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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Zitate

Glo­ba­li­sie­rung der Gleichgültigkeit
»Unse­re Brü­der und Schwe­stern such­ten, schwie­ri­gen Situa­tio­nen zu ent­kom­men, um ein wenig Sicher­heit und Frie­den zu fin­den; sie such­ten einen bes­se­ren Ort für sich und ihre Fami­li­en, doch sie fan­den den Tod. (…) In die­ser Welt der Glo­ba­li­sie­rung sind wir in die Glo­ba­li­sie­rung der Gleich­gül­tig­keit gera­ten. Wir haben uns an das Lei­den des ande­ren gewöhnt; es betrifft uns nicht, es inter­es­siert uns nicht, es geht uns nichts an!« (Pre­digt auf der Insel Lam­pe­du­sa am 8. Juli 2013).

»Ich den­ke auch an die Lebens­be­din­gun­gen vie­ler Migran­ten, die auf ihrem dra­ma­ti­schen Weg Hun­ger lei­den, ihrer Frei­heit beraubt wer­den, die um ihr Hab und Gut gebracht oder phy­sisch und sexu­ell miss­braucht wer­den. Ich den­ke an jene unter ihnen, die, nach schwer­ster, von Angst und Unsi­cher­heit gepräg­ter Rei­se ans Ziel gelangt, unter manch­mal unmensch­li­chen Bedin­gun­gen gefan­gen gehal­ten wer­den« (Bot­schaft zum Welt­frie­dens­tag am 1. Janu­ar 2014).
 
Flücht­lin­ge kei­ne Figu­ren auf dem Schach­brett der Menschheit
»Migran­ten und Flücht­lin­ge sind kei­ne Figu­ren auf dem Schach­brett der Mensch­heit. Es geht um Kin­der, Frau­en und Män­ner, die aus ver­schie­de­nen Grün­den ihre Häu­ser ver­las­sen oder gezwun­gen sind, sie zu ver­las­sen; Men­schen, die den glei­chen legi­ti­men Wunsch haben, mehr zu ler­nen und mehr zu besit­zen, vor allem aber mehr zu sein. (…) Die augen­blick­li­chen Migra­ti­ons­strö­me sind die umfas­send­sten Bewe­gun­gen von Men­schen – wenn nicht von Völ­kern –, die es je gege­ben hat. Mit Migran­ten und Flücht­lin­gen unter­wegs, bemüht sich die Kir­che, die Ursa­chen zu ver­ste­hen, die die­se Wan­de­run­gen aus­lö­sen. Zugleich arbei­tet sie aber auch dar­an, die nega­ti­ven Fol­gen der Wan­der­be­we­gun­gen zu über­win­den und ihre posi­ti­ven Aus­wir­kun­gen auf die Gemein­schaf­ten an den Her­kunfts-, Durch­rei­se- und Ziel­or­ten zu nut­zen« (Bot­schaft zum Welt­tag der Migran­ten und Flücht­lin­ge am 19. Janu­ar 2014).

Mit­tel­meer wird zu Friedhof 
»Man kann nicht hin­neh­men, dass das Mit­tel­meer zu einem gro­ßen Fried­hof wird! Auf den Käh­nen, die täg­lich an den euro­päi­schen Küsten lan­den, sind Män­ner und Frau­en, die Auf­nah­me und Hil­fe brau­chen« (Anspra­che an das Euro­pa­par­la­ment in Straß­burg am 25. Novem­ber 2014).

 Ursa­chen beseitigen 
»Die ernied­ri­gen­den Bedin­gun­gen, unter denen vie­le Flücht­lin­ge leben müs­sen, sind untrag­bar! Dar­um muss man sich mit allen Kräf­ten bemü­hen, die Ursa­chen die­ses Zustands zu besei­ti­gen. Ich rufe drin­gend zu einer grö­ße­ren inter­na­tio­na­len Über­ein­stim­mung auf, um die Kon­flik­te zu lösen, die eure Her­kunfts­län­der mit Blut beflecken; um den ande­ren Ursa­chen ent­ge­gen­zu­wir­ken, die die Men­schen dazu drän­gen, ihre Hei­mat zu ver­las­sen; und um Bedin­gun­gen zu för­dern, die ihnen ermög­li­chen zu blei­ben oder zurück­zu­keh­ren« (Anspra­che an Flücht­lin­ge in Istan­bul am 30. Novem­ber 2014).

 Lob für Flüchtlingsretter
»Ich bewun­de­re euch für eure Arbeit und sage euch: Ich füh­le mich klein ange­sichts der Arbeit, die ihr unter Ein­satz eures Lebens ver­rich­tet« (Tref­fen mit Flücht­lings­ret­tern der ita­lie­ni­schen Küsten­wa­che am 17. Febru­ar 2015).

 Das Errich­ten von Mau­ern ist auch Gewalt
»Gewalt ist es auch, Mau­ern und Bar­rie­ren zu errich­ten, um die­je­ni­gen zu stop­pen, die einen Ort des Frie­dens suchen. (…) Und Gewalt ist es auch, Men­schen zurück­zu­drän­gen, die vor unmensch­li­chen Bedin­gun­gen in der Hoff­nung auf eine bes­se­re Zukunft flie­hen« (Bot­schaft an das Inter­na­tio­na­le Frie­dens­tref­fen der katho­li­schen Gemein­schaft Sant´Egidio in Tira­na am 6. Sep­tem­ber 2015).

 Den Flücht­lin­gen ins Gesicht schauen
»Unse­re Welt steht vor einer Flücht­lings­kri­se, die ein seit dem Zwei­ten Welt­krieg uner­reich­tes Aus­maß ange­nom­men hat. (…) Auch in die­sem Kon­ti­nent zie­hen Tau­sen­de Men­schen nord­wärts auf der Suche nach einem bes­se­ren Leben für sich und ihre Lie­ben, auf der Suche nach grö­ße­ren Mög­lich­kei­ten. Ist es nicht das, was wir für unse­re eige­nen Kin­der wün­schen? Wir dür­fen nicht über ihre Anzahl aus der Fas­sung gera­ten, son­dern müs­sen sie viel­mehr als Per­so­nen sehen, ihnen ins Gesicht schau­en, ihre Geschich­ten anhö­ren und ver­su­chen, so gut wir kön­nen, auf ihre Situa­ti­on zu reagie­ren« (Anspra­che vor dem US-Kon­gress 24. Sep­tem­ber 2015).

»Ich bin hier, um eure Gesich­ter zu sehen und euch in die Augen zu schau­en. Augen voll Angst und Erwar­tung, Augen, die Gewalt und Armut gese­hen haben, Augen gerö­tet von zu vie­len Trä­nen« (Rede vor Migran­ten auf Lesbos).

Eine Mau­er ist kei­ne Lösung
»Sie wis­sen, wie Mau­ern enden: Alle Mau­ern fal­len. Heu­te, mor­gen oder in hun­dert Jah­ren. Aber sie fal­len. Eine Mau­er ist kei­ne Lösung« (auf dem Rück­flug aus den USA auf eine Jour­na­li­sten­fra­ge zu Grenz­zäu­nen gegen Flücht­lin­ge am 28. Sep­tem­ber 2015).

Gesetz­ge­bun­gen überdenken
»Mit Blick auf die Migran­ten möch­te ich ein­la­den, die Gesetz­ge­bun­gen über die Migra­ti­on zu über­den­ken, damit sie – in der Ach­tung der wech­sel­sei­ti­gen Pflich­ten und Ver­ant­wor­tun­gen – von Auf­nah­me­be­reit­schaft geprägt sind und die Inte­gra­ti­on von Migran­ten ver­ein­fa­chen kön­nen« (Bot­schaft zum Welt­frie­dens­tag am 1. Janu­ar 2016).

Der Fried­hof Mit­tel­meer ist ein Bild unse­res betäub­ten Gewissens
»O Kreuz Chri­sti, auch heu­te noch sehen wir dich in den Gesich­tern der Kin­der, der Frau­en und der Men­schen, die erschöpft und ver­äng­stigt vor den Krie­gen und der Gewalt flie­hen und oft nur den Tod fin­den (…) Wir sehen dich auch heu­te noch auf dem Mit­tel­meer und in der Ägä­is, die zu einem uner­sätt­li­chen Fried­hof gewor­den sind, einem Bild unse­res abge­stumpf­ten und betäub­ten Gewis­sens« (Anspra­che am 25. März 2016 beim Kreuz­weg am römi­schen Kolosseum).

Krank­heit Gleichgültigkeit
Am 3. Dezem­ber 2021 begeg­ne­te Fran­zis­kus Geflüch­te­ten auf Zypern:

»Wir gucken uns an, was pas­siert. Und das Schlimm­ste ist, dass wir uns dar­an gewöh­nen. ›Ah‹, wird gesagt, ›heu­te ist ein Boot gesun­ken, vie­le Ver­miss­te.‹ Die­ses Sich-dar­an-Gewöh­nen ist eine schlim­me Krank­heit! Es ist eine sehr schlim­me Krankheit!«

Fran­zis­kus pran­ger­te an, dass auf dem Mit­tel­meer Boo­te mit Migran­ten ein­fach wie­der in die Län­der zurück­ge­bracht wür­den, aus denen sie abge­fah­ren sind. Dort, sag­te Fran­zis­kus, wür­den die Flüch­ten­den häu­fig unmensch­lich behan­delt und in Lager gebracht:

»Wirk­li­che Lager. Wo die Frau­en ver­kauft wer­den. Die Män­ner wer­den gefol­tert und ver­sklavt. Wir beschwe­ren uns, wenn wir die Geschich­ten der Lager des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts lesen, die der Nazis und die von Sta­lin. Und wir bekla­gen, wie das pas­sie­ren konn­te. Brü­der und Schwe­stern, das pas­siert heu­te an den nahe­ge­le­ge­nen Küsten.«

Schließ­lich attackier­te der Papst – ohne Polen beim Namen zu nen­nen – Län­der, die an der Gren­ze Sta­chel­draht aus­roll­ten, um Flücht­lin­ge abzu­weh­ren: »Den­je­ni­gen, der kommt, der um Frei­heit bit­tet, um Brot, Hil­fe, Brü­der­lich­keit, Freu­de. Der vor dem Hass flüch­tet. Und der sich wie­der­fin­det vor neu­em Hass, der Sta­chel­draht heißt.«

Am 5. Dezem­ber 2021 besuch­te Fran­zis­kus das Flücht­lings­la­ger Kara Tepe auf Les­bos. Aus­schnit­te aus sei­ner Rede:

»(…) sieht alles im Bereich der Migra­tio­nen nach einem schreck­li­chen Still­stand aus. Dabei ste­hen doch Men­schen und Men­schen­le­ben auf dem Spiel! Auf dem Spiel steht die Zukunft aller, die nur dann har­mo­nisch sein kann, wenn sie auf Inte­gra­ti­on beruht. Nur eine mit den Schwäch­sten ver­söhn­te Zukunft wird ertrag­reich sein. Wenn näm­lich die Armen zurück­ge­wie­sen wer­den, wird der Frie­den zurück­ge­wie­sen. Die Geschich­te lehrt, dass Abkap­se­lun­gen und Natio­na­lis­men kata­stro­pha­le Fol­gen haben.«

»Die Geschich­te lehrt uns das, aber wir haben es noch nicht gelernt. Man darf der Wirk­lich­keit nicht den Rücken keh­ren, die stän­di­ge Abwäl­zung von Ver­ant­wor­tung muss auf­hö­ren, und die Migra­ti­ons­fra­ge darf nicht immer an ande­re dele­giert wer­den, so als beträ­fe es nie­man­den und als sei sie nur eine nutz­lo­se Last, die jemand zu über­neh­men gezwun­gen ist!«

»(…) wie vie­le men­schen­un­wür­di­ge Situa­tio­nen bestehen noch immer! Wie vie­le Hot­spots, wo Migran­ten und Flücht­lin­ge unter grenz­wer­ti­gen Umstän­den leben, ohne dass sich am Hori­zont eine Lösung abzeich­net! Dabei soll­te die Ach­tung des Men­schen und der Men­schen­rech­te immer gewahrt wer­den, vor allem auf dem Kon­ti­nent, der sie welt­weit pro­pa­giert, und die Wür­de jedes Men­schen soll­te allem ande­ren vor­an­ge­stellt wer­den! Es ist trau­rig, wenn als Lösung vor­ge­schla­gen wird, mit gemein­sa­men Res­sour­cen Mau­ern zu bau­en, Sta­chel­draht zu bau­en. Wir sind in einer Zeit von Mau­ern und Stacheldraht.«

»Es ist leicht, die öffent­li­che Mei­nung mit­zu­rei­ßen, indem man ihr Angst vor den Ande­ren ein­flößt; war­um spricht man nicht in dem­sel­ben Ton von der Aus­beu­tung der Armen, von den ver­ges­se­nen und oft groß­zü­gig finan­zier­ten Krie­gen, von den auf dem Rücken ande­rer Men­schen abge­schlos­se­nen wirt­schaft­li­chen Pak­te, von den heim­li­chen Manö­vern des Waf­fen­han­dels und der Pro­li­fe­ra­ti­on von Waf­fen? War­um spricht man nicht davon? Die zugrun­de­lie­gen­den Ursa­chen müs­sen ange­gan­gen wer­den, nicht die armen Men­schen, die die Fol­gen zu tra­gen haben und sogar für poli­ti­sche Pro­pa­gan­da miss­braucht werden!«

»Lasst uns nicht eilig Reiß­aus neh­men vor den bru­ta­len Bil­dern ihrer klei­nen Kör­per, die regungs­los am Strand lie­gen. Das Mit­tel­meer hat Jahr­tau­sen­de lang unter­schied­li­che Völ­ker und weit von­ein­an­der ent­fern­te Län­der mit­ein­an­der ver­bun­den; jetzt wird es gera­de zu einem kal­ten Fried­hof ohne Grab­stei­ne. Die­ses gro­ße Was­ser­becken, die­se Wie­ge zahl­rei­cher Zivi­li­sa­tio­nen erscheint nun als Spie­gel des Todes. Las­sen wir nicht zu, dass das Mare Nostrum (unser Meer) sich in ein trost­lo­ses Mare Mor­tu­um (Meer der Toten) ver­wan­delt, dass die­ser Ort der Begeg­nung zum Schau­platz von Aus­ein­an­der­set­zun­gen wird! Las­sen wir nicht zu, dass die­ses ›Meer der Erin­ne­run­gen‹ zu einem ›Meer des Ver­ges­sens‹ mutiert! Lie­be Brü­der und Schwe­stern, ich bit­te euch, lasst uns die­sen Schiff­bruch der Zivi­li­sa­ti­on stoppen!«

 

 

Ausgabe 15.16/2025