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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Die schöne Helena

Was »Die schö­ne Hele­na« von Bar­rie Kos­ky angeht, ursprüng­lich von Jac­ques Offen­bach, so lesen wir im Pro­gramm­heft, dass man den Sub­text nicht als Haupt­text insze­nie­ren dür­fe – d. h. genau das, was Offen­bach von sei­nen schlimm­sten Nach­fol­gern unter­schei­det. Das wür­de dem Werk nicht gerecht. Also alle Ver­su­che, ein Werk aus der Ver­gan­gen­heit an die Gegen­wart anzu­pas­sen, sind damit erledigt.

Was bleibt dann? Bei­spiels­wei­se die Kri­tik an der Insti­tu­ti­on Ehe; das ist aber auch das ein­zi­ge Bei­spiel, von dem wir lesen. Ange­passt wird die Musik z. B. mit klei­nen Wag­ner-Zita­ten. Ob das Offen­bach gefal­len hät­te, steht dahin, aber auf den Effekt kommt es an. Und wie wir wis­sen, ist das Wie­der­erken­nen in der Musik eine der bedenk­lich­sten Freu­den. (Davon lebt das Fernsehen.)

Und eine Offen­bach-Ope­ret­te, die man ihres anar­chi­sti­schen Cha­rak­ters ent­klei­det, was ist das? Gute Unter­hal­tung! Also das, was in der Etap­pe not­tut. Wobei ich etwas zweif­le, dass im Jahr 2025 oder auch zur­zeit von Kos­kys Pre­mie­re 2014, die Kri­tik an der Ehe noch wirk­lich aktu­ell ist.

Auch Dada war nicht nur Kla­mauk, son­dern ent­stand im 1. Welt­krieg gegen die Ratio­na­li­tät einer aus den Fugen gera­te­nen Welt, gegen den Irr­sinn, der sich für ver­nünf­tig hielt, also gegen die Zeit­wen­de 1.0 (1914).

Offen­bach und Wag­ner, lesen wir, sei­en zwei Sei­ten einer Medail­le. So wie Leben und Tod, Deutsch­lands Grö­ßen­wahn und Inter­na­tio­na­lis­mus, auto­ri­tä­rer Gestus und anti­au­to­ri­tä­re Tur­bu­len­zen? Krieg und Frieden?!

Was wir sehen, wobei in Rei­he 11 der Komi­schen Oper im Schil­ler­thea­ter die deut­schen Unter­ti­tel nicht mehr zu lesen sind, trotz neu­er Bril­le, ist »gute« Unter­hal­tung, Ver­klei­dung und tem­po­rei­che abwechs­lungs­rei­che Musik, immer wie­der aktua­li­siert, es flie­gen die Bei­ne wie sonst im besten Bal­lett, die Män­ner dür­fen Hin­tern zei­gen und die Frau­en Bei­ne. Alles züch­tig und tüch­tig und kreuz und que(e)r.

Nun, könn­te man ein­wen­den, ist doch wenig­stens die Ver­spot­tung der heh­ren grie­chi­schen Göt­ter­welt noch eine schö­ne Rache an einer drö­gen Schul­zeit? Zumin­dest bei den Älte­ren mag das eine Rol­le spie­len, bei den Jün­ge­ren kaum mehr, die wer­den mit der Par­odie auf­ge­wach­sen sein, ohne vom Ide­al viel mit­be­kom­men zu haben, vom Real ganz zu schweigen.

Es ist auch nicht anders wie einen Tag zuvor im Ber­li­ner Ensem­ble, wo »die hei­li­ge Johan­na« gegen den Strich gebür­stet wur­de, damit die Fri­sur dem, was heu­te en vogue ist, entspricht.

Ja, wir leben in Zei­ten, wo Dada wie­der aktu­ell wäre, aber wo kön­nen wir das sehen? In die­sen bra­ven Thea­tern nicht.

Sieg­fried Kra­cau­ers Buch zu Offen­bach wäre doch ein Anfang.