Für das leider immer noch weitverbreitete Mitläufertum gibt es wohl folgende Hauptursachen:
- Die Mehrheit der Menschen werden nicht nonkonform, sondern konform im Elternhaus, im Bildungswesen, den Kirchen, den Medien und in der Arbeitswelt erzogen und sozialisiert. Ihnen wird also gesellschaftlicher Widerstand selten nahegebracht. Sie werden nicht zum »Zoon Politicon« in einer lebendigen Zivilgesellschaft, d. h. nicht zum Bürgermut erzogen.
- Dazu gehört auch, dass ein entsprechendes Selbstbewusstsein, etwa durch stetige Bestärkung, durch Ermunterung und Lob vermittelt, viel zu wenig verbreitet ist. Der Untertan wird also eher autoritätsgläubig geprägt und ist dadurch sehr gut handhabbar, also auch manipulierbar und instrumentalisierbar. Das ist den Herrschenden nur recht, und sie fördern das durch ihre Selbstherrlichkeit.
- Die meisten Menschen haben darüber hinaus so viel mit ihrer individuellen und familiären Existenzsicherung zu tun, dass sie kaum Kraft und Kompetenzen entwickeln können, sich aktiv in die Politik einzumischen.
- Die politischen Organisationen und Parteien sind zudem so von oben nach unten organisiert, dass sie von den Menschen in ihrer Alltagswelt, vor Ort, weit entfernt sind und vergleichsweise wenig Mitglieder haben. Geschweige denn, dass sich die Menschen mit ihren politischen Anliegen bei den Spitzenfunktionären bemerkbar machen können. Ein lebendiger Dialog, eine demokratische Meinungsbildung von unten nach oben, ist damit weitgehend blockiert. Zudem stehen Profilierungssucht und ein einkommensorientierter Karrierismus bei den Funktionären oft im Vordergrund.
- Die Mainstream-Ideologie suggeriert zudem, dass die politisch Herrschenden, welcher Richtung auch immer, die nationalen Interessen für alle Gesellschaftsmitglieder am besten vertreten: Das betrifft besonders die Wohlstandssicherung durch Arbeitsplätze, den Ausbau bzw. Abbau des Sozialstaats und natürlich die Sicherheitspolitik, die durch maximale Schulden-finanzierte Aufrüstung zu stärken ist. Denn wir sind ja bekanntlich durch Kriege bedroht. Deshalb sind Wehrpflichtige zwingend erforderlich, die notfalls für die Landesverteidigung auch ihr Leben für das »Vaterland« zu opfern haben. Dafür wird stetig geworben.
- Die Massenmedien verbreiten diese Herrschaftsideologie. In den vorherrschenden Meinungen kommen in der Regel, die »Normalbürger« oder gar »Andersdenkende«, in Wort und Bild, nur selten vor. »Andersdenkende« werden zwar heute nicht völlig verdrängt, aber sie treten nur am Rande oder in Randmedien, ohne größere Leser- und Zuschauerzahlen in Erscheinung. Die Nazis haben abweichende Meinungen nach 1933 natürlich noch viel brutaler unterdrückt: Sie haben ihre Gegner umgehend verhaftet und oft im KZ umgebracht. Das haben die Menschen natürlich mitbekommen, wodurch sie noch angepasster wurden und brav in den Zweiten Weltkrieg mitmarschiert sind.
Sich solchem Konformitätsdruck zu entziehen, war und ist äußerst schwierig. Es wäre deshalb dringend erforderlich, dass gesellschaftliche Organisationen und politische Parteien viel bürgernäher, vor Ort auffindbar und ansprechbar sind. Zudem sollten Spitzenfunktionäre viel mehr den Dialog mit politisch reflektierten Bürgern, auf Augenhöhe, suchen und uns nicht glauben machen wollen, dass vor allem ihre Meinungen und Entscheidungen zählen, dass ihre Programme und ihre Politik alternativlos seien und wie Transmissionsriemen von oben nach unten zu funktionieren haben. So kann lebendige Demokratie nie funktionieren, so funktionieren nur Diktaturen.