Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Sommer-Rückblick 2025

Der Som­mer brach­te neue Trends. Das heißt, neu sind manch­mal nicht die Trends, aber die Erkennt­nis­se dazu. So stell­te Com­merz­bank-Chef­volks­wirt Jörg Krä­mer einen »Trend zur Deindu­stria­li­sie­rung« auch in Deutsch­land fest (Reuters/​jW, 16.08.25). Und wie die Bun­des­agen­tur für Arbeit (BA) am Frei­tag mit­teil­te, hat die Zahl der offi­zi­ell regi­strier­ten Erwerbs­lo­sen erst­mals seit zehn Jah­ren die Mar­ke von drei Mil­lio­nen geknackt (jW, 30.08.25).

Dage­gen hat die Bun­des­re­gie­rung natür­lich ein bewähr­tes Mit­tel: Gip­fel­tref­fen. Und da wird dann die alte Lei­er abge­spielt: Die Löh­ne müs­sen run­ter, die Gewin­ne müs­sen rauf! Und alle müs­sen in Rüstung investieren.

Das ist aller­dings auch nicht sooo sicher: Nach dem Gip­fel in Alas­ka zwi­schen Trump und Putin titel­te Wall­street Online: »Frie­dens­hoff­nung bela­stet Rüstungs­wer­te stark«. In der Tat ver­lo­ren die Akti­en des Pan­zer­ge­trie­be­her­stel­lers Renk und des Radar­bau­ers Hen­soldt am 19.08.25 über acht Pro­zent, die der Waf­fen­schmie­de Rhein­me­tall immer­hin 5,6 Pro­zent an Wert (jW, 20.08.25).

Immer­hin, Gip­fel bewir­ken doch etwas! Aber auch dage­gen gibt es ein Mit­tel: hek­ti­sche Rei­se­ak­ti­vi­tä­ten der wil­li­gen Euro­pä­er, die unbe­dingt in der Ukrai­ne wei­ter­kämp­fen wollen.

Wäh­rend auf dem Gip­fel­tref­fen der Shang­hai­er Orga­ni­sa­ti­on für Zusam­men­ar­beit (SOZ) im chi­ne­si­schen Tian­jin der indi­sche Ele­fant mit dem chi­ne­si­schen Dra­chen tanzt und demon­stra­tiv dem rus­si­schen Bären die Hand reicht, nur um dem ame­ri­ka­ni­schen Tram­pel­tier eins auszuwischen.

Der Trend welt­weit geht gegen Zoll­dik­ta­te und Erpres­sung, und dank der chi­ne­si­schen Wirt­schafts-Welt­macht kann sich die­ser Trend sogar durch­set­zen – es sei denn, die USA setz­ten ihre mili­tä­ri­sche Macht ein. Sie ver­su­chen es zur­zeit offen­bar in Vene­zue­la mit Kano­nen­boo­ten und Beschul­di­gun­gen, es han­de­le sich bei der Regie­rung Vene­zue­las um ein Dro­gen­kar­tell. Als die Regie­rung Kolum­bi­ens noch ein Dro­gen­kar­tell war, fühl­ten sich die USA aller­dings nicht davon gestört. Der Trend bei der Wahr­neh­mung ist eben selektiv.

Der Trend zum Völ­ker­mord wird von der israe­li­schen Regie­rung wei­ter­ver­folgt, auch wenn lang­sam sogar in Deutsch­land die hei­ße­sten Isra­el-Fans kal­te Füße krie­gen. Und auch die rigi­de­sten Maß­nah­men von Poli­zei, Justiz, Medi­en und öffent­li­chen Arbeit­ge­bern eine wach­sen­de Soli­da­ri­tät mit den gepei­nig­ten Palä­sti­nen­sern nicht mehr gänz­lich stop­pen können.

Der Stim­mungs­trend in Deutsch­land ist eher nega­tiv. So schrieb Car­sten Lin­ne­mann, Gene­ral­se­kre­tär der CDU, in einem am 16.08.25 an alle 365.000 CDU-Mit­glie­der per E-Mail ver­schick­ten Brief: »Die Stim­mung ist der­zeit nicht so gut, wie wir uns das gewünscht haben.« Irgend­wie war die­ser Brief bei der BILD-Zei­tung gelan­det, die als erste dar­über berich­te­te (jW, 19.08.25), was allein schon ein Indiz für schlech­te Stim­mung ist.

Was also tun? Klar, man braucht einen Prü­gel­kna­ben: Die Bür­ger­geld-Emp­fän­ger. Bun­des­kanz­ler Fried­rich Merz (CDU) erklärt den Sozi­al­staat »für nicht mehr finan­zier­bar« (jW, 25.08.25). »Bull­shit!« kon­ter­te Bär­bel Bas, Bun­des­mi­ni­ste­rin für Arbeit und Sozia­les. Der Trend zur argu­men­ta­ti­ven Aus­ein­an­der­set­zung geht unge­bro­chen nach unten.

Fan­ta­stil­li­ar­den für die Auf­rü­stung der Ukrai­ne hat sich die Regie­rung ja schon vor ihrem Beginn gesi­chert, aber nun feh­len 30 Mil­li­ar­den für den Haus­halt 2027, sagt Finanz­mi­ni­ster Lars Kling­beil. Der Mann hat Vor­aus­sicht! Aber was sind schon 30 Mil­li­ar­den ange­sichts des­sen, dass 2029 der Rus­se in Deutsch­land ein­mar­schie­ren wird? Denn der Trend zu völ­lig aus der Luft gegrif­fe­nen Vor­her­sa­gen nimmt ja stän­dig zu.

Dass Poli­ti­ker mit Hang zu Sün­den­bock-Schla­gen nicht über­all erfolg­reich sind, ist aller­dings noch kein Trend: Die kuba­ni­sche Arbeits- und Sozi­al­mi­ni­ste­rin Mar­ta Ele­na Feitó Cabre­ra kri­ti­sier­te ihre Lands­leu­te, die durch die Sank­ti­ons­maß­nah­men der USA gegen Kuba in pre­kä­re Situa­tio­nen gera­ten, sie gäben sich als Bett­ler aus, um leich­tes Geld zu ver­die­nen, ver­s­öf­fen ihr als Schei­ben­put­zer erwor­be­nes Geld und ver­kauf­ten gesam­mel­ten Müll wei­ter. Die Dame wur­de gerügt und reich­te ihren Rück­tritt ein, denn »Die Revo­lu­ti­on darf nie­man­den zurück­las­sen – das ist unser Leit­satz«, sag­te Prä­si­dent Miguel Díaz-Canel (jW, 17.07.25). Gegen den Trend hält sich Kuba noch immer eine Regie­rung, die den USA nicht zu Wil­len ist.