Einst war das linksrheinische Kalkar Austragungsort großer Demonstrationen gegen die atomare Gefahr, als es dort gegen ein damals schon umstrittenes Atomkraftwerk mit Baukosten im Milliardenbereich ging, um den besonders umstrittenen Schnellen Brüter, der auch atomwaffenfähigen Kernbrennstoff »ausbrütet«. Die Großdemonstration gegen dieses Werk mit einer Beteiligung von mehreren Zehntausend im September 1977 führte zu einem der größten Polizeieinsätze der bundesrepublikanischen Geschichte, mit dem der Staat sein Vorhaben durchsetzen wollte. Noch heute demonstrieren dort jedes Jahr Friedenskräfte gegen die Gefahr eines Atomkrieges.
Die Friedensbewegung hat dieses Jahr bundesweit zwischen Ende September und dem 3. Oktober viele Aktivitäten entfaltet. Das Engagement gegen die Militarisierung und Rechtsentwicklung mobilisiert viele Menschen, und es ist gut, wenn sie sich der Zusammenhänge bewusst sind.
Der Militärsektor, den die Nato derzeit in einem Umfang wie nie zuvor in der Geschichte ausbaut, ist der Hauptschädiger der Biosphäre. Die Militarisierung der Gesellschaft lenkt das Denken in die Kategorien von Angriff und Verteidigung, statt in die Richtung von Kooperation. Sie raubt der Gemeinschaft Ressourcen, die dringend für die Daseinsvorsorge benötigt werden. Die Probleme betreffen in konzentrischen Kreisen von außen nach innen die globalen Existenzprobleme der Menschheit. Sie beschädigen die Stabilität des staatlichen Gefüges, inklusive des Sozialstaates, das Sozialverhalten von Menschen in ihren Kontaktgruppen und damit letztlich auch eines/r jede/n als Individuum.
Die Bundeswehr hat schon lange vor der aktuellen Aufrüstung mit circa 4,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten wesentlich mehr als alle zivilen Inlandflüge ausgestoßen. Dieser Wert wird sich mehr als verdoppeln, wenn die Nato-Vorgabe von fünf Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung realisiert wird. Einen Großteil der militärischen Umweltschädigung verursacht die Luftwaffe, deren Bedeutung für das Kriegsgeschehen in den letzten einhundert Jahren immer zentraler geworden ist.
Diese Entwicklung führt unter anderem dazu, dass die Bundeswehr und die Nato das »Zentrum Luftoperationen« im linksrheinischen Kalkar-Uedem als »Air Component Command« (ACC) beschleunigt ausbauen. Die militärische Bedeutung des »Zentrums Luftoperationen« kann man gar nicht hoch genug einschätzen, dies sowohl wegen der Mittel, die der Staat in seinen Auf- und Ausbau investiert, als auch, weil »Operationen« ein verschleierndes Wort für Kriegshandlungen ist. Der Doppelstandort Kalkar/Uedem ist laut Bundeswehr ein multinationaler »Kompetenzstandort«. Es geht bei militärischen Kompetenzen um die Zerstörung von Lebensgrundlagen und von Leben; derartige Fähigkeiten werden hier gebündelt, in viele Spezialgebiete unterteilt sowie synergetisch aufeinander bezogen.
Zum einen ist dort seit 2003 das »Nationale Lage- und Führungszentrum für Sicherheit im Luftraum«, das Weltraumlagezentrum und das Geoinformationszentrum; dem hier ebenfalls ansässigen »Air Intelligence Center« weist die Militärführung die Aufgabe zu, die Vorbereitung und Einsatzführung zu optimieren; die »Nato Special Operations Air Task Group« trainiert das Personal der Luftwaffe, von der Anleitung von Nachwuchskräften bis zur Führung in der Organisation einer schlagkräftigen Luftwaffe zur Vorbereitung und Durchführung von Luftkriegshandlungen.
Worum es dabei konkret geht, das macht u. a. der 24-Stunden-Gefechtsstand der Luftwaffe als Bestandteil des »Zentrales Operativen Führungszentrums« deutlich (Spiegel, 7.2.2025). Es geht um Kriegstüchtigkeit, und die reicht bis zur Atomkriegstüchtigkeit.
Das »Operationszentrum« für die Luft- und Weltraum-Kriegsführung umfasst darüber hinaus das Weltraumlagezentrum. Dies bedient das Geoinformationszentrum mit satellitengestützten Daten, mit denen die Luftwaffe meteorologische und geografische Details für den Einsatz erhält. Dies hilft der Luftwaffe bei Manövern, dem alltäglichen Übungsbetrieb – und auch bei der Ausführung von Atomschlägen mit den F 35-Bombern, die die Bundeswehr mit der Begründung anschaffte, sie brauche diese Flugzeuge in Reaktion auf den Ukraine-Krieg. Im Oktober 2024 fand das letzte Nato-Atomkriegsmanöver statt, es trug den Titel »Steadfast Noon«. Nach Informationen des Brüsseler Nato-Hauptquartiers waren circa 2.000 Soldaten an dem Endzeitmanöver beteiligt, in dessen Verlauf etwa 60 Flugzeuge zum Einsatz kamen.
Die Luftwaffe zerstört Natur schon im Alltags- und Übungsbetrieb. In einer durchschnittlichen Flugstunde emittiert ein Düsenjäger je nach Typ und Einsatzart mehr klimaschädliche Verbrennungsabgase als ein Bundesbürger innerhalb eines Jahres. Ihr Verbrauch variiert zwischen circa 2600 und 9000 Liter Kerosin pro Stunde.
Die Strategieschmiede dieser Nato-Leitzentrale, keine 200 km von der Nato-Zentrale in Brüssel entfernt, wurde kürzlich von »Joint Air Operations Centre« (JAPCC) in »Joint Air and Space Operations Centre« umbenannt. Das JAPCC schloss schon vor 11 Jahren einen großen Krieg in Europa nicht mehr aus und empfahl in seiner damaligen »Future Vector«-Konferenz einen »angemessenen Mix nuklearer und nichtatomarer Fähigkeiten«. Sie sahen voraus, dass ein die Zivilisation gefährdender Flächenbrand von einem der Staaten ausgehen könne, der von der Nato-Ost-Expansion betroffen ist und direkt an der russischen Westgrenze liegt. Der Zusammenhang besteht darin, dass diese Eskalation der Abschreckungspolitik eine umgekehrte Kuba-Krise heraufbeschwört, so, wie wenn Mexiko der Schanghai Organisation für Zusammenarbeit beiträte und chinesische Waffen vor Arizona und Kalifornien aufgestellt würden. Das JAPCC tagt seit 2015 in der Messe Essen und dieses Jahr in der für Großveranstaltungen mit Rock-Weltstars ausgelegten Grugahalle. Dort wird laut Tagungsmaterial über die Vorbereitung von Kriegshandlungen beraten. Die Friedensbewegung demonstriert beständig dagegen, Informationen dazu finden sich auf der Website des Essener Friedensforums: https://essener-friedensforum.de.