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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Quod erat demonstrandum

Nein, dumm sind sie nicht. Wenn­gleich man­che Fin­te mehr einer gewis­sen Bau­ern­schläue ent­springt: Wenn es nicht durch die Vor­der­tür geht, dann eben durchs Kel­ler­fen­ster. Wobei der Umweg immer weni­ger nötig zu wer­den scheint: Die Tür öff­net sich Zen­ti­me­ter um Zen­ti­me­ter von innen, ins­be­son­de­re die Kon­ser­va­ti­ven von Uni­on bis BSW arbei­ten an der Ver­grö­ße­rung des Spalts; in Erfurt spricht das Bünd­nis sogar schon mit Höcke.

Die Rede, Sie mer­ken es, geht von den poli­ti­schen Rechts­au­ßen. Eines ihrer ras­si­stisch-völ­ki­schen Schlacht­fel­der befin­det sich bei den Bür­ger­geld­emp­fän­gern. Dort las­sen sich Sozi­al­neid und Res­sen­ti­ments beson­ders gut schü­ren. Außer media­lem Gerau­ne – die Welt am Sonn­tag behaup­te­te im Herbst des Vor­jahrs, dass von den etwa vier Mil­lio­nen Bür­ger­geld­emp­fän­gern mehr als zwei­ein­halb Mil­lio­nen einen Migra­ti­ons­hin­ter­grund hät­ten – gab es wohl kei­ne belast­ba­ren Zah­len, die das Stamm­tisch-Votum belegt hät­ten. Amt­li­che Stel­len ent­schei­den natur­ge­mäß nicht nach eth­ni­scher Her­kunft, ob einem »Lei­stungs­emp­fän­ger« das ihm gesetz­lich zuste­hen­de Bür­ger­geld gezahlt wird. (Noch nicht, wird viel­leicht die­ser oder jener hier sar­ka­stisch einfügen.)

Um den­noch poli­ti­sches Kapi­tal in die­ser Sache zu gewin­nen, hat ein Hin­ter­bänk­ler eben jener Par­tei sich bei der Bun­des­re­gie­rung nach den »14 häu­fig­sten Vor­na­men von Lei­stungs­emp­fän­gern des Bür­ger­gel­des gemäß § 19 des Zwei­ten Buches Sozi­al­ge­setz­buch« erkun­digt. Weil, so ver­mut­lich die Erwar­tung des Fra­ge­stel­lers Rai­mond Schei­rich – der übri­gens 1990 im rumä­ni­schen Timiso­ara zur Welt und über Mün­chen im Febru­ar 2025 in den Bun­des­tag kam –, es dort ver­mut­lich von Alis und Ami­ras, Jamals und Mali­kas nur so wim­meln wür­de. Quod erat demonstrandum.

Man wird ja wohl mal fra­gen dür­fen, hat sich viel­leicht der ein­sti­ge Ver­triebs­in­ge­nieur und ehe­ma­li­ge Grund­wehr­dienst­lei­sten­de bei der Luft­waf­fe gesagt. (Sofern nicht ande­re ihm die Fra­ge souf­fliert hat­ten. Denn das ist ja Stra­te­gie die­ser Par­tei: den Appa­rat so lan­ge beschäf­ti­gen, bis er kol­la­biert.) Der Fra­ger sitzt zwar in den Aus­schüs­sen für Wirt­schaft und Ener­gie, für Kli­ma­schutz, Natur­schutz und nuklea­re Sicher­heit sowie für Ange­le­gen­hei­ten der Euro­päi­schen Uni­on, was eigent­lich mit die­sem The­ma nicht so rich­tig zu tun hat. Aber ich bit­te Sie: Auch Mini­ster lei­ten bekannt­lich Res­sorts, von denen sie kei­ne Ahnung haben.

Und nun wur­de also dem neu­gie­ri­gen Volks­ver­tre­ter aus Bay­ern Aus­kunft zuteil. Das trug ihm nicht nur Befrie­di­gung sei­ner Neu­gier, son­dern auch media­le Auf­merk­sam­keit ein. Die Ant­wort aus dem Arbeits­mi­ni­ste­ri­um ging durch die Pres­se. Und sie­he da: Die Hit­pa­ra­de wur­de vom treu­deut­schen Michel ange­führt, also von Micha­el. Der erste Name, der auf aus­wär­ti­ge Her­kunft deu­te­te, fand sich auf Rang fünf – Ole­na: die ukrai­ni­sche Vari­an­te von Hele­na, die Leuch­ten­de. Was ver­mut­lich nicht über­rascht. (Dar­um auf wei­te­ren Plät­zen auch Oleksan­dr, Tetia­na und Iryna.)

Unter den ersten vier­zehn der am häu­fig­sten genann­ten Vor­na­men waren auch tat­säch­lich drei, deren Trä­ger auf eine Her­kunft aus dem afri­ka­nisch-ara­bi­schen Raum schlie­ßen las­sen könn­ten: Ahmad, Ali und Mohammad.

Doch was beweist das? Nix. Las­sen sich etwa Schlüs­se auf Cha­rak­ter und Schick­sal oder Her­kunft zie­hen, wenn einer als Kevin oder Mar­lon, eine als Ame­lie oder Chan­tal­le durchs Leben gehen? Allen­falls Schlüs­se auf die ein­sti­ge Ver­wir­rung ihrer wahr­schein­lich deut­schen Eltern auf der Suche nach mög­lichst ori­gi­nel­len Namen für ihre Kin­der. Mehr nicht.

Und war­um aus­ge­rech­net vier­zehn Namen? Hät­ten es nicht auch zehn getan, oder zwanzig?

Folg­te der Fra­ge­stel­ler viel­leicht der kab­ba­li­sti­schen Deu­tung (kommt übri­gens auch aus dem Aus­land), wonach die Vier­zehn für Dis­zi­plin, Zuver­läs­sig­keit und Geduld steht, also dem Mar­ken­kern sei­ner Partei.

Aller­dings ver­wei­se ich auf mei­ne Erfah­run­gen mit Hotels in Chi­na oder Japan: Da gibt es kei­ne Zim­mer oder Eta­gen, deren letz­te Zif­fer eine Vier ist. Vier ist dort näm­lich eine Unglücks­zahl, sie klingt – aus­ge­spro­chen auf Japa­nisch, Man­da­rin oder Kan­to­ne­sisch – wie »Tod«. Und dar­um habe ich auch noch nie in die­sem Teil der Welt in einem Raum geschla­fen, an des­sen Tür 14 stand. Zwi­schen 13 und 15 gab es nichts. Auch kein 14. Geschoss.

Wel­che Gedan­ken­gän­ge und Erin­ne­run­gen eine däm­li­che Abge­ord­ne­ten­fra­ge so auslöst …

 Übri­gens: Schon im ver­gan­ge­nen Jahr frag­te die Ber­li­ner AfD die häu­fig­sten Vor­na­men von deut­schen Staats­bür­gern ab, gegen die wegen Mes­ser­an­grif­fen ermit­telt wur­de. Wohl, um einen etwa­igen Migra­ti­ons­hin­ter­grund der Täter her­aus­zu­stel­len. Und auch die CDU Ber­lin frag­te bereits nach Vor­na­men deut­scher Tatverdächtiger.

 

 

Ausgabe 15.16/2025