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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Bilder der Stadt

Unse­re Städ­te geben ein schlech­tes Bild ab – meint kein Gerin­ge­rer als unser Kanz­ler. Oje. Zu wenig »gute deut­sche Gesich­ter« auf den Stra­ßen, kon­kre­ti­siert das einer mei­ner Nach­barn sekun­die­rend. Noch­mal: Oje.

Zu des Kanz­lers Kla­ge, ist nun schon jede Men­ge gesagt wor­den. Prak­tisch alles. Nur noch nicht von allen. Nicht von mir bei­spiels­wei­se, wes­halb ich mich auf­ge­ru­fen füh­le, eben­falls dazu Stel­lung zu neh­men. Ist doch wirk­lich wichtig!

Recht hat er, der Kanz­ler. Ja, auf den Bahn­hö­fen in vie­len deut­schen Städ­ten (Aus­nah­me: Mag­de­burg, gera­de wegen sei­ner guten Auf­ent­halts­qua­li­tät zum »Bahn­hof des Jah­res 2025« gewählt) hält man sich mit sei­nen Töch­tern nicht gern auf. Da drücken sich vie­le dunk­le Gestal­ten rum, es ist laut, wuse­lig, und es stinkt. Echt nicht schön! Die geben kein gutes Bild ab, unse­re Bahn­hö­fe. Des­we­gen mache ich da schon lan­ge kei­nen Aus­flug mehr hin, son­dern nut­ze sol­che Orte für gewöhn­lich nur als Durch­gangs­sta­ti­on – wofür sie wohl ursprüng­lich auch mal gedacht waren.

Klar, es gibt auch ande­re Nut­zungs­ge­wohn­hei­ten. Dort ist es – wahl­wei­se – wär­mer oder küh­ler als drau­ßen, man ist vor Wind und Wet­ter geschützt, man fin­det von Rei­sen­den acht­los ste­hen­ge­las­se­nes Pfand­gut und ande­res mehr. Es sind also durch­aus loh­nens­wer­te Orte für Men­schen, die kein zuhau­se haben, die arm oder ander­wei­tig in Not sind und auf Wohl­stands­re­ste hof­fen. Ob sich dar­un­ter auch »ille­ga­le Ein­wan­de­rer« befin­den, hal­te ich wegen der Poli­zei­prä­senz auf Bahn­hö­fen eher für wenig wahr­schein­lich. Erkenn­bar ist das ohne­hin nicht. Wie und wor­an auch?

Das sehen die Töch­ter des Kanz­lers angeb­lich anders als ich. Ja, unbe­kann­te Män­ner lau­fen da her­um, die sicher nicht alle Gutes im Schil­de füh­ren, mut­maß­lich »Ille­ga­le«, die uns nach Leib, Leben und Eigen­tum trach­ten. Gott oh Gott. Viel­leicht war­ten die aber auch nur auf ihren Zug zum Abschie­be­flug. Man weiß es nicht. Aber, Vor­sicht ist auf jeden Fall gebo­ten. Auf Bahn­hö­fen und in Innen­städ­ten dro­hen vie­le Gefah­ren – auch unter »Lega­len« und, Ent­schul­di­gung, unter »Bio-Deut­schen« soll es ja üble Typen geben.

Für viel gefähr­li­cher als einen Auf­ent­halt auf Bahn­hö­fen hal­te ich aller­dings die Merz’schen Invek­ti­ven. Ganz beson­ders für sei­ne Töch­ter, die nun für die Dumm­heit des Papas – weil der alte Herr sich selbst ver­mut­lich äußerst sel­ten auf Bahn­hö­fen auf­hält – als Zeu­gin­nen ein­ste­hen müs­sen. Für sei­nen per­fi­den Popu­lis­mus. Er greift ein all­ge­mei­nes Unbe­ha­gen auf – ja, vie­le Bahn­hö­fe und Innen­städ­te sind nicht schön; gehen Sie mal durch Man­hat­tan! –, erfin­det hier­für eine Ursa­che – die »ille­ga­le Ein­wan­de­rung« näm­lich macht unse­re Innen­städ­te, samt Bahn­hö­fen zu unwirt­li­chen Orten –, erklärt deren Bekämp­fung zum poli­ti­schen Pro­gramm und gau­kelt den Wäh­le­rin­nen und Wäh­lern (samt deren Töch­tern) vor, damit »ihr Pro­blem« zu lösen, ihr Unbe­ha­gen zu besei­ti­gen. Wie er das anstel­len will (durch Abschie­bun­gen?) bleibt zwar sein Geheim­nis, aber immer­hin: End­lich jemand, der unse­re ech­ten Sor­gen, die wirk­li­chen Nöte der Men­schen ernst nimmt. Dan­ke dafür! So kön­nen wir uns also, vor allem unse­re Töch­ter, dem­nächst end­lich wie­der auf Bahn­hö­fen wohlfühlen.

Hä? Geht’s noch? Mie­ten, Infla­ti­on, Gesund­heits­ko­sten, Alters­ar­mut, Staats­ver­schul­dung, Umwelt­zer­stö­rung, Erd­er­wär­mung, Rüstungs­wahn u.a.m. – alles Pea­nuts? Ja, jeden­falls rand­stän­dig, wenn man die öffent­li­che Reak­ti­on auf die Kanz­ler­dumm­heit zum Maß­stab nimmt. Da rauscht eine Hyste­rie­wel­le durch den Blät­ter­wald und die Sen­de­an­stal­ten, als gäbe es kein Mor­gen, die Pro- und Con­tra-Kom­men­ta­re rei­ßen nicht ab, oppo­si­tio­nel­le und mit­re­gie­ren­de Poli­ti­ker for­dern einen »Kanz­l­er­gip­fel«, Popu­li­sten vom rech­ten Rand machen Freu­den­sprün­ge: »Der arbei­tet ja für uns! Hono­rar­frei!« Poli­ti­sche Öffent­lich­keit als Realsatire.

Und was ist eigent­lich mit den Flug­hä­fen? Über die machen wir uns ja eben­falls ern­ste Sor­gen. Viel­leicht soll­ten die dort kürz­lich in selt­sa­mer Häu­fung beklag­ten und unse­re Rei­se­lust behin­dern­den Droh­nen­flü­ge ille­ga­le Ein­wan­de­rungs­we­ge aus­spä­hen. Aber nein, Quatsch, das waren ja alles Putins Flug­ob­jek­te – obwohl, der nutzt ja die Migran­ten­strö­me als Kriegs­waf­fe. Nach­ti­gall, … Ja, da brau­chen wir doch nur eins und eins zusam­men­zu­zäh­len. Weder auf Flug­hä­fen noch in Bahn­hö­fen sind wir vor Putins Schat­ten­krie­gern sicher. Also ehr­lich! Da begin­ne auch ich lang­sam zu den­ken, dass wir die­sem Fies­ling end­lich mal zei­gen soll­ten, wo der Ham­mer hängt.

Aber das führ­te hier jetzt zu weit. Jeden­falls gehö­ren auch die Droh­nen künf­tig abge­scho­ben, par­don, abge­schos­sen. »Die Poli­tik« muss auch das jetzt zur Chef­sa­che machen und unver­züg­lich han­deln. Dafür haben wir unse­re »Ver­tre­ter« doch gewählt.