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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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»Weil es notwendig ist!«

Die VVN Schles­wig-Hol­stein hat mit brei­ter Unter­stüt­zung aus den Gewerk­schaf­ten und der Jüdi­schen Gemein­de sowie der Lan­des­po­li­tik einen span­nen­den Film über eine NS-Ver­folg­te und bis ins hohe Alter von 94 Jah­ren enga­gier­te Demo­kra­tin in Kino-Qua­li­tät pro­du­ziert. Er endet mit ihren Wor­ten über Wider­stand und demo­kra­ti­sches Enga­ge­ment: »Solan­ge ich das kann, wer­de ich es machen, weil es not­wen­dig ist.« Der Film beginnt damit, dass Mari­an­ne Wil­ke den Refrain eines Songs der Grup­pe »Die Ärz­te« zitiert: »Es ist nicht dei­ne Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Doch es wird dei­ne Schuld, wenn sie so bleibt.«

Ihr Leben hat zu ihrer muti­gen und enga­gier­ten Hal­tung geführt. Sie wur­de vier Jah­re vor der Macht­über­ga­be an die NSDAP gebo­ren, und sie wuss­te lan­ge nicht, dass sie eine soge­nann­te Halb­jü­din ist. Sie kann­te in ihren ersten Lebens­jah­ren bis zur Ein­schu­lung das Wort »Jude« nicht; das änder­te sich, als ihr damals ande­re Kin­der in ver­un­glimp­fen­dem Ton­fall ent­ge­gen­hiel­ten, dass ihre Eltern ihnen gesagt hät­ten, sie sei jüdisch. Dann in der Schu­le hat­te Mari­an­ne zum Glück eine Leh­re­rin, die den Nazi-Behör­den gegen­über, solan­ge es ging, nicht mit­teil­te, dass in ihrer Klas­se mit Mari­an­ne eine Nicht­arie­rin sitzt. Die­ses zivil­cou­ra­gier­te Ver­hal­ten ret­te­te ihr ver­mut­lich das Leben. Als die Juden­ver­fol­gung amt­li­cher­seits begann, sag­te ihr Groß­va­ter, ihre Fami­lie habe nichts zu befürch­ten, denn er habe im Ersten Welt­krieg das Eiser­ne Kreuz erster Klas­se erhalten.

Mit Pla­ka­ten auf Anschlags­säu­len, auf denen Sprü­che stan­den wie »Kauft nicht bei Juden« und »Juden sind unser Unglück«, berei­te­ten die Nazis schritt­wei­se die Aus­gren­zung vor. In der Schu­le beob­ach­te­te Mari­an­ne, dass in Sport nicht ein­fach Übun­gen wie Weit­wurf auf dem Pro­gramm stan­den, son­dern z. B. Gra­na­ten-Weit­wurf. Die Schüler/​innen lern­ten, dass soge­nann­te Ari­er kei­ne Kin­der mit Juden haben dür­fen, das sei Ras­sen­schan­de. Schritt für Schritt durf­ten Juden nicht mehr in städ­ti­sche Park­an­la­gen, ins Thea­ter usw., sie muss­ten ihre Schreib­ma­schi­nen, Radi­os und Fahr­rä­der abge­ben, sich Juden­ster­ne an die Klei­dung hef­ten, danach jeg­li­che Form öffent­li­cher Ernied­ri­gung hin­neh­men. Aller­dings kam es auch vor, dass Nach­barn heim­lich klei­ne Lebens­mit­tel­pa­ke­te vor ihrer Woh­nungs­tür ableg­ten, um ihnen zu hel­fen. Dann folg­ten bald die ersten Depor­ta­tio­nen und nach der Wann­see­kon­fe­renz die indu­stri­el­le Tötung jüdi­schen Lebens.

Mari­an­nes Leh­re­rin ver­mit­tel­te sie noch, als sie sie nicht mehr schüt­zen konn­te, als Haus­mäd­chen bei einer Gym­na­stik­leh­re­rin. Die­se Frau hör­te ver­bo­te­ner­wei­se den Radio­sen­der BBC und konn­te ihr vor Kriegs­en­de Mut machen, die Nazi­herr­schaft sei endlich.

Aus Arti­kel eins des Grund­ge­set­zes lei­tet Mari­an­ne Wil­ke die Auf­for­de­rung ab, wir müs­sen uns ein­mi­schen, wir dür­fen nicht gleich­gül­tig sein, wenn Men­schen die Men­schen­wür­de ande­rer verletzen.

Doch erleb­te sie auch, dass sie in der Schu­le nach der Befrei­ung 1945 Leh­rer hat­te, die schon in der Nazi-Zeit der Dik­ta­tur gedient hatten.

Das Mot­to der Ade­nau­er-Ära war »Nach vor­ne schau­en!«, dies auch, um die Ver­bre­chen des Faschis­mus nicht auf­zu­ar­bei­ten. Der »Deutsch Wahl­block« ver­lang­te ein »Ende der Ent­na­zi­fi­zie­rung«. Die­se hat­te ohne­hin nur teil­wei­se statt­ge­fun­den, was zum Spruch über Ex-Nazis führ­te, »die klei­nen ver­folgt man, die gro­ßen lässt man lau­fen«. Vie­le Ex-Par­tei­funk­tio­nä­re erhiel­ten gute Ren­ten­be­zü­ge, wäh­rend KZ-Opfer mit lächer­li­chen Sum­men abge­speist wurden.

Die Remi­li­ta­ri­sie­rung folg­te, wäh­rend Mari­an­ne Wil­ke das Mot­to des Wider­stands hoch­hielt »Nie wie­der Faschis­mus! Nie wie­der Krieg!«.

Kon­se­quen­ter­wei­se war Mari­an­ne Wil­ke auch bei den Frie­dens­be­we­gun­gen gegen die Mit­tel­strecken­ra­ke­ten der USA Pers­hing II und Crui­se Mis­sile aktiv; man darf nie auf­hö­ren, sei­ne Stim­me zu erhe­ben, beton­te sie immer wieder.

Wenn heu­te Nazis wie­der im Auf­wind sind, dann ist der Zusam­men­hang zur Desta­bi­li­sie­rung vie­ler Lebens­si­tua­tio­nen durch Kri­sen und Arbeits­lo­sig­keit sowie Per­spek­tiv­lo­sig­keit dafür mit­ver­ant­wort­lich. Nazis set­zen gern ihre ein­fa­chen Ant­wor­ten ein und instru­men­ta­li­sie­ren die Unsi­cher­hei­ten vie­ler Men­schen für schwarz-weiß-Feind­bil­der gegen ande­re. Dage­gen muss man sei­ne Stim­me erhe­ben, man muss den Men­schen hel­fen, statt sie auf­zu­het­zen, wir Demo­kra­ten müs­sen zusam­men­hal­ten und laut­stark Wider­stand orga­ni­sie­ren, weil es not­wen­dig ist.

Anfra­gen für Vor­füh­run­gen stel­len Inter­es­sen­ten bit­te an: https://einmal-und-nie-wieder.de/.