Die VVN Schleswig-Holstein hat mit breiter Unterstützung aus den Gewerkschaften und der Jüdischen Gemeinde sowie der Landespolitik einen spannenden Film über eine NS-Verfolgte und bis ins hohe Alter von 94 Jahren engagierte Demokratin in Kino-Qualität produziert. Er endet mit ihren Worten über Widerstand und demokratisches Engagement: »Solange ich das kann, werde ich es machen, weil es notwendig ist.« Der Film beginnt damit, dass Marianne Wilke den Refrain eines Songs der Gruppe »Die Ärzte« zitiert: »Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Doch es wird deine Schuld, wenn sie so bleibt.«
Ihr Leben hat zu ihrer mutigen und engagierten Haltung geführt. Sie wurde vier Jahre vor der Machtübergabe an die NSDAP geboren, und sie wusste lange nicht, dass sie eine sogenannte Halbjüdin ist. Sie kannte in ihren ersten Lebensjahren bis zur Einschulung das Wort »Jude« nicht; das änderte sich, als ihr damals andere Kinder in verunglimpfendem Tonfall entgegenhielten, dass ihre Eltern ihnen gesagt hätten, sie sei jüdisch. Dann in der Schule hatte Marianne zum Glück eine Lehrerin, die den Nazi-Behörden gegenüber, solange es ging, nicht mitteilte, dass in ihrer Klasse mit Marianne eine Nichtarierin sitzt. Dieses zivilcouragierte Verhalten rettete ihr vermutlich das Leben. Als die Judenverfolgung amtlicherseits begann, sagte ihr Großvater, ihre Familie habe nichts zu befürchten, denn er habe im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz erster Klasse erhalten.
Mit Plakaten auf Anschlagssäulen, auf denen Sprüche standen wie »Kauft nicht bei Juden« und »Juden sind unser Unglück«, bereiteten die Nazis schrittweise die Ausgrenzung vor. In der Schule beobachtete Marianne, dass in Sport nicht einfach Übungen wie Weitwurf auf dem Programm standen, sondern z. B. Granaten-Weitwurf. Die Schüler/innen lernten, dass sogenannte Arier keine Kinder mit Juden haben dürfen, das sei Rassenschande. Schritt für Schritt durften Juden nicht mehr in städtische Parkanlagen, ins Theater usw., sie mussten ihre Schreibmaschinen, Radios und Fahrräder abgeben, sich Judensterne an die Kleidung heften, danach jegliche Form öffentlicher Erniedrigung hinnehmen. Allerdings kam es auch vor, dass Nachbarn heimlich kleine Lebensmittelpakete vor ihrer Wohnungstür ablegten, um ihnen zu helfen. Dann folgten bald die ersten Deportationen und nach der Wannseekonferenz die industrielle Tötung jüdischen Lebens.
Mariannes Lehrerin vermittelte sie noch, als sie sie nicht mehr schützen konnte, als Hausmädchen bei einer Gymnastiklehrerin. Diese Frau hörte verbotenerweise den Radiosender BBC und konnte ihr vor Kriegsende Mut machen, die Naziherrschaft sei endlich.
Aus Artikel eins des Grundgesetzes leitet Marianne Wilke die Aufforderung ab, wir müssen uns einmischen, wir dürfen nicht gleichgültig sein, wenn Menschen die Menschenwürde anderer verletzen.
Doch erlebte sie auch, dass sie in der Schule nach der Befreiung 1945 Lehrer hatte, die schon in der Nazi-Zeit der Diktatur gedient hatten.
Das Motto der Adenauer-Ära war »Nach vorne schauen!«, dies auch, um die Verbrechen des Faschismus nicht aufzuarbeiten. Der »Deutsch Wahlblock« verlangte ein »Ende der Entnazifizierung«. Diese hatte ohnehin nur teilweise stattgefunden, was zum Spruch über Ex-Nazis führte, »die kleinen verfolgt man, die großen lässt man laufen«. Viele Ex-Parteifunktionäre erhielten gute Rentenbezüge, während KZ-Opfer mit lächerlichen Summen abgespeist wurden.
Die Remilitarisierung folgte, während Marianne Wilke das Motto des Widerstands hochhielt »Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!«.
Konsequenterweise war Marianne Wilke auch bei den Friedensbewegungen gegen die Mittelstreckenraketen der USA Pershing II und Cruise Missile aktiv; man darf nie aufhören, seine Stimme zu erheben, betonte sie immer wieder.
Wenn heute Nazis wieder im Aufwind sind, dann ist der Zusammenhang zur Destabilisierung vieler Lebenssituationen durch Krisen und Arbeitslosigkeit sowie Perspektivlosigkeit dafür mitverantwortlich. Nazis setzen gern ihre einfachen Antworten ein und instrumentalisieren die Unsicherheiten vieler Menschen für schwarz-weiß-Feindbilder gegen andere. Dagegen muss man seine Stimme erheben, man muss den Menschen helfen, statt sie aufzuhetzen, wir Demokraten müssen zusammenhalten und lautstark Widerstand organisieren, weil es notwendig ist.
Anfragen für Vorführungen stellen Interessenten bitte an: https://einmal-und-nie-wieder.de/.