarvt.
Knoches Darstellung des »kapitalistischen Eigentumsmodells der Medien« erinnert an Althussers Begriff der ideologischen Staatsapparate – mit einem Unterschied: Bei Knoche bleibt die Kategorie der »Ideologie« nicht bloß im Überbau stecken, sondern wird aus den Bedingungen materieller Reproduktion entwickelt. Das macht seine Analyse doppelt anschlussfähig: einerseits für klassische marxistische Ansätze, andererseits für kommunikationswissenschaftliche Diskursanalysen, die sich gegen neoliberale Verharmlosungen der Medienmacht stemmen.
Besonders überzeugend ist das vierte Kapitel über die Eigentümerstruktur der Medien: Hier legt Knoche die fatale Verquickung von Familienkapital, Eigentumsmacht und publizistischer Hegemonie offen. Der Mythos vom »unabhängigen Journalismus« wird dekonstruiert – nicht durch Polemik, sondern durch empirisch unterfütterte Strukturkritik.
Im zweiten Teil – der Anwendung der Theorie – zeigt Knoche, wie sich die Kapitalverwertungslogik in unterschiedlichen Subfeldern der Medienpraxis konkretisiert. Drei Kapitel stechen hervor: Kapitel 7: Werbung als »Elixier des Kapitalismus« – Hier gelingt es Knoche, die vermeintliche Nebensache der Werbeökonomie als systemisches Hauptmoment zu entlarven. Werbung sei nicht nur »notwendig«, sondern die ideologische und ökonomische Brücke zwischen Warenproduktion und Medienproduktion – ein Instrument zur »Reproduktion des Kapitalverhältnisses durch Konsumanreize«. Die von Adorno einst benannte Dialektik von Aufklärung und Massenbetrug wird hier ökonomisch auf den Punkt gebracht.
Kapitel 8: Alternative Medien – Hier nimmt Knoche die wohlmeinenden Ansätze einer nichtkommerziellen Medienpraxis kritisch unter die Lupe. Sein Fazit ist ernüchternd: Solange alternative Medien keine strukturelle Befreiung von Markt- und Staatsabhängigkeiten erreichen, verbleiben sie im Stadium prekärer Nischenprodukte oder laufen Gefahr, sich über Drittmittel-Logiken wieder kapitalistisch zu reproduzieren. Hier wird deutlich: Emanzipation ist nicht mit Plattformbau getan, sondern bedarf struktureller Umwälzung.
Kapitel 10: Wissenschaftskommunikation – In der Kritik kapitalistischer Wissenschaftsverlage sieht Knoche nicht nur ein Problem von Open-Access-Modellen, sondern eine strukturelle Ideologieproduktion im Dienste akademischer Warenförmigkeit. Forschung wird zur Ware, Peer-Review zur Machtressource und akademische Öffentlichkeit zur privilegierten Echokammer. Die alternative Vision: »Diamond Open Access«, frei von kommerziellen Interessen, getragen von öffentlicher Verantwortung.
Wer Knoches Buch liest, wird keine Lösungsvorschläge im klassischen Sinn finden. Und genau darin liegt seine Stärke. Er verweigert sich der neoliberalen Suggestion, jede Kritik müsse in einem konstruktiven »Call to Action« münden. Stattdessen bleibt er bei der Methode der Kritik – einer Kritik, die sich nicht im Gejammer über schlechten Journalismus erschöpft, sondern die strukturelle Ursache der Misere im kapitalistischen Produktionsverhältnis verortet.
Was dem Buch an utopischer Energie fehlt, kompensiert es durch analytische Klarheit und politische Unversöhnlichkeit. Es ist ein Werk, das sich seiner Ohnmacht angesichts hegemonialer Macht bewusst ist – und genau darin seine Würde behauptet.
Wenn Tucholsky einst schrieb, die Aufgabe des Intellektuellen sei es, »Sand ins Getriebe« zu streuen, dann ist Manfred Knoches Buch ein Eimer voller Sand. Es schleift nicht nur die Zahnräder, es fragt, wem die Maschine überhaupt gehört – und ob wir sie nicht besser abschalten sollten. Dieses Buch ist kein Kanon für Vorlesungen – es ist ein Aufruf zur intellektuellen Insubordination, ein Manifest gegen die Illusion, Medien könnten im Kapitalismus frei sein. Wer die Gegenwart verstehen will, kommt an Knoche nicht vorbei. Wer sie verändern will, wird mit ihm beginnen müssen.
Knoche, Manfred: Critique of the Political Economy of the Media: Foundations and Applications, London: University of Westminster Press 2025.