Globalisierung der Gleichgültigkeit
»Unsere Brüder und Schwestern suchten, schwierigen Situationen zu entkommen, um ein wenig Sicherheit und Frieden zu finden; sie suchten einen besseren Ort für sich und ihre Familien, doch sie fanden den Tod. (…) In dieser Welt der Globalisierung sind wir in die Globalisierung der Gleichgültigkeit geraten. Wir haben uns an das Leiden des anderen gewöhnt; es betrifft uns nicht, es interessiert uns nicht, es geht uns nichts an!« (Predigt auf der Insel Lampedusa am 8. Juli 2013).
»Ich denke auch an die Lebensbedingungen vieler Migranten, die auf ihrem dramatischen Weg Hunger leiden, ihrer Freiheit beraubt werden, die um ihr Hab und Gut gebracht oder physisch und sexuell missbraucht werden. Ich denke an jene unter ihnen, die, nach schwerster, von Angst und Unsicherheit geprägter Reise ans Ziel gelangt, unter manchmal unmenschlichen Bedingungen gefangen gehalten werden« (Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2014).
Flüchtlinge keine Figuren auf dem Schachbrett der Menschheit
»Migranten und Flüchtlinge sind keine Figuren auf dem Schachbrett der Menschheit. Es geht um Kinder, Frauen und Männer, die aus verschiedenen Gründen ihre Häuser verlassen oder gezwungen sind, sie zu verlassen; Menschen, die den gleichen legitimen Wunsch haben, mehr zu lernen und mehr zu besitzen, vor allem aber mehr zu sein. (…) Die augenblicklichen Migrationsströme sind die umfassendsten Bewegungen von Menschen – wenn nicht von Völkern –, die es je gegeben hat. Mit Migranten und Flüchtlingen unterwegs, bemüht sich die Kirche, die Ursachen zu verstehen, die diese Wanderungen auslösen. Zugleich arbeitet sie aber auch daran, die negativen Folgen der Wanderbewegungen zu überwinden und ihre positiven Auswirkungen auf die Gemeinschaften an den Herkunfts-, Durchreise- und Zielorten zu nutzen« (Botschaft zum Welttag der Migranten und Flüchtlinge am 19. Januar 2014).
Mittelmeer wird zu Friedhof
»Man kann nicht hinnehmen, dass das Mittelmeer zu einem großen Friedhof wird! Auf den Kähnen, die täglich an den europäischen Küsten landen, sind Männer und Frauen, die Aufnahme und Hilfe brauchen« (Ansprache an das Europaparlament in Straßburg am 25. November 2014).
Ursachen beseitigen
»Die erniedrigenden Bedingungen, unter denen viele Flüchtlinge leben müssen, sind untragbar! Darum muss man sich mit allen Kräften bemühen, die Ursachen dieses Zustands zu beseitigen. Ich rufe dringend zu einer größeren internationalen Übereinstimmung auf, um die Konflikte zu lösen, die eure Herkunftsländer mit Blut beflecken; um den anderen Ursachen entgegenzuwirken, die die Menschen dazu drängen, ihre Heimat zu verlassen; und um Bedingungen zu fördern, die ihnen ermöglichen zu bleiben oder zurückzukehren« (Ansprache an Flüchtlinge in Istanbul am 30. November 2014).
Lob für Flüchtlingsretter
»Ich bewundere euch für eure Arbeit und sage euch: Ich fühle mich klein angesichts der Arbeit, die ihr unter Einsatz eures Lebens verrichtet« (Treffen mit Flüchtlingsrettern der italienischen Küstenwache am 17. Februar 2015).
Das Errichten von Mauern ist auch Gewalt
»Gewalt ist es auch, Mauern und Barrieren zu errichten, um diejenigen zu stoppen, die einen Ort des Friedens suchen. (…) Und Gewalt ist es auch, Menschen zurückzudrängen, die vor unmenschlichen Bedingungen in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft fliehen« (Botschaft an das Internationale Friedenstreffen der katholischen Gemeinschaft Sant´Egidio in Tirana am 6. September 2015).
Den Flüchtlingen ins Gesicht schauen
»Unsere Welt steht vor einer Flüchtlingskrise, die ein seit dem Zweiten Weltkrieg unerreichtes Ausmaß angenommen hat. (…) Auch in diesem Kontinent ziehen Tausende Menschen nordwärts auf der Suche nach einem besseren Leben für sich und ihre Lieben, auf der Suche nach größeren Möglichkeiten. Ist es nicht das, was wir für unsere eigenen Kinder wünschen? Wir dürfen nicht über ihre Anzahl aus der Fassung geraten, sondern müssen sie vielmehr als Personen sehen, ihnen ins Gesicht schauen, ihre Geschichten anhören und versuchen, so gut wir können, auf ihre Situation zu reagieren« (Ansprache vor dem US-Kongress 24. September 2015).
»Ich bin hier, um eure Gesichter zu sehen und euch in die Augen zu schauen. Augen voll Angst und Erwartung, Augen, die Gewalt und Armut gesehen haben, Augen gerötet von zu vielen Tränen« (Rede vor Migranten auf Lesbos).
Eine Mauer ist keine Lösung
»Sie wissen, wie Mauern enden: Alle Mauern fallen. Heute, morgen oder in hundert Jahren. Aber sie fallen. Eine Mauer ist keine Lösung« (auf dem Rückflug aus den USA auf eine Journalistenfrage zu Grenzzäunen gegen Flüchtlinge am 28. September 2015).
Gesetzgebungen überdenken
»Mit Blick auf die Migranten möchte ich einladen, die Gesetzgebungen über die Migration zu überdenken, damit sie – in der Achtung der wechselseitigen Pflichten und Verantwortungen – von Aufnahmebereitschaft geprägt sind und die Integration von Migranten vereinfachen können« (Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 2016).
Der Friedhof Mittelmeer ist ein Bild unseres betäubten Gewissens
»O Kreuz Christi, auch heute noch sehen wir dich in den Gesichtern der Kinder, der Frauen und der Menschen, die erschöpft und verängstigt vor den Kriegen und der Gewalt fliehen und oft nur den Tod finden (…) Wir sehen dich auch heute noch auf dem Mittelmeer und in der Ägäis, die zu einem unersättlichen Friedhof geworden sind, einem Bild unseres abgestumpften und betäubten Gewissens« (Ansprache am 25. März 2016 beim Kreuzweg am römischen Kolosseum).
Krankheit Gleichgültigkeit
Am 3. Dezember 2021 begegnete Franziskus Geflüchteten auf Zypern:
»Wir gucken uns an, was passiert. Und das Schlimmste ist, dass wir uns daran gewöhnen. ›Ah‹, wird gesagt, ›heute ist ein Boot gesunken, viele Vermisste.‹ Dieses Sich-daran-Gewöhnen ist eine schlimme Krankheit! Es ist eine sehr schlimme Krankheit!«
Franziskus prangerte an, dass auf dem Mittelmeer Boote mit Migranten einfach wieder in die Länder zurückgebracht würden, aus denen sie abgefahren sind. Dort, sagte Franziskus, würden die Flüchtenden häufig unmenschlich behandelt und in Lager gebracht:
»Wirkliche Lager. Wo die Frauen verkauft werden. Die Männer werden gefoltert und versklavt. Wir beschweren uns, wenn wir die Geschichten der Lager des vergangenen Jahrhunderts lesen, die der Nazis und die von Stalin. Und wir beklagen, wie das passieren konnte. Brüder und Schwestern, das passiert heute an den nahegelegenen Küsten.«
Schließlich attackierte der Papst – ohne Polen beim Namen zu nennen – Länder, die an der Grenze Stacheldraht ausrollten, um Flüchtlinge abzuwehren: »Denjenigen, der kommt, der um Freiheit bittet, um Brot, Hilfe, Brüderlichkeit, Freude. Der vor dem Hass flüchtet. Und der sich wiederfindet vor neuem Hass, der Stacheldraht heißt.«
Am 5. Dezember 2021 besuchte Franziskus das Flüchtlingslager Kara Tepe auf Lesbos. Ausschnitte aus seiner Rede:
»(…) sieht alles im Bereich der Migrationen nach einem schrecklichen Stillstand aus. Dabei stehen doch Menschen und Menschenleben auf dem Spiel! Auf dem Spiel steht die Zukunft aller, die nur dann harmonisch sein kann, wenn sie auf Integration beruht. Nur eine mit den Schwächsten versöhnte Zukunft wird ertragreich sein. Wenn nämlich die Armen zurückgewiesen werden, wird der Frieden zurückgewiesen. Die Geschichte lehrt, dass Abkapselungen und Nationalismen katastrophale Folgen haben.«
»Die Geschichte lehrt uns das, aber wir haben es noch nicht gelernt. Man darf der Wirklichkeit nicht den Rücken kehren, die ständige Abwälzung von Verantwortung muss aufhören, und die Migrationsfrage darf nicht immer an andere delegiert werden, so als beträfe es niemanden und als sei sie nur eine nutzlose Last, die jemand zu übernehmen gezwungen ist!«
»(…) wie viele menschenunwürdige Situationen bestehen noch immer! Wie viele Hotspots, wo Migranten und Flüchtlinge unter grenzwertigen Umständen leben, ohne dass sich am Horizont eine Lösung abzeichnet! Dabei sollte die Achtung des Menschen und der Menschenrechte immer gewahrt werden, vor allem auf dem Kontinent, der sie weltweit propagiert, und die Würde jedes Menschen sollte allem anderen vorangestellt werden! Es ist traurig, wenn als Lösung vorgeschlagen wird, mit gemeinsamen Ressourcen Mauern zu bauen, Stacheldraht zu bauen. Wir sind in einer Zeit von Mauern und Stacheldraht.«
»Es ist leicht, die öffentliche Meinung mitzureißen, indem man ihr Angst vor den Anderen einflößt; warum spricht man nicht in demselben Ton von der Ausbeutung der Armen, von den vergessenen und oft großzügig finanzierten Kriegen, von den auf dem Rücken anderer Menschen abgeschlossenen wirtschaftlichen Pakte, von den heimlichen Manövern des Waffenhandels und der Proliferation von Waffen? Warum spricht man nicht davon? Die zugrundeliegenden Ursachen müssen angegangen werden, nicht die armen Menschen, die die Folgen zu tragen haben und sogar für politische Propaganda missbraucht werden!«
»Lasst uns nicht eilig Reißaus nehmen vor den brutalen Bildern ihrer kleinen Körper, die regungslos am Strand liegen. Das Mittelmeer hat Jahrtausende lang unterschiedliche Völker und weit voneinander entfernte Länder miteinander verbunden; jetzt wird es gerade zu einem kalten Friedhof ohne Grabsteine. Dieses große Wasserbecken, diese Wiege zahlreicher Zivilisationen erscheint nun als Spiegel des Todes. Lassen wir nicht zu, dass das Mare Nostrum (unser Meer) sich in ein trostloses Mare Mortuum (Meer der Toten) verwandelt, dass dieser Ort der Begegnung zum Schauplatz von Auseinandersetzungen wird! Lassen wir nicht zu, dass dieses ›Meer der Erinnerungen‹ zu einem ›Meer des Vergessens‹ mutiert! Liebe Brüder und Schwestern, ich bitte euch, lasst uns diesen Schiffbruch der Zivilisation stoppen!«