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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Das funkigste Lebewesen der Erde

»Sly Stone’s Musik war wie die der Beat­les und die des Labels Motown zusam­men­ge­nom­men«, sag­te ein­mal der pro­mi­nen­te Musi­ker Geor­ge Clin­ton. Und wahr­lich: Sly Stone gilt mit sei­ner Band Sly & the Fami­ly Stone als einer der wich­tig­sten Musi­ker der spä­ten 1960er und frü­hen 1970er Jah­re. Sein Ein­fluss auf ande­re Künst­ler und Bands wie Stevie Won­der, Micha­el Jack­son, Out­cast, Prin­ce, Red Hot Chi­li Pep­pers sowie Jaz­zer wie Miles Davis und Her­bie Han­cock ist rie­sig. Vie­le Hip-Hop-Künst­ler haben auch sei­ne Riffs gesam­pelt. Das Album »There’s a Riot Goin’ On«, eine Reflek­ti­on der Bür­ger­rechts­kämp­fe der Afro­ame­ri­ka­ner, gilt als eines der groß­ar­tig­sten des 20. Jahrhunderts.

Am 9. Juni ist Sly Stone im Alter von 82 Jah­ren in Los Ange­les an der Lun­gen­krank­heit COPD sowie ande­ren Beschwer­den gestor­ben. Sei­ne Fami­lie ver­öf­fent­lich­te ein State­ment: »Er war eine monu­men­ta­le Figur, ein bahn­bre­chen­der Inno­va­tor und ein wah­rer Pio­nier, der Pop, Funk und Rock neu defi­nier­te.« Und Mike Scott von den bri­ti­schen Water­boys erklär­te: »Dan­ke für all die Inspi­ra­ti­on, für die neu­en Wege, die du gegan­gen bist und dafür, dass du das frech­ste und fun­kig­ste Lebe­we­sen auf der Erde warst.« Zu den bekann­te­sten Songs von Sly & the Fami­ly Stone gehö­ren »Ever­y­day Peo­p­le«, »Dance to the Music«, »I Want to Take You Hig­her«, »Fami­ly Affair« oder »Hot Fun in the Summertime«.

Syl­ve­ster Ste­wart wur­de am 15. März 1943 in Den­ton, Texas in eine christ­li­che, afro­ame­ri­ka­ni­sche Fami­lie gebo­ren und wuchs in San Fran­cis­co auf, wo er bereits als Jun­ge zusam­men mit drei Geschwi­stern das Gos­pel-Quar­tett »The Ste­wart Four« for­mier­te. Bald konn­te das Wun­der­kind Pia­no, Gitar­re, Bass und Drums spie­len. Als jun­ger Mann arbei­te­te er in San Fran­cis­co als Pro­du­zent bei einem Plat­ten­la­bel und als Radio-DJ bei zwei Sta­tio­nen für Afro­ame­ri­ka­ner, wobei er sowohl schwar­ze als auch wei­ße Musik spiel­te. 1966 ver­ei­nig­te er sei­ne eige­ne Band mit der sei­nes Bru­ders Fred­die und grün­de­te Sly & the Fami­ly Stone, die sowohl aus Frau­en und Män­nern als auch aus schwar­zen wie wei­ßen Musi­kern bestand, damals ein wich­ti­ges State­ment! Sie misch­ten R&B, Soul und Gos­pel Musik, ver­ein­ten Funk und psy­che­de­li­schen Rock ’n’ Roll. 1968 hat­ten sie mit dem Hit »Dance to the Music« und dem gleich­na­mi­gen Album einen ersten Durch­bruch, der mit ihrem über­näch­sten Album »Stand! « (1969) – mit drei Mil­lio­nen ver­kauf­ten LPs – und ihrem Auf­tritt in Wood­stock voll­ends durch­schlug. In den 1970ern began­nen aller­dings lang­sam erste Auf­lö­sungs­er­schei­nun­gen, vor allem der vie­len genom­me­nen Dro­gen geschul­det. Das Mei­ster­werk »There’s a Riot Goin’ On« (1971) nahm Stone dann schon fast allein auf, zusam­men mit einer Drum Maschi­ne, damals eine der ersten! Es folg­ten die Alben »Fresh« (1973) und »Small Talk« (1974). Der Musi­ker Questl­ove zu die­sen Ver­öf­fent­li­chun­gen: »Sly mal­te ein sehr dunk­les, lyri­sches, para­no­ides Ding – fast in jeder Plat­te, aber alles klingt so fröh­lich.« Bei einer Show 1974 im New Yor­ker Madi­son Squa­re Gar­den hei­ra­te­te er spek­ta­ku­lär vor 20 000 Zuschau­ern, doch ein paar Mona­te spä­ter war die Band am Ende und die Ehe zwei Jah­re spä­ter eben­so. Ver­öf­fent­lich­te Solo-Alben hat­ten wenig Erfolg.

In den 1980ern wur­de Stone immer erra­ti­scher, zog sich in sein Haus zurück, erschien oft nicht zu sei­nen Kon­zer­ten und wur­de mehr­mals wegen Dro­gen-Besitz und Fah­ren unter Dro­gen­ein­fluss ver­haf­tet. 2007 ging er noch­mals mit Sly & the Fami­ly Stone auf Tour, jedoch wenig über­zeu­gend. 2009 wur­de gemel­det, dass er ver­armt sei und in einem Wohn­wa­gen in Los Ange­les lebe. 2011 ver­öf­fent­lich­te er sein letz­tes Album »I’m Back! Fami­ly & Fri­ends«, vor allem mit neu ein­ge­spiel­ten alten Songs sowie ledig­lich drei bis­her unver­öf­fent­lich­ten Liedern.

Am Ende sei­ner Auto­bio­gra­fie (2023) fragt er sich selbst, ob es etwas gibt, was die Leu­te von sei­nem Leben neh­men könn­ten, und ant­wor­tet: »Die Musik, nur die Musik.«