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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Wortgeschichten: »Ermöglicher«

Die Begrif­fe der Mög­lich­keit und deren Ver­wirk­li­chung (Rea­li­sie­rung) sind seit der Anti­ke in Phi­lo­so­phie und Lite­ra­tur immer wie­der mit gro­ßem Scharf­sinn unter­sucht worden.

So behan­del­te Ari­sto­te­les die­ses The­ma in Buch 9 (The­ta) sei­ner »Meta­phy­sik«. Die von ihm ver­wen­de­ten Begrif­fe – dyna­mis für die Mög­lich­keit und ener­geia für deren Rea­li­sie­rung – sind heu­te noch als Fremd­wör­ter (»Dyna­mik« bzw. »Ener­gie«), wenn auch in ande­rer Bedeu­tung, geläufig.

Kant unter­such­te in sei­ner »Kri­tik der rei­nen Ver­nunft« die »Bedin­gun­gen der Mög­lich­keit« der Erkennt­nis und in sei­nen ethi­schen Schrif­ten die­sel­ben für den Bereich des mora­li­schen Urteils.

Ein Kapi­tel in Robert Musils »Mann ohne Eigen­schaf­ten« (Band I, 4) trägt die Über­schrift: »Wenn es Wirk­lich­keits­sinn gibt, muss es auch Mög­lich­keits­sinn geben«.

In der poli­ti­schen Pole­mik der Bun­des­re­pu­blik ver­band sich in den letz­ten Jah­ren die For­de­rung nach »Ermög­li­chung« (von die­sem und jenem) häu­fig mit einer Pole­mik gegen eine soge­nann­te »Ver­bots­po­li­tik«, die vor­nehm­lich der Par­tei Bünd­nis 90/​Die Grü­nen vor­ge­wor­fen wur­de. (Stich­wort: »Veggie­day«). Dage­gen wur­den regel­mä­ßig mehr »Frei­hei­ten« gefor­dert. Die­se For­de­rung wur­de umso lau­ter erho­ben, je mehr sich die öko­no­mi­sche Lage in der Zeit der »Ampel-Koali­ti­on« ver­schlech­ter­te. Die Merz-Kling­beil-Regie­rung setzt nun auf Ent­fes­se­lung der Kräf­te des Kapi­tals (vor allem zugun­sten des mili­tä­ri­schen Bereichs), zu Lasten des sozia­len Bereichs.

Dies ist zu beach­ten ange­sichts der Tat­sa­che, dass sich das Wort »ermög­li­chen« auf den 144 Sei­ten des Koali­ti­ons­ver­trags von CDU/​CSU/​SPD gan­ze 89-mal fin­det, das Wort »Ver­bot« in sei­nen Zusam­men­set­zun­gen hin­ge­gen nur drei­mal: »Total­ver­bot (bestimm­ter Che­mi­ka­li­en)«, »Arbeits­ver­bo­te«, »Vorbeschäf­ti­gungs­ver­bot«(!). In jedem Fall wer­den die ent­spre­chen­den Ver­bo­te negiert.

Auf­fäl­lig ist außer­dem das Wort »Ermög­li­cher«, das im Koali­ti­ons­ver­trag ver­wen­det wird, aber nicht im Duden (28. Aufl.) ver­zeich­net ist: Es taucht auf im Kapi­tel »Büro­kra­tie­ab­bau, Staats­mo­der­ni­sie­rung und moder­ne (sic!) Justiz«. Goo­gelt man die­ses Wort, stößt man u. a. auf eine Adres­se: www.ermoeglicher.de. Und was ermög­licht die­ser »Ermög­li­cher« nun? Ant­wort: »Ob Wachs­tum, Grün­dung, Nach­fol­ge oder Sta­bi­li­sie­rung – Als Mög­lich­ma­cher eröff­nen wir Ihnen in Deutsch­land unab­hän­gig und kom­pe­tent neue Spiel­räu­me.« (Spoi­ler: Es geht um Beschaf­fung von Kapital!)

Von Ari­sto­te­les, Kant, Musil und dem Koali­ti­ons­ver­trag der jet­zi­gen Bun­des­re­gie­rung – ein wei­ter Weg durch die Welt des Gei­stes! Wer nun Lust hat, her­aus­zu­be­kom­men, was die­se Regie­rung alles »ermög­li­chen« möch­te, sei herz­lich dazu ein­ge­la­den; die »Suchen«-Funktion ermög­licht es. Ich ver­zich­te an die­ser Stel­le auf die Mög­lich­keit, im Detail eine Selbst­dar­stel­lung des Neo­li­be­ra­lis­mus zwecks wei­te­rer Ent­fes­se­lung des Kapi­tals zu referieren.