Die Ankündigung des Manövers »Red Storm Bravo« erregte, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, »Red Storm Alpha«, bei der Flugblattverteilung unserer Friedensinitiative Hamburg-Altona (»FRIED:A«) deutliches Unbehagen.
»Red Storm Alpha« hatte sich auf das Hafengebiet beschränkt (»Nato-Hafen Hamburg«), »Red Storm Bravo« sollte sich demgegenüber auf ganz Hamburg mit allen Lebensbereichen erstrecken. Das Publikum zog nunmehr Verbindungen zu einem Phänomen, das Karl-Theodor von und zu Guttenberg »umgangssprachlich« als »Krieg« bezeichnet hatte.
Einige Wochen, bevor in Hamburg der »Red Storm Bravo« stattfinden sollte, vermisste ich meinen Schuhlöffel, der seinen festen Platz hatte, wo ich ihn aber nicht mehr fand. Ich ärgerte mich darüber, weil ich mich mit meiner altersbedingten Schusseligkeit nicht abfinden wollte.
Sicher nicht ohne einen inhaltlichen Zusammenhang zu dem Manöver, fanden auch die Mitglieder unserer Wohnungsbaugenossenschaft Broschüren zum Thema »Katastrophenschutz« in ihren Briefkästen. Ich zeigte einer Besucherin aus einem anderen Stadtteil diese Broschüre, die sie noch nicht erhalten hatte.
Wie überrascht aber war ich, als ich die Broschüre an ihren dafür vorgesehenen Ort legen wollte! Da lag – in aller Unschuld – der von mir vermisste Schuhlöffel! Nun brauchte ich, bildlich gesprochen, nur noch zwei und zwei zusammenzuzählen und der Besucherin und anschließend »FRIED:A« meine eindeutige Schlussfolgerung mitzuteilen, und diese musste lauten: »Die Bellizisten versuchen mit allen Mitteln, uns Knüppel zwischen die Beine zu werfen.« Auf meine Schilderung des zugrundeliegenden Vorgangs erhielt ich zwei überaus scharfsinnige Ergänzungen meiner Interpretation, die diese nur noch verfestigten. Hier die erste:
»Lieber Lothar,
Sie verfolgen uns bis in unsere Wandschränke. Wenn sie in Friedenszeiten mit ihren Sicherheitsverweisen bereits verhindern, dass man problemlos einen Schuh überstreifen kann, wie wenig neugierig ist man dann darauf, zu wissen, wie hilfreich sie im Katastrophenfall sind, wenn es darauf ankäme, das blanke Leben zu retten!?
Herzlichst Uta«
Dieser pessimistischen Sicht im Hinblick auf uns alle als potenzielle Katastrophenopfer wurde in der zweiten Zuschrift die Interpretation des Ereignisses als verdeckter Versuch enttarnt, durch Entfesselung einer Massenpanik Zuspruch für den Katastrophenschutz zu finden. Ich war beschämt, von dieser Tatsache bisher noch nichts geahnt zu haben.
»Lieber Lothar,
es ist doch allgemein bekannt, dass die Katastrophenschutz-Kampagne sich explizit darauf spezialisiert, als Warnung vor der Katastrophe Schuhlöffel verschwinden zu lassen. Dieses grauenhafte Ereignis soll die Bevölkerung aufschrecken lassen. Darum: es lebe der Katastrophenschutz!
Beste Grüße, Ilse«
Zusammengefasst, kann ich nicht umhin, meinen beiden Friedensfreundinnen für ihren Scharfsinn zu danken, auch wenn mich der Vergleich der beiden Interpretationen ratlos zurückließ. Zu berücksichtigen ist allerdings: Dies alles begab sich einige Wochen, bevor »Red Storm Bravo« begann.