Donald Trump inszeniert sich gern als Retter – mal der amerikanischen Arbeiterklasse, mal der globalen Ordnung. Nun tritt er auch als vermeintlicher Erlöser Europas auf: Frei von russischem Gas, frei von Putins Öl, frei von der alten Abhängigkeit. Klingt nach »Befreiung« – und ist doch nichts anderes als ein Tauschgeschäft: Europa soll den alten Lieferanten aus Moskau gegen einen neuen aus Texas eintauschen. Washington liefert, Washington kassiert. Und die Ukraine, die in Trumps Rhetorik schnell »den Krieg beenden« sollte, wird zum Hebel einer energiepolitischen Rochade, deren Endziel klar ist: amerikanische Energie als geopolitische Waffe und Geschäftsmodell.
Jüngste Reuters-Recherchen liefern den Beleg dafür, wie eng militärische Taktik und Energieökonomie zusammenspielen. Die USA stellen der Ukraine künftig gezielt Geheimdienstinformationen für Angriffe auf russische Energieinfrastruktur bereit – Raffinerien, Pipelines, Kraftwerke. Damit soll nicht nur Putins Kriegskasse trockengelegt werden. Es wird auch Europas Energieabhängigkeit so umgestaltet, dass am Ende vor allem amerikanische LNG-Tanker die Versorgung sichern. Ein Freiheitsversprechen, das in Wirklichkeit eine Wertschöpfungskette ist.
Dass Energieeinnahmen Putins wichtigste Quelle der Kriegsfinanzierung darstellen, ist kein Geheimnis. Russland verkauft Rohöl, Gas, Petroleumprodukte – und kann selbst unter Sanktionen noch Käufer finden: Indien, China, die Türkei. Doch was Washington jetzt mit Kiew verabredet, verschiebt die Dimension: Es sind nicht mehr nur ökonomische Maßnahmen, sondern militärische Angriffe auf die Adern der russischen Volkswirtschaft.
Offiziell begründet: Je weniger Öl Russland exportieren kann, desto geringer die Kriegskasse. Inoffiziell aber ist klar: Je stärker Russlands Marktanteile schrumpfen, desto größer die Chancen für US-amerikanische Produzenten, ihre Kapazitäten in Europa abzusetzen. Schon jetzt sind die USA der größte LNG-Lieferant der EU – und Trump will, dass es so bleibt.
Trumps Taktik ist so durchschaubar wie simpel: Auf der UN-Bühne donnert er gegen Europas Energieabhängigkeit von Russland. Gleichzeitig präsentiert er Amerikas eigene Öl- und Gasmengen als rettende Alternative. Wer das russische Fass verweigert, soll künftig am amerikanischen Hahn hängen.
Dabei setzt er auf Druckmittel: Strafzölle auf EU-Industrieprodukte, Sanktionen gegen Drittstaaten wie Indien oder die Türkei, falls diese weiter russisches Öl kaufen. Selbst gegenüber Verbündeten kennt Trump nur eine Sprache: Entweder ihr folgt der Linie – oder ihr spürt die Macht der US-Handelswaffen.
Das hat Methode. Denn Trumps Energiepolitik ist nichts weniger als die Fortsetzung der »America First«-Strategie mit fossilen Mitteln. Wo früher Stahlzölle standen, stehen heute LNG-Lieferverträge. Wo früher »Zahlt mehr für die Nato!« stand, steht jetzt: »Kauft unser Gas, oder ihr zahlt doppelt.«
Die EU feiert sich gern als »strategisch autonom«, als Akteur, der eigene Interessen verfolgt. Doch in der Energiefrage zeigt sich, wie schnell die Illusion bröckelt. Seit 2022 hat Europa seine Importe aus Russland drastisch reduziert, die Öleinkäufe etwa von 29 Prozent am Energiehaushalt auf zwei Prozent, die Gasimporte sind um mehr als zwei Drittel geschrumpft. Klingt nach Erfolg – ist aber teuer erkauft.
Denn die Versorgungslücken stopften vor allem US-amerikanische Tanker. Und Trump sorgt dafür, dass diese Abhängigkeit zementiert wird: mit einem Energie-Deal, der die EU verpflichtet, ihre LNG-Importe aus den USA bis 2028 massiv auszubauen. Wer dagegenhält, riskiert Handelskonflikte.
In Brüssel redet man vom »Diversifizierungserfolg«. In Wirklichkeit droht eine Monopolstellung der USA. Statt dem »Gasrussen« sitzt nun der »Gastexaner« am längeren Hebel.
Die neue Komponente: militärische Unterstützung für ukrainische Angriffe auf russische Energieanlagen. Offiziell: um Putins Einnahmen zu beschneiden. Faktisch: um Russlands Konkurrenzfähigkeit zu schädigen. Dass Trump dabei Rhetorik und Realität geschickt mischt, ist typisch. Auf Truth Social schreibt er, die Ukraine könne »mit EU-Unterstützung das ganze Land zurückerobern«. Gleichzeitig genehmigt er Maßnahmen, die Russland ökonomisch strangulieren sollen. Es ist eine Mischung aus Kriegslogik und Handelsstrategie: Wenn die Konkurrenz zerstört wird, füllen die eigenen Exporte das Vakuum.
Tomahawk-Missiles mit 2.500 Kilometern Reichweite, ukrainische Eigenentwicklungen wie die »Flamingo«-Rakete, US-Intelligence als Zielkoordinator – das sind keine Friedensinstrumente. Das sind Hebel einer Energiekriegsführung, die den europäischen Markt gleich mitgestaltet.
Trump will den Block geschlossen sehen. Doch die Risse sind da. Ungarn erklärt unverblümt, ein sofortiger Stopp russischer Energieimporte würde die Wirtschaft ruinieren. Indien profitiert von verbilligtem Öl aus Moskau. Die Türkei balanciert zwischen Nato-Mitgliedschaft und günstigen Lieferungen.
Die US-Strategie zielt deshalb nicht nur auf Russland, sondern auch auf die Umzingelung seiner Kunden. Wer weiter in Moskau kauft, muss mit US-Strafmaßnahmen rechnen. Das klingt nach »Wertegemeinschaft« – ist aber nichts anderes als Marktdisziplinierung durch Sanktionen.
Der vielleicht bitterste Punkt: Europa lässt es mit sich machen. Statt konsequent eigene Alternativen zu entwickeln – erneuerbare Energien, Speicher, Dezentralität –, verlässt man sich lieber auf die schnelle Lösung aus Übersee. Trump liefert, Europa zahlt.
Dabei wäre die Chance historisch: Investitionen in Wind, Solar, Geothermie, gekoppelt an Speicher- und Netztechnologie, könnten die Importabhängigkeit drastisch senken. Doch solange die politische Klasse lieber transatlantische Treueschwüre ablegt, bleibt der Strukturwandel halbherzig. So wird Energiepolitik zur Fortsetzung der Geopolitik mit fossilen Mitteln. Und Europa verpasst die Gelegenheit, sich selbst aus dem Würgegriff der Lieferabhängigkeiten zu befreien.
»Trump ist ein spezieller Politiker, er mag schnelle Lösungen«, höhnte jüngst Russlands UN-Botschafter Nebenzja. Treffender lässt sich die Falle kaum beschreiben. Denn in der Energiepolitik gibt es keine schnellen Lösungen. Jede Pipeline, jeder LNG-Terminal, jede Speicheranlage braucht Jahre, nicht Tweets.
Doch Trump lebt von der Illusion der Machbarkeit: Ein Dekret, ein Zoll, ein Deal – und schon scheint das Problem gelöst. Für Europa heißt das: sich einspannen lassen in ein Spiel, dessen Regeln längst in Houston und Washington geschrieben wurden. Europa will frei von Putins Gas sein. Verständlich, notwendig, sicherheitspolitisch logisch. Aber frei wird man nicht, indem man sich von einer Abhängigkeit in die nächste stürzt.
Trumps Energieoffensive ist kein Akt der Solidarität. Sie ist ein Geschäftsmodell. Jeder zerstörte russische Pipeline-Knoten, jede sanktionierte indische Tankerlieferung, jeder US-Tanker in Rotterdam – all das sind Mosaiksteine einer Strategie, die geopolitische Macht und ökonomisches Profitinteresse untrennbar verknüpft. Wer das nicht sehen will, macht sich selbst zum Komplizen einer Politik, die Freiheit predigt und Abhängigkeit verkauft.
Der wahre Ausweg liegt nicht in LNG-Verträgen, sondern in einer europäischen Energiepolitik, die Autonomie ernst meint: erneuerbar, dezentral, solidarisch. Alles andere bleibt der alte Tauschhandel – nur mit neuem Lieferanten.