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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Mitläufertum damals und heute

Für das lei­der immer noch weit­ver­brei­te­te Mit­läu­fer­tum gibt es wohl fol­gen­de Hauptursachen:

  1. Die Mehr­heit der Men­schen wer­den nicht non­kon­form, son­dern kon­form im Eltern­haus, im Bil­dungs­we­sen, den Kir­chen, den Medi­en und in der Arbeits­welt erzo­gen und sozia­li­siert. Ihnen wird also gesell­schaft­li­cher Wider­stand sel­ten nahe­ge­bracht. Sie wer­den nicht zum »Zoon Poli­ti­con« in einer leben­di­gen Zivil­ge­sell­schaft, d. h. nicht zum Bür­ger­mut erzogen.
  2. Dazu gehört auch, dass ein ent­spre­chen­des Selbst­be­wusst­sein, etwa durch ste­ti­ge Bestär­kung, durch Ermun­te­rung und Lob ver­mit­telt, viel zu wenig ver­brei­tet ist. Der Unter­tan wird also eher auto­ri­täts­gläu­big geprägt und ist dadurch sehr gut hand­hab­bar, also auch mani­pu­lier­bar und instru­men­ta­li­sier­bar. Das ist den Herr­schen­den nur recht, und sie för­dern das durch ihre Selbstherrlichkeit.
  3. Die mei­sten Men­schen haben dar­über hin­aus so viel mit ihrer indi­vi­du­el­len und fami­liä­ren Exi­stenz­si­che­rung zu tun, dass sie kaum Kraft und Kom­pe­ten­zen ent­wickeln kön­nen, sich aktiv in die Poli­tik einzumischen.
  4. Die poli­ti­schen Orga­ni­sa­tio­nen und Par­tei­en sind zudem so von oben nach unten orga­ni­siert, dass sie von den Men­schen in ihrer All­tags­welt, vor Ort, weit ent­fernt sind und ver­gleichs­wei­se wenig Mit­glie­der haben. Geschwei­ge denn, dass sich die Men­schen mit ihren poli­ti­schen Anlie­gen bei den Spit­zen­funk­tio­nä­ren bemerk­bar machen kön­nen. Ein leben­di­ger Dia­log, eine demo­kra­ti­sche Mei­nungs­bil­dung von unten nach oben, ist damit weit­ge­hend blockiert. Zudem ste­hen Pro­fi­lie­rungs­sucht und ein ein­kom­mens­ori­en­tier­ter Kar­rie­ris­mus bei den Funk­tio­nä­ren oft im Vordergrund.
  5. Die Main­stream-Ideo­lo­gie sug­ge­riert zudem, dass die poli­tisch Herr­schen­den, wel­cher Rich­tung auch immer, die natio­na­len Inter­es­sen für alle Gesell­schafts­mit­glie­der am besten ver­tre­ten: Das betrifft beson­ders die Wohl­stands­si­che­rung durch Arbeits­plät­ze, den Aus­bau bzw. Abbau des Sozi­al­staats und natür­lich die Sicher­heits­po­li­tik, die durch maxi­ma­le Schul­den-finan­zier­te Auf­rü­stung zu stär­ken ist. Denn wir sind ja bekannt­lich durch Krie­ge bedroht. Des­halb sind Wehr­pflich­ti­ge zwin­gend erfor­der­lich, die not­falls für die Lan­des­ver­tei­di­gung auch ihr Leben für das »Vater­land« zu opfern haben. Dafür wird ste­tig geworben.
  6. Die Mas­sen­me­di­en ver­brei­ten die­se Herr­schafts­ideo­lo­gie. In den vor­herr­schen­den Mei­nun­gen kom­men in der Regel, die »Nor­mal­bür­ger« oder gar »Anders­den­ken­de«, in Wort und Bild, nur sel­ten vor. »Anders­den­ken­de« wer­den zwar heu­te nicht völ­lig ver­drängt, aber sie tre­ten nur am Ran­de oder in Rand­me­di­en, ohne grö­ße­re Leser- und Zuschau­er­zah­len in Erschei­nung. Die Nazis haben abwei­chen­de Mei­nun­gen nach 1933 natür­lich noch viel bru­ta­ler unter­drückt: Sie haben ihre Geg­ner umge­hend ver­haf­tet und oft im KZ umge­bracht. Das haben die Men­schen natür­lich mit­be­kom­men, wodurch sie noch ange­pass­ter wur­den und brav in den Zwei­ten Welt­krieg mit­mar­schiert sind.

Sich sol­chem Kon­for­mi­täts­druck zu ent­zie­hen, war und ist äußerst schwie­rig. Es wäre des­halb drin­gend erfor­der­lich, dass gesell­schaft­li­che Orga­ni­sa­tio­nen und poli­ti­sche Par­tei­en viel bür­ger­nä­her, vor Ort auf­find­bar und ansprech­bar sind. Zudem soll­ten Spit­zen­funk­tio­nä­re viel mehr den Dia­log mit poli­tisch reflek­tier­ten Bür­gern, auf Augen­hö­he, suchen und uns nicht glau­ben machen wol­len, dass vor allem ihre Mei­nun­gen und Ent­schei­dun­gen zäh­len, dass ihre Pro­gram­me und ihre Poli­tik alter­na­tiv­los sei­en und wie Trans­mis­si­ons­rie­men von oben nach unten zu funk­tio­nie­ren haben. So kann leben­di­ge Demo­kra­tie nie funk­tio­nie­ren, so funk­tio­nie­ren nur Diktaturen.