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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Red Storm Bravo am Kriegsklotz

Mein Schuh­löf­fel hat sich inzwi­schen wie­der ange­fun­den, aller­dings unter bedenk­li­chen Umstän­den, die außer­dem unter­schied­lich inter­pre­tier­bar waren (vgl.: »Ver­leg­te Schuh­löf­fel«, Ossietzky 19/​2025). In der Zwi­schen­zeit ist auch das in jenem Arti­kel erwähn­te und inzwi­schen bekann­te Nato-Manö­ver been­det. Das The­ma »Red Storm Bra­vo« kann nun also rück­blickend auch aus der »Frosch­per­spek­ti­ve«, in die­sem Fal­le: aus der Per­spek­ti­ve des »Kriegs­klot­zes«, dar­ge­stellt werden.

Der Begriff »Kriegs­klotz« ist eine ange­mes­sen despek­tier­li­che Bezeich­nung für ein mili­ta­ri­sti­sches Denk­mal, das in der NS-Zeit in der Nähe des Fern­bahn­hofs Ham­burg-Damm­tor errich­tet wor­den ist. Es steht in einer Art Fuß­gän­ger­zo­ne und hat bis­her gegen­über allen ins­ge­hei­men und bis­wei­len auch öffent­lich geäu­ßer­ten Wün­schen nach sei­nem Abriss stand­ge­hal­ten, muss­te sich aller­dings mit der Nach­bar­schaft zwei­er Gegen­denk­mä­ler abfinden.

Das eine ist, genau­er gesagt, ein Anti-Kriegs­denk­mal-Ensem­ble, das über­re­gio­na­le »Hrdlicka-Denk­mal«. Von ihm sind nur zwei der geplan­ten vier Tei­le fer­tig­ge­stellt. Die Geschich­te der Nicht­fer­tig­stel­lung muss hier aller­dings über­gan­gen wer­den, so inter­es­sant sie auch sein mag. Auch das im Novem­ber 2015 ein­ge­weih­te Ham­bur­ger Deser­teurs­denk­mal des Künst­lers Vol­ker Lang, das eine lan­ge Vor­ge­schich­te hat­te, kann hier nur kurz erwähnt wer­den (vgl. »Im Ham­bur­ger Deser­teurs­denk­mal«, Ossietzky 2/​2016).

Noch in der Woche, bevor »Red Storm Bra­vo« statt­fin­den soll­te, gab es vor dem Kriegs­klotz eine Ver­an­stal­tung, die der Ham­bur­ger »Kul­tur­ver­ein OLMO« aus­rich­te­te. Ihr Mot­to sprach für sich: »Nein zu Mili­tär­ma­nö­vern in Ham­burg! Gegen Kriegs­er­tüch­ti­gung und Rekru­tie­rung«. Das Pro­gramm – »Ban­ner­hän­gung«, Lesun­gen, Musik, Fil­me – war, wie immer, sehr viel­fäl­tig, die Stoß­rich­tung eindeutig.

Am 23. Sep­tem­ber, einem Diens­tag, soll­te das 8 Meter brei­te Ban­ner (»Nein zu Kriegs­übun­gen in Ham­burg«) an der Rück­sei­te des Kriegs­klot­zes mit tech­nisch auf­wen­di­gen Mit­teln ange­bracht wer­den. Dies unter­band jedoch die Poli­zei. Sie gestat­te­te aber, es an der Rück­sei­te des benach­bar­ten Deser­teurs­denk­mals auf­zu­hän­gen; dies aller­dings unter einer kurio­sen Bedin­gung. Die Bedin­gung war, dass OLMO gezwun­gen wur­de, solan­ge das Ban­ner hän­gen soll­te, Kund­ge­bun­gen auf der Frei­flä­che vor dem Kriegs­klotz abzu­hal­ten. In der gesam­ten Woche, in der »Red Storm Bra­vo« statt­fand, wur­den also poli­zei­lich ange­ord­ne­te Lesun­gen und Musik geboten.

Dabei gab es eini­ge Zwi­schen­fäl­le: Zwi­schen­zeit­lich wur­de das Ban­ner von der Poli­zei abge­hängt, konn­te dann aber bald wie­der ange­hängt wer­den. Auch klei­ne­re Vor­fäl­le mit auf­ge­brach­ten Bür­gern ereig­ne­ten sich.

Aber als ich am Frei­tag, 26. Sep­tem­ber, dem zwei­ten Tag des Manö­vers, am Kriegs­klotz ankam, wo ich mich an einer der Lesun­gen betei­li­gen woll­te, und mich René Senen­ko, der Ver­an­stal­ter von OLMO, mit der Bemer­kung begrüß­te, ich hät­te gera­de »das Beste ver­säumt«, ahn­te ich nicht, was vor­ge­fal­len war. (Ich zitie­re im Fol­gen­den sei­nen Bericht, den er per E-Mail ver­sand­te, wört­lich, weil er eini­ge Details ent­hält, die kaum glaub­lich klin­gen; da ich aber bei sei­ner Aus­sa­ge vor Ort anwe­send war, kann ich sie bestätigen.)

Hier nun sein Bericht: »Die Ner­vo­si­tät nimmt zu. Zwölf (oder mehr) durch­trai­nier­te Poli­zei­be­am­te in drei Poli­zei­fahr­zeu­gen rück­ten heu­te gegen 15.20 Uhr an, nach­dem ein von der Droh­nen-Hyste­rie ange­steck­ter Bür­ger unser Ban­ner ›Nein zu Kriegs­übun­gen‹ her­un­ter­ge­fetzt hat­te und wir (vier Akti­vi­sten) in wil­de­stem Hand­ge­men­ge dem Mann das rie­si­ge Ban­ner zu ent­rei­ßen such­ten, wobei der wüten­de Mann ›Ihr Putin­schwei­ne‹ schrie.

Bevor das Ein­satz­kom­man­do ein­traf, hat­ten zwei Poli­zei­be­am­te vom Revier 23, die gera­de von der Auf­nah­me eines Ver­kehrs­un­falls kamen, in die Kei­le­rei ein­ge­grif­fen. Wie wir spä­ter erfuh­ren, waren die bei­den Beam­ten tel(efonisch) nicht erreich­bar [gewe­sen], sodass die Ein­satz­lei­tung offen­bar annahm, dass lin­ke Chao­ten am Werk sei­en und des­halb die erwähn­te Kom­pa­nie aus­rücken ließ. Als die­ses Ein­satz­kom­man­do (…) ein­traf, waren wir gera­de dabei, das Ban­ner wie­der auf­zu­hän­gen. Ganz wie im Film spran­gen die­se Män­ner auf uns zu und herrsch­ten uns an: ›Sofort auf­hö­ren, das Ban­ner auf­zu­hän­gen!‹ Wir spür­ten, wir waren Teil des Manö­vers gewor­den. (Dazu ist zu bemer­ken, dass die »Demon­stran­ten«, die im Rah­men des Manö­vers zu »behan­deln« waren, von der Bun­des­wehr gestellt wur­den (…). Nach einer Stun­de Zeu­gen­ver­neh­mung konn­ten wir unser Pro­gramm mit Saxo­phon und Text­le­sun­gen fort­set­zen. Der Pro­test gegen die Manö­ver hat zugenommen.«

Doch das ist eine ande­re Geschichte.