Das Buch »Die Ukraine im zerstörerischen Zugriff globaler Politik« von Peter-Alexis Albrecht (em. Prof. für Strafrecht und Kriminologie) und Herwig Roggemann (em. Prof. für Osteuropakunde) bietet zwei fundierte Aufsätze auf der Suche nach friedensstiftenden Politikansätzen, jenseits tagespolitischer Feindbilder und Ultimaten. In Analysen zur Völkerrechtsproblematik und zu den geschichtlichen Hintergründen des Ukraine-Krieges fächern die Autoren die komplizierte rechtliche und geschichtliche Gemengelage auf, die bei einer Friedenslösung berücksichtigt werden sollte – so, nach Prof. Albrecht, etwa die Jahrhunderte lange komplizierte Verflochtenheit russischer und ukrainischer Geschichte, die eine föderale Lösung, statt einer separatistischen, zum gegenseitigen Vorteil aller Seiten nahegelegt hätte, oder den bisher nicht berücksichtigten völkerrechtlichen Widerspruch zwischen »freier Bündniswahl« einerseits und »Gewährleistung unteilbarer Sicherheit« andererseits, wie es in der Schlussakte von Helsinki formuliert wurde; während Russland auf letzterem besteht, ging es den USA und ihren Verbündeten um ersteres, letztlich um die »Erledigung« des Prinzips gemeinsamer Sicherheit. Hintergründe dafür seien fundamentale ökonomische Interessen der USA und des Westens, sowie ihr Ringen um globale Hegemonie. Nicht zu vergessen sei schließlich, dass Russland drei Mal von Westeuropa, insbesondere Deutschland, angegriffen wurde: von Napoleon mit 2 Millionen Opfern, im 1. Weltkrieg, mit 7 Millionen und im 2. Weltkrieg mit 25 Millionen Toten.
Prof. Roggemann analysiert u. a. die Hintergründe der 2013 blutig endenden Großdemonstrationen auf dem Maidan, die nachweislich von rechtsradikalen Nationalisten (faschistoiden Bandera-Anhängern) mit westlicher Unterstützung, inszeniert wurden, um die gewählte Janukowitsch-Regierung zu stürzen. Dieser rechtswidrige Staatsstreich, der nie juristisch aufgearbeitet wurde, hat den Konflikt mit der russischen Bevölkerung und schließlich mit Russland erst ausgelöst. Dennoch wird der Krieg Russlands gegen die ukrainischen Machthaber nicht gerechtfertigt. Er sei »ein Kriegsverbrechen und eine der großen Fehlentscheidungen in der neueren russischen Geschichte«. Es handele sich nicht um einen »gerechtfertigten Verteidigungskrieg«, sei aber »das bisher letzte Glied einer von den USA, Nato und EU (…) in Lauf gesetzten Kausalkette von Fehlentscheidungen«. Auch die Politik von Merz setze diese Fehlentscheidungen mit der massiven Aufrüstungspolitik fort, »mit der unbegründeten Behauptung, dass Putin« so Merz »einen Angriffskrieg gegen Europa und nicht nur gegen die territoriale Integrität der Ukraine« führe. Dabei wird auf die Erklärung der einstigen CDU-Bundeskanzlerin Merkel verwiesen, wonach »es kein Entweder-oder zwischen einer Annäherung (…) an die EU und dem russischen Bemühen um engere Partnerschaft mit diesen Ländern« gebe.
Das Fazit lautet: alle »Siegespläne« gegen Russland wären »ohne eine unverantwortliche, existenzielle Selbstgefährdung Europas nicht durchsetzbar«.
Obwohl beide Aufsätze wichtige Ursachen dieses Globalkonflikts zutreffend analysieren, wird eine wichtige historische Einordnung m.E. im Buch nicht explizit behandelt: Die heutige gefährliche internationale Lage, nicht nur im Ukraine-Konflikt, basiert auf der Fortsetzung des Ost-West-Kampfes im »Kalten Krieg«, der leider in heiße Kriege, primär durch den Westen, übergegangen ist. Es ist die Auseinandersetzung um die u.a. von Marx gestellte Grundfrage, ob der imperialen Globalisierung des kapitalistischen Westens die Zukunft gehört, oder doch einer stärker staatswirtschaftlich-zentralisierten Gesellschaft, die dem sozialen, ökologischen und demokratischen Gemeinwohl der Menschheit auf Dauer besser dienlich ist, um ein Überleben von Natur und Weltbevölkerung in Zukunft zu sichern.
Peter-Alexis Albrecht/Herwig Roggemann: Die Ukraine im zerstörerischen Zugriff globaler Politik, Berlin 2025, 240 S., 18 €.