Der Sommer brachte neue Trends. Das heißt, neu sind manchmal nicht die Trends, aber die Erkenntnisse dazu. So stellte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer einen »Trend zur Deindustrialisierung« auch in Deutschland fest (Reuters/jW, 16.08.25). Und wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Freitag mitteilte, hat die Zahl der offiziell registrierten Erwerbslosen erstmals seit zehn Jahren die Marke von drei Millionen geknackt (jW, 30.08.25).
Dagegen hat die Bundesregierung natürlich ein bewährtes Mittel: Gipfeltreffen. Und da wird dann die alte Leier abgespielt: Die Löhne müssen runter, die Gewinne müssen rauf! Und alle müssen in Rüstung investieren.
Das ist allerdings auch nicht sooo sicher: Nach dem Gipfel in Alaska zwischen Trump und Putin titelte Wallstreet Online: »Friedenshoffnung belastet Rüstungswerte stark«. In der Tat verloren die Aktien des Panzergetriebeherstellers Renk und des Radarbauers Hensoldt am 19.08.25 über acht Prozent, die der Waffenschmiede Rheinmetall immerhin 5,6 Prozent an Wert (jW, 20.08.25).
Immerhin, Gipfel bewirken doch etwas! Aber auch dagegen gibt es ein Mittel: hektische Reiseaktivitäten der willigen Europäer, die unbedingt in der Ukraine weiterkämpfen wollen.
Während auf dem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) im chinesischen Tianjin der indische Elefant mit dem chinesischen Drachen tanzt und demonstrativ dem russischen Bären die Hand reicht, nur um dem amerikanischen Trampeltier eins auszuwischen.
Der Trend weltweit geht gegen Zolldiktate und Erpressung, und dank der chinesischen Wirtschafts-Weltmacht kann sich dieser Trend sogar durchsetzen – es sei denn, die USA setzten ihre militärische Macht ein. Sie versuchen es zurzeit offenbar in Venezuela mit Kanonenbooten und Beschuldigungen, es handele sich bei der Regierung Venezuelas um ein Drogenkartell. Als die Regierung Kolumbiens noch ein Drogenkartell war, fühlten sich die USA allerdings nicht davon gestört. Der Trend bei der Wahrnehmung ist eben selektiv.
Der Trend zum Völkermord wird von der israelischen Regierung weiterverfolgt, auch wenn langsam sogar in Deutschland die heißesten Israel-Fans kalte Füße kriegen. Und auch die rigidesten Maßnahmen von Polizei, Justiz, Medien und öffentlichen Arbeitgebern eine wachsende Solidarität mit den gepeinigten Palästinensern nicht mehr gänzlich stoppen können.
Der Stimmungstrend in Deutschland ist eher negativ. So schrieb Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, in einem am 16.08.25 an alle 365.000 CDU-Mitglieder per E-Mail verschickten Brief: »Die Stimmung ist derzeit nicht so gut, wie wir uns das gewünscht haben.« Irgendwie war dieser Brief bei der BILD-Zeitung gelandet, die als erste darüber berichtete (jW, 19.08.25), was allein schon ein Indiz für schlechte Stimmung ist.
Was also tun? Klar, man braucht einen Prügelknaben: Die Bürgergeld-Empfänger. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärt den Sozialstaat »für nicht mehr finanzierbar« (jW, 25.08.25). »Bullshit!« konterte Bärbel Bas, Bundesministerin für Arbeit und Soziales. Der Trend zur argumentativen Auseinandersetzung geht ungebrochen nach unten.
Fantastilliarden für die Aufrüstung der Ukraine hat sich die Regierung ja schon vor ihrem Beginn gesichert, aber nun fehlen 30 Milliarden für den Haushalt 2027, sagt Finanzminister Lars Klingbeil. Der Mann hat Voraussicht! Aber was sind schon 30 Milliarden angesichts dessen, dass 2029 der Russe in Deutschland einmarschieren wird? Denn der Trend zu völlig aus der Luft gegriffenen Vorhersagen nimmt ja ständig zu.
Dass Politiker mit Hang zu Sündenbock-Schlagen nicht überall erfolgreich sind, ist allerdings noch kein Trend: Die kubanische Arbeits- und Sozialministerin Marta Elena Feitó Cabrera kritisierte ihre Landsleute, die durch die Sanktionsmaßnahmen der USA gegen Kuba in prekäre Situationen geraten, sie gäben sich als Bettler aus, um leichtes Geld zu verdienen, versöffen ihr als Scheibenputzer erworbenes Geld und verkauften gesammelten Müll weiter. Die Dame wurde gerügt und reichte ihren Rücktritt ein, denn »Die Revolution darf niemanden zurücklassen – das ist unser Leitsatz«, sagte Präsident Miguel Díaz-Canel (jW, 17.07.25). Gegen den Trend hält sich Kuba noch immer eine Regierung, die den USA nicht zu Willen ist.