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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Verlegte Schuhlöffel

Die Ankün­di­gung des Manö­vers »Red Storm Bra­vo« erreg­te, im Gegen­satz zu sei­nem Vor­gän­ger, »Red Storm Alpha«, bei der Flug­blatt­ver­tei­lung unse­rer Frie­dens­in­itia­ti­ve Ham­burg-Alto­na (»FRIED:A«) deut­li­ches Unbehagen.

»Red Storm Alpha« hat­te sich auf das Hafen­ge­biet beschränkt (»Nato-Hafen Ham­burg«), »Red Storm Bra­vo« soll­te sich dem­ge­gen­über auf ganz Ham­burg mit allen Lebens­be­rei­chen erstrecken. Das Publi­kum zog nun­mehr Ver­bin­dun­gen zu einem Phä­no­men, das Karl-Theo­dor von und zu Gut­ten­berg »umgangs­sprach­lich« als »Krieg« bezeich­net hatte.

Eini­ge Wochen, bevor in Ham­burg der »Red Storm Bra­vo« statt­fin­den soll­te, ver­miss­te ich mei­nen Schuh­löf­fel, der sei­nen festen Platz hat­te, wo ich ihn aber nicht mehr fand. Ich ärger­te mich dar­über, weil ich mich mit mei­ner alters­be­ding­ten Schus­se­lig­keit nicht abfin­den wollte.

Sicher nicht ohne einen inhalt­li­chen Zusam­men­hang zu dem Manö­ver, fan­den auch die Mit­glie­der unse­rer Woh­nungs­bau­ge­nos­sen­schaft Bro­schü­ren zum The­ma »Kata­stro­phen­schutz« in ihren Brief­kä­sten. Ich zeig­te einer Besu­che­rin aus einem ande­ren Stadt­teil die­se Bro­schü­re, die sie noch nicht erhal­ten hatte.

Wie über­rascht aber war ich, als ich die Bro­schü­re an ihren dafür vor­ge­se­he­nen Ort legen woll­te! Da lag – in aller Unschuld – der von mir ver­miss­te Schuh­löf­fel! Nun brauch­te ich, bild­lich gespro­chen, nur noch zwei und zwei zusam­men­zu­zäh­len und der Besu­che­rin und anschlie­ßend »FRIED:A« mei­ne ein­deu­ti­ge Schluss­fol­ge­rung mit­zu­tei­len, und die­se muss­te lau­ten: »Die Bel­li­zi­sten ver­su­chen mit allen Mit­teln, uns Knüp­pel zwi­schen die Bei­ne zu wer­fen.« Auf mei­ne Schil­de­rung des zugrun­de­lie­gen­den Vor­gangs erhielt ich zwei über­aus scharf­sin­ni­ge Ergän­zun­gen mei­ner Inter­pre­ta­ti­on, die die­se nur noch ver­fe­stig­ten. Hier die erste:

»Lie­ber Lothar,
Sie ver­fol­gen uns bis in unse­re Wand­schrän­ke. Wenn sie in Frie­dens­zei­ten mit ihren Sicher­heits­ver­wei­sen bereits ver­hin­dern, dass man pro­blem­los einen Schuh über­strei­fen kann, wie wenig neu­gie­rig ist man dann dar­auf, zu wis­sen, wie hilf­reich sie im Kata­stro­phen­fall sind, wenn es dar­auf ankä­me, das blan­ke Leben zu retten!?
Herz­lichst Uta«

Die­ser pes­si­mi­sti­schen Sicht im Hin­blick auf uns alle als poten­zi­el­le Kata­stro­phen­op­fer wur­de in der zwei­ten Zuschrift die Inter­pre­ta­ti­on des Ereig­nis­ses als ver­deck­ter Ver­such ent­tarnt, durch Ent­fes­se­lung einer Mas­sen­pa­nik Zuspruch für den Kata­stro­phen­schutz zu fin­den. Ich war beschämt, von die­ser Tat­sa­che bis­her noch nichts geahnt zu haben.

»Lie­ber Lothar,
es ist doch all­ge­mein bekannt, dass die Kata­stro­phen­schutz-Kam­pa­gne sich expli­zit dar­auf spe­zia­li­siert, als War­nung vor der Kata­stro­phe Schuh­löf­fel ver­schwin­den zu las­sen. Die­ses grau­en­haf­te Ereig­nis soll die Bevöl­ke­rung auf­schrecken las­sen. Dar­um: es lebe der Katastrophenschutz!
Beste Grü­ße, Ilse«

Zusam­men­ge­fasst, kann ich nicht umhin, mei­nen bei­den Frie­dens­freun­din­nen für ihren Scharf­sinn zu dan­ken, auch wenn mich der Ver­gleich der bei­den Inter­pre­ta­tio­nen rat­los zurück­ließ. Zu berück­sich­ti­gen ist aller­dings: Dies alles begab sich eini­ge Wochen, bevor »Red Storm Bra­vo« begann.