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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Trumps Energiekrieg als Businessplan

Donald Trump insze­niert sich gern als Ret­ter – mal der ame­ri­ka­ni­schen Arbei­ter­klas­se, mal der glo­ba­len Ord­nung. Nun tritt er auch als ver­meint­li­cher Erlö­ser Euro­pas auf: Frei von rus­si­schem Gas, frei von Putins Öl, frei von der alten Abhän­gig­keit. Klingt nach »Befrei­ung« – und ist doch nichts ande­res als ein Tausch­ge­schäft: Euro­pa soll den alten Lie­fe­ran­ten aus Mos­kau gegen einen neu­en aus Texas ein­tau­schen. Washing­ton lie­fert, Washing­ton kas­siert. Und die Ukrai­ne, die in Trumps Rhe­to­rik schnell »den Krieg been­den« soll­te, wird zum Hebel einer ener­gie­po­li­ti­schen Rocha­de, deren End­ziel klar ist: ame­ri­ka­ni­sche Ener­gie als geo­po­li­ti­sche Waf­fe und Geschäftsmodell.

Jüng­ste Reu­ters-Recher­chen lie­fern den Beleg dafür, wie eng mili­tä­ri­sche Tak­tik und Ener­gie­öko­no­mie zusam­men­spie­len. Die USA stel­len der Ukrai­ne künf­tig gezielt Geheim­dienst­in­for­ma­tio­nen für Angrif­fe auf rus­si­sche Ener­gie­infra­struk­tur bereit – Raf­fi­ne­rien, Pipe­lines, Kraft­wer­ke. Damit soll nicht nur Putins Kriegs­kas­se trocken­ge­legt wer­den. Es wird auch Euro­pas Ener­gie­ab­hän­gig­keit so umge­stal­tet, dass am Ende vor allem ame­ri­ka­ni­sche LNG-Tan­ker die Ver­sor­gung sichern. Ein Frei­heits­ver­spre­chen, das in Wirk­lich­keit eine Wert­schöp­fungs­ket­te ist.

Dass Ener­gie­ein­nah­men Putins wich­tig­ste Quel­le der Kriegs­fi­nan­zie­rung dar­stel­len, ist kein Geheim­nis. Russ­land ver­kauft Roh­öl, Gas, Petro­le­um­pro­duk­te – und kann selbst unter Sank­tio­nen noch Käu­fer fin­den: Indi­en, Chi­na, die Tür­kei. Doch was Washing­ton jetzt mit Kiew ver­ab­re­det, ver­schiebt die Dimen­si­on: Es sind nicht mehr nur öko­no­mi­sche Maß­nah­men, son­dern mili­tä­ri­sche Angrif­fe auf die Adern der rus­si­schen Volkswirtschaft.

Offi­zi­ell begrün­det: Je weni­ger Öl Russ­land expor­tie­ren kann, desto gerin­ger die Kriegs­kas­se. Inof­fi­zi­ell aber ist klar: Je stär­ker Russ­lands Markt­an­tei­le schrump­fen, desto grö­ßer die Chan­cen für US-ame­ri­ka­ni­sche Pro­du­zen­ten, ihre Kapa­zi­tä­ten in Euro­pa abzu­set­zen. Schon jetzt sind die USA der größ­te LNG-Lie­fe­rant der EU – und Trump will, dass es so bleibt.

Trumps Tak­tik ist so durch­schau­bar wie sim­pel: Auf der UN-Büh­ne don­nert er gegen Euro­pas Ener­gie­ab­hän­gig­keit von Russ­land. Gleich­zei­tig prä­sen­tiert er Ame­ri­kas eige­ne Öl- und Gas­men­gen als ret­ten­de Alter­na­ti­ve. Wer das rus­si­sche Fass ver­wei­gert, soll künf­tig am ame­ri­ka­ni­schen Hahn hängen.

Dabei setzt er auf Druck­mit­tel: Straf­zöl­le auf EU-Indu­strie­pro­duk­te, Sank­tio­nen gegen Dritt­staa­ten wie Indi­en oder die Tür­kei, falls die­se wei­ter rus­si­sches Öl kau­fen. Selbst gegen­über Ver­bün­de­ten kennt Trump nur eine Spra­che: Ent­we­der ihr folgt der Linie – oder ihr spürt die Macht der US-Handelswaffen.

Das hat Metho­de. Denn Trumps Ener­gie­po­li­tik ist nichts weni­ger als die Fort­set­zung der »Ame­ri­ca First«-Strategie mit fos­si­len Mit­teln. Wo frü­her Stahl­zöl­le stan­den, ste­hen heu­te LNG-Lie­fer­ver­trä­ge. Wo frü­her »Zahlt mehr für die Nato!« stand, steht jetzt: »Kauft unser Gas, oder ihr zahlt doppelt.«

Die EU fei­ert sich gern als »stra­te­gisch auto­nom«, als Akteur, der eige­ne Inter­es­sen ver­folgt. Doch in der Ener­gie­fra­ge zeigt sich, wie schnell die Illu­si­on bröckelt. Seit 2022 hat Euro­pa sei­ne Impor­te aus Russ­land dra­stisch redu­ziert, die Ölein­käu­fe etwa von 29 Pro­zent am Ener­gie­haus­halt auf zwei Pro­zent, die Gasim­por­te sind um mehr als zwei Drit­tel geschrumpft. Klingt nach Erfolg – ist aber teu­er erkauft.

Denn die Ver­sor­gungs­lücken stopf­ten vor allem US-ame­ri­ka­ni­sche Tan­ker. Und Trump sorgt dafür, dass die­se Abhän­gig­keit zemen­tiert wird: mit einem Ener­gie-Deal, der die EU ver­pflich­tet, ihre LNG-Impor­te aus den USA bis 2028 mas­siv aus­zu­bau­en. Wer dage­gen­hält, ris­kiert Handelskonflikte.

In Brüs­sel redet man vom »Diver­si­fi­zie­rungs­er­folg«. In Wirk­lich­keit droht eine Mono­pol­stel­lung der USA. Statt dem »Gas­rus­sen« sitzt nun der »Gaste­xa­ner« am län­ge­ren Hebel.

Die neue Kom­po­nen­te: mili­tä­ri­sche Unter­stüt­zung für ukrai­ni­sche Angrif­fe auf rus­si­sche Ener­gie­an­la­gen. Offi­zi­ell: um Putins Ein­nah­men zu beschnei­den. Fak­tisch: um Russ­lands Kon­kur­renz­fä­hig­keit zu schä­di­gen. Dass Trump dabei Rhe­to­rik und Rea­li­tät geschickt mischt, ist typisch. Auf Truth Social schreibt er, die Ukrai­ne kön­ne »mit EU-Unter­stüt­zung das gan­ze Land zurück­er­obern«. Gleich­zei­tig geneh­migt er Maß­nah­men, die Russ­land öko­no­misch stran­gu­lie­ren sol­len. Es ist eine Mischung aus Kriegs­lo­gik und Han­dels­stra­te­gie: Wenn die Kon­kur­renz zer­stört wird, fül­len die eige­nen Expor­te das Vakuum.

Toma­hawk-Mis­siles mit 2.500 Kilo­me­tern Reich­wei­te, ukrai­ni­sche Eigen­ent­wick­lun­gen wie die »Flamingo«-Rakete, US-Intel­li­gence als Ziel­ko­or­di­na­tor – das sind kei­ne Frie­dens­in­stru­men­te. Das sind Hebel einer Ener­gie­kriegs­füh­rung, die den euro­päi­schen Markt gleich mitgestaltet.

Trump will den Block geschlos­sen sehen. Doch die Ris­se sind da. Ungarn erklärt unver­blümt, ein sofor­ti­ger Stopp rus­si­scher Ener­gie­im­por­te wür­de die Wirt­schaft rui­nie­ren. Indi­en pro­fi­tiert von ver­bil­lig­tem Öl aus Mos­kau. Die Tür­kei balan­ciert zwi­schen Nato-Mit­glied­schaft und gün­sti­gen Lieferungen.

Die US-Stra­te­gie zielt des­halb nicht nur auf Russ­land, son­dern auch auf die Umzin­ge­lung sei­ner Kun­den. Wer wei­ter in Mos­kau kauft, muss mit US-Straf­maß­nah­men rech­nen. Das klingt nach »Wer­te­ge­mein­schaft« – ist aber nichts ande­res als Markt­dis­zi­pli­nie­rung durch Sanktionen.

Der viel­leicht bit­ter­ste Punkt: Euro­pa lässt es mit sich machen. Statt kon­se­quent eige­ne Alter­na­ti­ven zu ent­wickeln – erneu­er­ba­re Ener­gien, Spei­cher, Dezen­tra­li­tät –, ver­lässt man sich lie­ber auf die schnel­le Lösung aus Über­see. Trump lie­fert, Euro­pa zahlt.

Dabei wäre die Chan­ce histo­risch: Inve­sti­tio­nen in Wind, Solar, Geo­ther­mie, gekop­pelt an Spei­cher- und Netz­tech­no­lo­gie, könn­ten die Import­ab­hän­gig­keit dra­stisch sen­ken. Doch solan­ge die poli­ti­sche Klas­se lie­ber trans­at­lan­ti­sche Treue­schwü­re ablegt, bleibt der Struk­tur­wan­del halb­her­zig. So wird Ener­gie­po­li­tik zur Fort­set­zung der Geo­po­li­tik mit fos­si­len Mit­teln. Und Euro­pa ver­passt die Gele­gen­heit, sich selbst aus dem Wür­ge­griff der Lie­fer­ab­hän­gig­kei­ten zu befreien.

»Trump ist ein spe­zi­el­ler Poli­ti­ker, er mag schnel­le Lösun­gen«, höhn­te jüngst Russ­lands UN-Bot­schaf­ter Nebenz­ja. Tref­fen­der lässt sich die Fal­le kaum beschrei­ben. Denn in der Ener­gie­po­li­tik gibt es kei­ne schnel­len Lösun­gen. Jede Pipe­line, jeder LNG-Ter­mi­nal, jede Spei­cher­an­la­ge braucht Jah­re, nicht Tweets.

Doch Trump lebt von der Illu­si­on der Mach­bar­keit: Ein Dekret, ein Zoll, ein Deal – und schon scheint das Pro­blem gelöst. Für Euro­pa heißt das: sich ein­span­nen las­sen in ein Spiel, des­sen Regeln längst in Hou­ston und Washing­ton geschrie­ben wur­den. Euro­pa will frei von Putins Gas sein. Ver­ständ­lich, not­wen­dig, sicher­heits­po­li­tisch logisch. Aber frei wird man nicht, indem man sich von einer Abhän­gig­keit in die näch­ste stürzt.

Trumps Ener­gie­of­fen­si­ve ist kein Akt der Soli­da­ri­tät. Sie ist ein Geschäfts­mo­dell. Jeder zer­stör­te rus­si­sche Pipe­line-Kno­ten, jede sank­tio­nier­te indi­sche Tan­ker­lie­fe­rung, jeder US-Tan­ker in Rot­ter­dam – all das sind Mosa­ik­stei­ne einer Stra­te­gie, die geo­po­li­ti­sche Macht und öko­no­mi­sches Pro­fit­in­ter­es­se untrenn­bar ver­knüpft. Wer das nicht sehen will, macht sich selbst zum Kom­pli­zen einer Poli­tik, die Frei­heit pre­digt und Abhän­gig­keit verkauft.

Der wah­re Aus­weg liegt nicht in LNG-Ver­trä­gen, son­dern in einer euro­päi­schen Ener­gie­po­li­tik, die Auto­no­mie ernst meint: erneu­er­bar, dezen­tral, soli­da­risch. Alles ande­re bleibt der alte Tausch­han­del – nur mit neu­em Lieferanten.