Angesichts der von der Rüstungsindustrie im eigenen monetären Interesse gepushten Forderung nach mehr Kriegsbereitschaft des Landes, die gegen den in der deutschen Geschichte schon immer im Osten ausgemachten »Feind« gerichtet ist, lohnt es sich einmal, einen kurzen Blick in das Geschehen während des letzten deutschen Versuchs, einen Krieg im Osten Europas zu gewinnen, zu werfen. Denn kriegsbereit und kriegstüchtig zu sein, meint ja nichts anderes, als zukünftig Krieg führen zu wollen. Anlässe hierfür, so zeigt die Geschichte, findet man immer, nämlich dann, wenn man sich stark genug aufgerüstet fühlt.
Die USA im Unterschied zu anderen Ländern unterhalten in Deutschland immer noch Truppen, von deren Standorten völkerrechtswidrige Drohnen- und andere Angriffe auf verschiedene Länder Nordafrikas und nach Afghanistan geflogen werden, wobei man sich gern als »Weltgendarm« ausgibt. Für Deutschland und seinen »atlantischen Partner«, der weltweit die meisten Militärstützpunkte unterhält, war und ist in erster Linie Russland der Feind, früher die Sowjetunion. Und der Ausbau des Feindbildes geht nicht zuletzt mit Hilfe der Medien weiter, wenngleich es keinerlei Belege für ernsthafte Bemühungen gibt, die darauf schließen lassen, dass die Russen wieder einmal eine Fahne auf dem Brandenburger Tor hissen möchten. Dass lässt aber einen überzeugten Russlandfeind nicht von seinen kriegerischen Dogmen abbringen. Man habe, so könnte man angesichts der vielen als Tatsachen demonstrierten Phantastereien denken, mit Hilfe der KI eine Möglichkeit gefunden, in das Hirn Putins zu schauen. Hieraus spinnt man sich dann Gefahrensituationen zusammen. Ernsthafte Belege für ein bevorstehendes Angriffsszenario bleiben – zumal es erst in einigen Jahren, wenn die Nato aufgerüstet hat, eintreten soll – natürlich aus, genauso wie wir es vom Beginn fast jeden Krieges kennen.
Allerdings hat ein Schweizer Gardist aus Vatikanstadt ausgeplaudert, dass er einmal in die deutsche Hauptstadt kommen möchte. Das ist doch gefährlich für Deutschland, und es müsste sich bedroht fühlen!
Aber da im Osten weit mehr Rohstoffkapazitäten vorhanden sind als unter dem Territorium der Vatikanstadt, bleibt der Osten, also Russland, der rohstoffeffektivere Feind. Und da Deutschland gemessen an den absoluten Treibhausgasemissionen immer noch einer der größten Emittenten der Welt ist und die weltweiten Rohstoffreserven zu Ende gehen, braucht man für den Rüstungsausbau, der zudem die marode Wirtschaft ankurbeln und die Arbeitslosigkeit senken soll, neuen »Lebensraum im Osten«. Die dadurch hintenangestellten Ziele zur Rettung des Weltklimas spielen da keine Rolle. Allen diesbezüglichen Warnungen zum Trotz, die es ja durchaus gibt, greift man auf Bedrohungslügen von 1939 zurück.
Wer das für Hirngespinste hält, möge einmal in die strategischen Planungsunterlagen der Bundeswehr schauen – wenn er darf! Da könnte man vielleicht schon ausgearbeitete Vorschläge finden, um ans russische Erdöl, ebenso wie an die Lagerstätten von seltenen Erden (was ja auch, wie Trump kürzlich zu verstehen gab, im Fokus der USA liegt) in benachbarten Ländern zu kommen. Im Prinzip wären das die gleichen Ziele, die Hitler mit seiner Wehrmacht zu erreichen versuchte. Wie bekannt, scheiterte die damit beauftragte 6. Armee der Deutschen Wehrmacht unter Generalfeldmarschall Friedrich Paulus, welche auf dem Weg zu den kriegswichtigen Rohstoffen unterwegs war, bereits an der Wolga.
Angesichts dieser historischen Tatsache lohnt sich ein Blick in die in der DDR veröffentlichte Autobiografie des Oberst Wilhelm Adam, ehemaliger Erster Adjutant der deutschen 6. Armee. Er hatte wesentlich dazu beigetragen, dass die Reste der eingekesselten, dann nur noch aus etwa einer viertel Million demoralisierter Wehrmachtsangehörigen bestehenden Armee den Widerstand aufgaben und sich gefangen nehmen ließen. Er wurde dafür von den Nazis in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Später schwor er in Gefangenschaft dem Nazismus ab, wurde dann in der DDR Mitbegründer der NDPD, Politiker in Sachsen sowie Offizier der NVA.
Mehrere Jahre nach seinen unter Lebensgefahren und Todesängsten gewonnenen Erkenntnissen an der Wolga schrieb er über seinen »schweren Entschluss« (so auch der Titel seines autobiografischen Buches), der das sinnlose Massensterben der Soldaten beendete und die Überlebenden in die Gefangenschaft der Roten Armee führte. Darin finden sich für die Gegenwart wichtige Überlegungen, die heute den Kriegstreibern zur Lektüre empfohlen seien. Adam fragt nach dem »Schicksal«, das ihn und viele weitere Wehrmachtsangehörige nach Stalingrad gebracht hatte, wo die Reste der einst stolzen Armee vom Feind umzingelt dahinvegetierten: »Das Schicksal? War es wirklich Schicksal, das ihn (seinen Vorgesetzten, Generalfeldmarschall Paulus – UvdH) und seine Viertelmillionenarmee zum Untergang verurteilt hatte? Inwieweit waren eigene Schuld, militärisches und menschliches Versagen an dem Unglück beteiligt? War die Ursache unseres Debakels nicht viel früher, lange vor der Schlacht an der Wolga zu suchen? (…) Wäre es nicht viel besser gewesen, den Ostfeldzug, ja den ganzen Krieg nicht zu beginnen? Gab es überhaupt ein Kriegsziel, das diese Ströme vergossenen Blutes, Berge von Trümmern, Tränen des Leids rechtfertigen konnte? Der Krieg gegen Sowjetrussland sei aus Präventivgründen nötig gewesen, sagte man uns, nötig, um den uns drohenden Bolschewismus abzuwehren. Eigentlich konnte ich dieses Argument nie so recht glauben. Was ich am 22. Juli 1941 und in den nachfolgenden Wochen des Ostfeldzuges persönlich erlebte, sprach keinesfalls dafür, dass sich die Rote Armee zu einem Angriffskrieg bereit gestellt hatte, sondern ließ vielmehr darauf schließen, dass sie überhaupt nicht kriegsbereit und nicht einmal genügend für die Verteidigung vorbereitet war (…) War es eigentlich nicht logisch, dass die Herrscher im Kreml zunächst die riesigen Möglichkeiten ihres gewaltigen Landes erschlossen, anstatt mit den fragwürdigen Gedanken zu spielen, Deutschland überfallen zu wollen? Wie aber, wenn das stimmte, wenn dieser Krieg von unserer Seite gar nicht der Abwehr gedient hätte, gar nicht notwendig gewesen wäre?
Entsetzlich! Dann würde all das Blut und all der Dreck dieses Krieges ausschließlich an unseren Fingern klebenbleiben!«
Es ist hinlänglich bekannt, mit welchen Folgen der Zweite Weltkrieg, der von einem sich »kriegstüchtig« fühlenden Deutschland ausging, endete. Warum lassen sich dennoch Deutsche nunmehr wieder in Richtung Osten auf die Schlachtbank führen?
Wo ist eine starke Friedensbewegung? Wo ist der Widerstand der jüngeren Generation, die ja das Kriegshandwerk ausführen sollen. Wir brauchen deren Stimmen! Damit uns nicht das gleiche Schicksal ereilt, wie die etwa vier Millionen deutschen Soldaten und die 1,65 Millionen deutscher Zivilisten, ganz zu schweigen von den nichtdeutschen Opfern, die dieses »Schicksal« das Leben kostete.
Mit vorbereitet haben die seit einiger Zeit alltägliche Kriegshysterie sicherlich solche Aussagen, wie die vom heutigen deutschen Außenminister Johann Wadephul: »Russland wird immer ein Feind für uns bleiben«, womit er sich wohl auch den Weg ins Auswärtige Amt ebnete. Es ist geradezu pervers, wenn heute Bundeswehr-Strategen mit täglich 1.000 Verwundeten im Falle eines Krieges mit Russland rechnen; von wie vielen Toten sie ausgehen, ist nicht bekannt. Falls doch, sei die Frage gestellt, ob sich die strategischen Rechner selbst und ihre Kinder auch zu den »Verlusten« zählen.
Wird die angestrebte Kriegsbereitschaft von den Bellizisten als notwendig erachtet, weil die von deutschen Militärs als schändliche Niederlage empfundene weltweit größte Panzerschlacht bei Kursk 1943 nunmehr Jahrzehnte später erfolgreicher ausgefochten werden soll? Oder weil einige nicht verwinden können, dass Rotarmisten auf dem Brandenburger Tor 1945 die rote Fahne hissten? Ein sowjetischer General hatte übrigens 1945 nach der Kapitulation des Naziregimes in Berlin schon vorhergesagt: »Das werden uns die Deutschen nie verzeihen!«
Was steckt wirklich hinter dem Rüstungswahnsinn? Schon Karl Marx hatte die Profitgier der Kapitalisten, und dazu zählen heute insbesondere diejenigen der Rüstungsindustrie und deren Lobbyisten, die bis heute gültige Erkenntnis: »Das Kapital hat einen Horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.«
Irgendwie bzw. irgendwann muss das doch auch den Kriegsbegeisterten und potentiellen Kriegsgewinnlern bewusstwerden, nämlich, dass sie, wie alle anderen, einen Atomkrieg nicht überleben würden. Denn sie und ihre Familien können sich nicht auf den Mars in Sicherheit bringen, und der Konjunktur habende Kauf von Luftschutzbunkern hilft nicht langfristig. Nach einem atomar ausgefochtenen Krieg werden auch sie nicht mehr die Sonne und den Mond sehen. Aber sie wollen, ja müssen, zur Wahrung ihrer eigenen ökonomischen, politischen und medialen Bedeutung, inklusive der Möglichkeit sich die Taschen zu füllen, so der anerkannte Spezialist für Internationale Beziehungen, Rafaele Marchetti, dem Bedeutungsverlust des Westens zu Gunsten des Globalen Südens etwas entgegensetzen. Seien es Zölle und Protektionismus, wissenschaftliche Abschottung, Aktivierung exklusiver weltwirtschaftlicher und politischer Clubs, öffentliche Ächtung von andersdenkenden Individuen, Institutionen und Staaten, aber auch Unterstützung von Sanktionen und Stellvertreterkriegen sowie auch die Erweiterung der Nato, was Russland bekanntlich als Bedrohung ansah und ansieht.
Wenn es nicht wieder Nürnberger Prozesse geben soll, falls es dann überhaupt noch ein Deutschland geben wird, muss schon jetzt etwas geschehen. Denn niemals wieder ist jetzt!