Die Begriffe der Möglichkeit und deren Verwirklichung (Realisierung) sind seit der Antike in Philosophie und Literatur immer wieder mit großem Scharfsinn untersucht worden.
So behandelte Aristoteles dieses Thema in Buch 9 (Theta) seiner »Metaphysik«. Die von ihm verwendeten Begriffe – dynamis für die Möglichkeit und energeia für deren Realisierung – sind heute noch als Fremdwörter (»Dynamik« bzw. »Energie«), wenn auch in anderer Bedeutung, geläufig.
Kant untersuchte in seiner »Kritik der reinen Vernunft« die »Bedingungen der Möglichkeit« der Erkenntnis und in seinen ethischen Schriften dieselben für den Bereich des moralischen Urteils.
Ein Kapitel in Robert Musils »Mann ohne Eigenschaften« (Band I, 4) trägt die Überschrift: »Wenn es Wirklichkeitssinn gibt, muss es auch Möglichkeitssinn geben«.
In der politischen Polemik der Bundesrepublik verband sich in den letzten Jahren die Forderung nach »Ermöglichung« (von diesem und jenem) häufig mit einer Polemik gegen eine sogenannte »Verbotspolitik«, die vornehmlich der Partei Bündnis 90/Die Grünen vorgeworfen wurde. (Stichwort: »Veggieday«). Dagegen wurden regelmäßig mehr »Freiheiten« gefordert. Diese Forderung wurde umso lauter erhoben, je mehr sich die ökonomische Lage in der Zeit der »Ampel-Koalition« verschlechterte. Die Merz-Klingbeil-Regierung setzt nun auf Entfesselung der Kräfte des Kapitals (vor allem zugunsten des militärischen Bereichs), zu Lasten des sozialen Bereichs.
Dies ist zu beachten angesichts der Tatsache, dass sich das Wort »ermöglichen« auf den 144 Seiten des Koalitionsvertrags von CDU/CSU/SPD ganze 89-mal findet, das Wort »Verbot« in seinen Zusammensetzungen hingegen nur dreimal: »Totalverbot (bestimmter Chemikalien)«, »Arbeitsverbote«, »Vorbeschäftigungsverbot«(!). In jedem Fall werden die entsprechenden Verbote negiert.
Auffällig ist außerdem das Wort »Ermöglicher«, das im Koalitionsvertrag verwendet wird, aber nicht im Duden (28. Aufl.) verzeichnet ist: Es taucht auf im Kapitel »Bürokratieabbau, Staatsmodernisierung und moderne (sic!) Justiz«. Googelt man dieses Wort, stößt man u. a. auf eine Adresse: www.ermoeglicher.de. Und was ermöglicht dieser »Ermöglicher« nun? Antwort: »Ob Wachstum, Gründung, Nachfolge oder Stabilisierung – Als Möglichmacher eröffnen wir Ihnen in Deutschland unabhängig und kompetent neue Spielräume.« (Spoiler: Es geht um Beschaffung von Kapital!)
Von Aristoteles, Kant, Musil und dem Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung – ein weiter Weg durch die Welt des Geistes! Wer nun Lust hat, herauszubekommen, was diese Regierung alles »ermöglichen« möchte, sei herzlich dazu eingeladen; die »Suchen«-Funktion ermöglicht es. Ich verzichte an dieser Stelle auf die Möglichkeit, im Detail eine Selbstdarstellung des Neoliberalismus zwecks weiterer Entfesselung des Kapitals zu referieren.