Skip to content

Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

Menu
Menu

Der Schlaf der Welt gebiert Ungeheuer

Anknüp­fend an die Phi­lo­so­phie Imma­nu­el Kants und die berühm­te Radie­rung Goyas »Der Schlaf der Ver­nunft« auf­grei­fend, rüt­telt Danie­la Dahn wie in einem Weck­ruf an der ver­brei­te­ten Nei­gung, das Leben zu genie­ßen und Bedroh­li­ches aus­zu­blen­den. Gestützt auf Fak­ten und Doku­men­te macht sie auf die unse­re Exi­stenz unge­heu­er gefähr­den­den Vor­gän­ge auf­merk­sam, denen wir aktu­ell aus­ge­setzt sind. Den Ursa­chen ent­ge­gen­zu­tre­ten und Alter­na­ti­ven gel­tend zu machen, setzt die Erkennt­nis vor­aus, wel­che Kräf­te und macht­po­li­ti­schen Inter­es­sen dafür ver­ant­wort­lich sind, dass der irrepa­ra­ble Kipp­punkt des Kli­mas, auf den wir zusteu­ern, nicht wirk­sam ver­hin­dert wird, eine Bekämp­fung von Flucht­ur­sa­chen nicht statt­fin­det und wir unge­ach­tet der furcht­ba­ren Erfah­run­gen des 20. Jahr­hun­derts erneut in ein Welt­kriegs­ri­si­ko zur Dur­set­zung von Herr­schafts­an­sprü­chen gera­ten sind, anstatt alles zu tun, um eine Frie­dens­ord­nung her­bei­zu­füh­ren. Als Unge­heu­er unse­rer Zeit ver­kör­pern die­se von der Mit­te der Gesell­schaft aus­ge­hen­den Kräf­te den Rechts­ruck, der die Mit­be­stim­mung des Wäh­lers zur Far­ce und Demo­kra­tie sowie Men­schen­rech­te zu Wort­hül­sen ver­kom­men lässt.

Wie in einer Art kon­zer­tier­ter Akti­on sind Men­schen in unse­rem Lebens­raum zuneh­mend den Bestre­bun­gen der poli­ti­schen Ver­ant­wor­tungs­trä­ger der EU und ihres mili­tä­ri­schen Arms, der Nato, im Ver­ein mit weit­ge­hend uni­so­no agie­ren­den Medi­en einer Pro­pa­gan­da aus­ge­setzt, wonach man sich an die Mög­lich­keit von Krieg als Nor­mal­zu­stand zu gewöh­nen und Frie­den als Aus­nah­me zu begrei­fen habe. Es heißt, wir müs­sen wie­der kriegs­tüch­tig wer­den, und um Glaub­wür­dig­keit zu erlan­gen, wird das Feind­bild Russ­land her­bei­ge­lo­gen. Vom Kon­flikt zwi­schen der Ukrai­ne und Russ­land, der im Ergeb­nis der Nato-Ost­erwei­te­rung bei zugleich per­ma­nen­ter Wei­ge­rung einer Aner­ken­nung von Sicher­heits­in­ter­es­sen Russ­lands zustan­de kam und der inzwi­schen zum Abnut­zungs­krieg zwi­schen Russ­land und der Nato auf dem Rücken der Ukrai­ne mutier­te, geht immer mehr die Gefahr einer Eska­la­ti­on zu einem gro­ßen euro­päi­schen Krieg aus.

Mit einem wei­te­ren The­men­kreis greift die Autorin den unge­lö­sten Nah­ost­kon­flikt und die unschar­fe Ver­wen­dung des Ras­sis­mus-Begriffs auf, der eine wirk­sa­me Über­win­dung des Ras­se­ge­dan­kens behin­dert, was in der welt­wei­ten Debat­te über Anti­se­mi­tis­mus nach dem Pogrom der Hamas und dem Rache­feld­zug Isra­els nur all­zu deut­lich her­vor­ge­tre­ten ist. Mehr als über­fäl­lig ist nach dem kei­nes­wegs sen­si­bel gestal­te­ten Start der Staats­grün­dung Isra­els und sei­ner danach erfolg­ten schritt­wei­sen Expan­si­on das im Chri­sten­tum wie im Islam ver­an­ker­te Frie­dens­ge­bot auf­zu­grei­fen, das ein fried­li­ches Zusam­men­le­ben und die Gleich­wer­tig­keit aller Men­schen einschließt.

In ver­gleich­ba­rer Wei­se ver­weist das Buch auf einen fla­chen und damit ent­wer­ten­den Gebrauch des Begriffs Faschis­mus. Die­ser mar­kiert unwi­der­ruf­lich das größ­te Ver­bre­chen der Mensch­heit, das von Deut­schen began­gen wur­de, die indu­strie­mä­ßi­ge Ver­nich­tung der euro­päi­schen Juden. Man soll­te nicht zulas­sen, dass die wah­ren Ursa­chen des Rechts­rucks kaschiert wer­den, der in Wirk­lich­keit vom herr­schen­den poli­ti­schen System selbst her­vor­ge­bracht wird. Als ein her­aus­ra­gen­des Bei­spiel gehört dazu die im Zuge der Wie­der­ver­ei­ni­gung durch Anschluss nach § 23 enthu­sia­stisch betrie­be­ne Demon­ta­ge des in der DDR iden­ti­täts­stif­tend geleb­ten Anti­fa­schis­mus, was von Neo­na­zis als Ermu­ti­gung begrif­fen wer­den konn­te. In der BRD stand der Anti­fa­schis­mus dem­ge­gen­über stets unter Kom­mu­nis­mus-Ver­dacht, was durch eine ins­be­son­de­re unter der Justiz halb­her­zi­ge Ent­na­zi­fi­zie­rung viel­fach belegt ist. Das erhöh­te Zustim­mungs­po­ten­ti­al zur AfD auf dem Gebiet der ehe­ma­li­gen DDR demon­striert vor allem eine Pro­test­hal­tung und resul­tiert aus der in der Wirt­schafts­ge­schich­te ein­zig­ar­ti­gen Demon­ta­ge eines Indu­strie­stand­orts, der erst nach 18 Jah­ren das Niveau einer 1990 als maro­de bezeich­ne­ten Wirt­schaft wie­der erreicht hat. Einen Akzent in Rich­tung Rechts­la­stig­keit setz­te auch die auf Aus­lö­schung von DDR-Gedächt­nis gerich­te­te flä­chen­decken­de Umbe­nen­nung von Stra­ßen, Plät­zen, Schu­len und Klubs, die selbst vor Anti­fa­schi­sten nicht Halt mach­te. Rechts­la­stig­keit wird begün­stigt, wenn Demo­kra­tie als Macht­be­schrän­kung kaum noch erkenn­bar ist, die Par­la­men­te ihre Macht weit­ge­hend an die Regie­run­gen, letz­te­re an die EU-Kom­mis­si­on und die­se die Macht an die Welt­bank und die Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­ti­on abge­ge­ben haben. Wel­che Wahl hat da noch der Wäh­ler ange­sichts der ver­bor­ge­nen Macht des Kapitals?

Des Wei­te­ren befasst sich Danie­la Dahn mit der bis heu­te erkenn­ba­ren Ungleich­be­hand­lung ehe­mals Ost­deut­scher gegen­über West­deut­schen vor dem Gesetz als Ergeb­nis der per Macht­ent­schei­dung voll­zo­ge­nen Ein­heit. Der dafür im Grund­ge­setz vor­ge­se­he­ne Arti­kel 146 kam nicht zum Tra­gen. Es wur­de die Chan­ce zu einem nach gemein­sa­mer Dis­kus­si­on ent­stan­de­nen und durch Volks­ent­scheid legi­ti­mier­ten Grün­dungs­akt ver­tan, statt­des­sen die sei­ner Zeit im Auf­trag west­li­cher Mili­tär­be­hör­den ent­stan­de­ne und als Pro­vi­so­ri­um für das west­deut­sche Staats­frag­ment geplan­te Ver­fas­sung auf die DDR über­tra­gen. Der Ver­fas­sungs­ent­wurf des Run­den Tisches mit einem moder­ni­sier­ten Grund­ge­setz, das erwei­ter­te Grund­rech­te vor­sah, wur­de von der Bon­ner Mini­ste­ri­al­bü­ro­kra­tie zurück­ge­wie­sen. Das Ohn­machts­ge­fühl der Bür­ger und ihr Frust gegen­über der reprä­sen­ta­ti­ven Demo­kra­tie haben zum Rechts­ruck und zu Gewalt­ak­ten gegen Frem­de zwei­fel­los bei­getra­gen. Die gesell­schaft­li­che Zweit­klas­sig­keit wur­de ehe­ma­li­gen DDR-Bür­gern immer wie­der ins Bewusst­sein gerückt. So ist die Gül­tig­keit des im Grund­ge­setz ver­an­ker­ten Rück­wir­kungs­ver­bots für ehe­ma­li­ge DDR-Bür­ger jah­re­lang außer Kraft gesetzt wor­den, gelang­te aber zwecks Unter­brin­gung und Gewäh­rung gesetz­li­cher Ansprü­che bei Ver­ant­wor­tungs­trä­gern des Drit­ten Rei­ches unter Ade­nau­er regel­mä­ßig zur Anwen­dung, was zur Been­di­gung der Ent­na­zi­fi­zie­rung bei­trug. Eben­so wur­den Ost­deut­sche bei der Rege­lung offe­ner Ver­mö­gens­fra­gen gesetz­lich benach­tei­ligt. Das Prin­zip »Rück­ga­be vor Ent­schä­di­gung« galt nicht für in West­deutsch­land gele­ge­nes Immo­bi­li­en­ei­gen­tum Ost­deut­scher, nicht ein­mal für jüdi­sches Eigentum.

Mit einem wei­te­ren The­ma greift die Autorin die Unter­schie­de in der sozia­len Stel­lung von Frau­en aus Ost- und West­deutsch­land auf, die auch im Ver­lauf der Wie­der­ver­ei­ni­gung deut­lich her­vor­tra­ten. 92 Pro­zent der weib­li­chen DDR-Bevöl­ke­rung erleb­ten das Arbeits­kol­lek­tiv als wich­ti­ge Sphä­re des gesell­schaft­li­chen Lebens, im Westen aber waren nur 55 Pro­zent erwerbs­tä­tig. Ab 1965 konn­ten Frau­en nach dem Fami­li­en­ge­setz­buch der DDR auto­nom über ihre Berufs­tä­tig­keit ent­schei­den. Fort­an galt bei Schei­dun­gen anstel­le des Schuld­prin­zips das Zer­rüt­tungs­prin­zip, und Kin­der wur­den ein­schließ­lich der unehe­li­chen gleich­be­rech­tigt gestellt. Im Westen kam es erst 33 Jah­re spä­ter zu einer ver­gleich­ba­ren Rege­lung. Anstel­le der in der DDR eige­nen Ent­schei­dung jeder Frau zum Schwan­ger­schafts­ab­bruch wur­de im Eini­gungs­ver­trag die Fri­sten­lö­sung ergänzt durch eine ver­schärf­te Bera­tungs­pflicht durch­ge­setzt, die nach­zu­wei­sen ist, da anson­sten Straf­ver­fol­gung droht. Nach einer Erhe­bung im Spie­gel in den 1990er Jah­ren ver­zich­te­ten 33 Pro­zent der Frau­en im Westen zugun­sten ihrer Kar­rie­re auf Kin­der, im Osten nur 0,5 Pro­zent. Gene­rell ist die hier­ar­chi­sie­ren­de Ver­ei­ni­gungs­po­li­tik als Ursa­che für die Schlech­ter­stel­lung aller Frau­en in Deutsch­land emp­fun­den wor­den, wobei das Auf­be­geh­ren im Kampf um Gleich­be­rech­ti­gung län­ge­re Zeit durch­aus Unter­schie­de erken­nen ließ. Wäh­rend Frau­en­be­we­gun­gen im Westen zu femi­ni­stisch gepräg­ten Äußer­lich­kei­ten bis hin zur Ver­schan­de­lung der Spra­che neig­ten, zeig­ten Ost-Frau­en eher ein grund­sätz­li­ches Her­an­ge­hen, indem sie auf Klas­sen­schran­ken und Markt­wirt­schaft Bezug nahmen.

Seit drei Jah­ren an schwe­ren gesund­heit­li­chen Schä­den nach einer Covi­d19-Infek­ti­on lei­dend nimmt der Ver­fas­ser der Rezen­si­on im letz­ten Kapi­tel des Buches mit Bestür­zung zur Kennt­nis, dass der bis­her als Ver­schwö­rungs­theo­rie ein­ge­stuf­ten Ver­mu­tung, es hand­le sich um einen Aus­bruch gen­ma­ni­pu­lier­ter Viren, der in Wuhan ver­se­hent­lich zustan­de kam, ein hoher Wahr­heits­ge­halt zukommt. Bereits seit den 90er Jah­ren sei welt­weit dar­an gear­bei­tet wor­den, Viren von Tie­ren durch gen­tech­ni­schen Ein­bau sog. Spike-Pro­te­ine infek­tiö­ser und dadurch auch auf den Men­schen leich­ter über­trag­bar zu machen, angeb­lich, um im Labor vor­weg­zu­neh­men, was in der Natur pas­sie­ren kann, um im Fall einer welt­wei­ten Pan­de­mie bes­ser gerü­stet zu sein. Um die eige­ne Bevöl­ke­rung vor einer ver­se­hent­li­chen Frei­set­zung gen­tech­nisch mani­pu­lier­ter Viren zu schüt­zen, sei eine sol­che auch »gain-of-func­tion« genann­te For­schung nach Chi­na aus­ge­la­gert wor­den. Dort habe man zuge­grif­fen, um an west­li­ches Know­how her­an­zu­kom­men. Vom ahnungs­lo­sen Steu­er­zah­ler der betei­lig­ten Län­der wur­de ein der­ar­ti­ges Trei­ben seit Jahr­zehn­ten mitfinanziert.

Eine sol­che Art For­schung, eröff­ne­te der Phar­ma­in­du­strie einen die gesam­te Mensch­heit umfas­sen­den Markt mit gewin­nex­plo­die­ren­den Ein­nah­men, zumal stän­dig zu wie­der­ho­len­de Auf­fri­schungs­imp­fun­gen erfor­der­lich sind. Eine Haf­tung für Impf­fol­gen aber wur­de von der Phar­ma­in­du­strie erfolg­reich zurückgewiesen.

Bedarf es da noch deut­li­che­rer Bei­spie­le, wel­chen Gefah­ren die mensch­li­che Exi­stenz unter den bestehen­den gesell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen aus­ge­setzt ist, wor­in die Unge­heu­er bestehen, die uns umge­ben? Im Bild Goyas nimmt der schla­fen­de Mensch die ihn bedro­hen­den Unge­heu­er nicht wahr Mögen wir begrei­fen, dass wir in der Mas­se sel­ber Teil der schla­fen­den Ver­nunft sind, und ein erster Schritt im Anschluss an den Weck­ruf von Danie­la Dahn dar­in bestehen kann, uns nicht wei­ter­hin pas­siv zu ver­hal­ten, viel­mehr uns und ande­re Men­schen zu mobi­li­sie­ren, für eine auf Gemein­wohl aus­ge­rich­te­te Ord­nung ein­zu­tre­ten und zu kämp­fen, die die bür­ger­li­che Frei­heit garan­tiert und auch die Wirts­haft erfasst.

 Danie­la Dahn: Der Schlaf der Ver­nunft, Rowohlt Ver­lag, Ham­burg 2024, 192 S., 16 €.