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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Todesmaschinerie in ländlicher Idylle

Einst war das links­rhei­ni­sche Kal­kar Aus­tra­gungs­ort gro­ßer Demon­stra­tio­nen gegen die ato­ma­re Gefahr, als es dort gegen ein damals schon umstrit­te­nes Atom­kraft­werk mit Bau­ko­sten im Mil­li­ar­den­be­reich ging, um den beson­ders umstrit­te­nen Schnel­len Brü­ter, der auch atom­waf­fen­fä­hi­gen Kern­brenn­stoff »aus­brü­tet«. Die Groß­de­mon­stra­ti­on gegen die­ses Werk mit einer Betei­li­gung von meh­re­ren Zehn­tau­send im Sep­tem­ber 1977 führ­te zu einem der größ­ten Poli­zei­ein­sät­ze der bun­des­re­pu­bli­ka­ni­schen Geschich­te, mit dem der Staat sein Vor­ha­ben durch­set­zen woll­te. Noch heu­te demon­strie­ren dort jedes Jahr Frie­dens­kräf­te gegen die Gefahr eines Atomkrieges.

Die Frie­dens­be­we­gung hat die­ses Jahr bun­des­weit zwi­schen Ende Sep­tem­ber und dem 3. Okto­ber vie­le Akti­vi­tä­ten ent­fal­tet. Das Enga­ge­ment gegen die Mili­ta­ri­sie­rung und Rechts­ent­wick­lung mobi­li­siert vie­le Men­schen, und es ist gut, wenn sie sich der Zusam­men­hän­ge bewusst sind.

Der Mili­tär­sek­tor, den die Nato der­zeit in einem Umfang wie nie zuvor in der Geschich­te aus­baut, ist der Haupt­schä­di­ger der Bio­sphä­re. Die Mili­ta­ri­sie­rung der Gesell­schaft lenkt das Den­ken in die Kate­go­rien von Angriff und Ver­tei­di­gung, statt in die Rich­tung von Koope­ra­ti­on. Sie raubt der Gemein­schaft Res­sour­cen, die drin­gend für die Daseins­vor­sor­ge benö­tigt wer­den. Die Pro­ble­me betref­fen in kon­zen­tri­schen Krei­sen von außen nach innen die glo­ba­len Exi­stenz­pro­ble­me der Mensch­heit. Sie beschä­di­gen die Sta­bi­li­tät des staat­li­chen Gefü­ges, inklu­si­ve des Sozi­al­staa­tes, das Sozi­al­ver­hal­ten von Men­schen in ihren Kon­takt­grup­pen und damit letzt­lich auch eines/​r jede/​n als Individuum.

Die Bun­des­wehr hat schon lan­ge vor der aktu­el­len Auf­rü­stung mit cir­ca 4,5 Mil­lio­nen Ton­nen CO2-Äqui­va­len­ten wesent­lich mehr als alle zivi­len Inland­flü­ge aus­ge­sto­ßen. Die­ser Wert wird sich mehr als ver­dop­peln, wenn die Nato-Vor­ga­be von fünf Pro­zent der gesamt­wirt­schaft­li­chen Lei­stung rea­li­siert wird. Einen Groß­teil der mili­tä­ri­schen Umwelt­schä­di­gung ver­ur­sacht die Luft­waf­fe, deren Bedeu­tung für das Kriegs­ge­sche­hen in den letz­ten ein­hun­dert Jah­ren immer zen­tra­ler gewor­den ist.

Die­se Ent­wick­lung führt unter ande­rem dazu, dass die Bun­des­wehr und die Nato das »Zen­trum Luft­ope­ra­tio­nen« im links­rhei­ni­schen Kal­kar-Uedem als »Air Com­po­nent Com­mand« (ACC) beschleu­nigt aus­bau­en. Die mili­tä­ri­sche Bedeu­tung des »Zen­trums Luft­ope­ra­tio­nen« kann man gar nicht hoch genug ein­schät­zen, dies sowohl wegen der Mit­tel, die der Staat in sei­nen Auf- und Aus­bau inve­stiert, als auch, weil »Ope­ra­tio­nen« ein ver­schlei­ern­des Wort für Kriegs­hand­lun­gen ist. Der Dop­pel­stand­ort Kalkar/​Uedem ist laut Bun­des­wehr ein mul­ti­na­tio­na­ler »Kom­pe­tenz­stand­ort«. Es geht bei mili­tä­ri­schen Kom­pe­ten­zen um die Zer­stö­rung von Lebens­grund­la­gen und von Leben; der­ar­ti­ge Fähig­kei­ten wer­den hier gebün­delt, in vie­le Spe­zi­al­ge­bie­te unter­teilt sowie syn­er­ge­tisch auf­ein­an­der bezogen.

Zum einen ist dort seit 2003 das »Natio­na­le Lage- und Füh­rungs­zen­trum für Sicher­heit im Luft­raum«, das Welt­raum­la­ge­zen­trum und das Geo­in­for­ma­ti­ons­zen­trum; dem hier eben­falls ansäs­si­gen »Air Intel­li­gence Cen­ter« weist die Mili­tär­füh­rung die Auf­ga­be zu, die Vor­be­rei­tung und Ein­satz­füh­rung zu opti­mie­ren; die »Nato Spe­cial Ope­ra­ti­ons Air Task Group« trai­niert das Per­so­nal der Luft­waf­fe, von der Anlei­tung von Nach­wuchs­kräf­ten bis zur Füh­rung in der Orga­ni­sa­ti­on einer schlag­kräf­ti­gen Luft­waf­fe zur Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung von Luftkriegshandlungen.

Wor­um es dabei kon­kret geht, das macht u. a. der 24-Stun­den-Gefechts­stand der Luft­waf­fe als Bestand­teil des »Zen­tra­les Ope­ra­ti­ven Füh­rungs­zen­trums« deut­lich (Spie­gel, 7.2.2025). Es geht um Kriegs­tüch­tig­keit, und die reicht bis zur Atomkriegstüchtigkeit.

Das »Ope­ra­ti­ons­zen­trum« für die Luft- und Welt­raum-Kriegs­füh­rung umfasst dar­über hin­aus das Welt­raum­la­ge­zen­trum. Dies bedient das Geo­in­for­ma­ti­ons­zen­trum mit satel­li­ten­ge­stütz­ten Daten, mit denen die Luft­waf­fe meteo­ro­lo­gi­sche und geo­gra­fi­sche Details für den Ein­satz erhält. Dies hilft der Luft­waf­fe bei Manö­vern, dem all­täg­li­chen Übungs­be­trieb – und auch bei der Aus­füh­rung von Atom­schlä­gen mit den F 35-Bom­bern, die die Bun­des­wehr mit der Begrün­dung anschaff­te, sie brau­che die­se Flug­zeu­ge in Reak­ti­on auf den Ukrai­ne-Krieg. Im Okto­ber 2024 fand das letz­te Nato-Atom­kriegs­ma­nö­ver statt, es trug den Titel »Stead­fast Noon«. Nach Infor­ma­tio­nen des Brüs­se­ler Nato-Haupt­quar­tiers waren cir­ca 2.000 Sol­da­ten an dem End­zeit­ma­nö­ver betei­ligt, in des­sen Ver­lauf etwa 60 Flug­zeu­ge zum Ein­satz kamen.

Die Luft­waf­fe zer­stört Natur schon im All­tags- und Übungs­be­trieb. In einer durch­schnitt­li­chen Flug­stun­de emit­tiert ein Düsen­jä­ger je nach Typ und Ein­satz­art mehr kli­ma­schäd­li­che Ver­bren­nungs­ab­ga­se als ein Bun­des­bür­ger inner­halb eines Jah­res. Ihr Ver­brauch vari­iert zwi­schen cir­ca 2600 und 9000 Liter Kero­sin pro Stunde.

Die Stra­te­gie­schmie­de die­ser Nato-Leit­zen­tra­le, kei­ne 200 km von der Nato-Zen­tra­le in Brüs­sel ent­fernt, wur­de kürz­lich von »Joint Air Ope­ra­ti­ons Cent­re« (JAPCC) in »Joint Air and Space Ope­ra­ti­ons Cent­re« umbe­nannt. Das JAPCC schloss schon vor 11 Jah­ren einen gro­ßen Krieg in Euro­pa nicht mehr aus und emp­fahl in sei­ner dama­li­gen »Future Vector«-Konferenz einen »ange­mes­se­nen Mix nuklea­rer und nicht­ato­ma­rer Fähig­kei­ten«. Sie sahen vor­aus, dass ein die Zivi­li­sa­ti­on gefähr­den­der Flä­chen­brand von einem der Staa­ten aus­ge­hen kön­ne, der von der Nato-Ost-Expan­si­on betrof­fen ist und direkt an der rus­si­schen West­gren­ze liegt. Der Zusam­men­hang besteht dar­in, dass die­se Eska­la­ti­on der Abschreckungs­po­li­tik eine umge­kehr­te Kuba-Kri­se her­auf­be­schwört, so, wie wenn Mexi­ko der Schang­hai Orga­ni­sa­ti­on für Zusam­men­ar­beit bei­trä­te und chi­ne­si­sche Waf­fen vor Ari­zo­na und Kali­for­ni­en auf­ge­stellt wür­den. Das JAPCC tagt seit 2015 in der Mes­se Essen und die­ses Jahr in der für Groß­ver­an­stal­tun­gen mit Rock-Welt­stars aus­ge­leg­ten Gru­ga­hal­le. Dort wird laut Tagungs­ma­te­ri­al über die Vor­be­rei­tung von Kriegs­hand­lun­gen bera­ten. Die Frie­dens­be­we­gung demon­striert bestän­dig dage­gen, Infor­ma­tio­nen dazu fin­den sich auf der Web­site des Esse­ner Frie­dens­fo­rums: https://essener-friedensforum.de.