Mit Anwälten ist das so eine Sache. Viele arbeiten im Stillen, und die Öffentlichkeit bekommt wenig davon mit. Andere suchen geradezu das Rampenlicht, um auf sich aufmerksam zu machen. Über die Erfolge dieser Zunft sagt das wenig. Oft sind die im Verborgenen Tätigen erfolgreicher, halten das aber nicht für besonders erwähnenswert. Hier soll von zwei Vertretern dieser Zunft die Rede sein, die aufgrund ihrer Arbeit eine gewisse Prominenz erreichten.
Der eine ist Heinrich Hannover, lange Jahre auch Ossietzky-Autor, der am 31. Oktober 2025 100 Jahre alt geworden wäre. Der andere ist Wolfgang Vogel, der dieses Alter einen Tag früher erreicht hätte. Beide haben durch ihre anwaltliche Tätigkeit auf ganz unterschiedliche Weise für bleibende Spuren in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik gesorgt.
Hannover wollte ursprünglich Förster werden und hat sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges stattdessen für ein Studium der Rechtswissenschaft in Göttingen entschieden. Sein Weg führte ihn dann nach Bremen, wo er eine Anwaltskanzlei gründete. Bereits zu Beginn seiner Karriere wurde ihm die Pflichtverteidigung eines Kommunisten angetragen. Dieser Umstand sorgte dafür, dass er sich mit deren Überzeugungen und politischen Zielen intensiver auseinandersetzte. Seine Sympathie erstreckte sich bald auch auf andere Demokraten, die juristische Hilfe benötigten. Unter ihnen waren unter anderem Wehrdienstverweigerer, Gewerkschafter und natürlich auch zahlreiche prominente Zeitgenossen. Erwähnt seien beispielhaft Daniel Cohn-Bendit, Ulrike Meinhof, Otto Schily, Günter Wallraff und Hans Modrow.
In besonderer Erinnerung wird sein Beitrag bei der Strafverfolgung der Mörder Ernst Thälmanns bleiben, als er in einem Klageerzwingungsverfahren erreichte, dass gegen den einzigen noch greifbaren Tatverdächtigen 1985 Anklage erhoben werden musste. Zahlreiche Sachbücher entstammen seiner Feder, die sich vor allem mit der politischen Justiz des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen. Seine Erinnerungen erschienen in zwei Bänden Ende der 1990er Jahre unter dem Titel »Die Republik vor Gericht«. Sie geben einen tiefen Einblick in zahlreiche Verfahren und Ereignisse in einem langen Anwaltsleben. Heinrich Hannovers Wirken sorgte nicht nur für einen großen Bekanntheitsgrad, sondern auch für die Anerkennung seiner Arbeit. So erhielt er 1973 den von der Humanistischen Union gestifteten Fritz-Bauer-Preis, und die Humboldt-Universität zu Berlin verlieh ihm 1986 die Ehrendoktorwürde.
Ab 1988 bemühte sich Hannover zusammen mit anderen Berufskollegen um die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Weltbühne-Herausgeber Carl von Ossietzky und die Aufhebung des Urteils des 4. Strafsenats des Reichsgerichts vom 23. November 1931, was der Bundesgerichtshof allerdings 1992 ablehnte. Heinrich Hannover starb am 14. Januar 2023.
Wolfgang Vogel studierte ebenfalls nach der Zerschlagung des Hitlerfaschismus Rechtswissenschaft (in Jena) und war nach einer kurzen Tätigkeit im Justizministerium der DDR ab 1954 als Rechtsanwalt tätig. Er gehörte zu den wenigen Ost-Juristen, die auch über eine Zulassung für die damalige Bundesrepublik verfügten. Als 1962 der erste Agentenaustausch auf der Glienicker Brücke stattfand, war er einer der Organisatoren. Den US-Spionagepiloten Francis Gary Powers, der über sowjetischer Lufthoheit abgeschossen worden war, tauschte man gegen den KGB-Oberst Rudolf Abel aus. In der Folgezeit bis 1989 war Vogel am Austausch von etwa 150 Agenten aus 23 Ländern beteiligt. Unter ihnen war auch der bei Willy Brandt im Kanzleramt tätige Günter Guillaume. 33.755 politische Häftlinge wurden in jener Zeit durch die Bundesrepublik freigekauft. Die Verhandlungen dazu führte Wolfgang Vogel mit den zuständigen Politikern der BRD.
Als die Situation im Herbst 1989 in der Prager Botschaft der Bundesrepublik zu eskalieren drohte, weil das Gelände mit Flüchtlingen völlig überfüllt war, reiste er in die ČSSR und sorgte zusammen mit Hans-Dietrich Genscher und anderen für eine Entspannung der Lage. Die weitere Entwicklung ist hinlänglich bekannt.
Vogels Wirken erfolgte weitgehend im Stillen, auch wenn ab und an über ihn in der bundesdeutschen Presse zu lesen war. Ihm war stets bewusst, dass eine intensive Berichterstattung dem Anliegen der Lösung humanitärer Fragen geschadet hätte. Er genoss das Ansehen von Helmut Schmidt, Herbert Wehner und vielen anderen westdeutschen Politikern, aber auch das Vertrauen von Erich Honecker, der ihn gelegentlich als »Briefträger« in besonderen Fällen einsetzte.
Wolfgang Vogel wurde mit mehreren hohen staatlichen Auszeichnungen der DDR geehrt, unter anderem dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold und dem Großen Stern der Völkerfreundschaft. Die Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR verlieh ihm 1969 die Ehrendoktorwürde und ernannte ihn 1985 zum Professor. Wolfgang Vogel starb am 21. August 2008.