Rund 20 Prozent der 151 Bundestagsabgeordneten der AfD sind Berufssoldaten, Offiziere oder Polizisten. Sie schicken sich an, verstärkt Kriegstüchtigkeit und Gewaltausübung zu propagieren. Auch die Fraktionsführung der AfD gab sich überrascht, als aus diesen Kreisen die Forderung nach eigenen deutschen Atomwaffen – dies fordert auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn – und nach sofortiger umfassenderer Wiedereinführung der Wehrpflicht (auch für Frauen) aufgestellt wurde. Nach der Sommerpause ist mit einem Bundestagsantrag der AfD für die Wehrpflicht zu rechnen. In seiner Rede im Plenum am 16. Juli sprach sich AfD-MdB und Oberst Rüdiger Lucassen dafür aus. Er spendete viel Lob für die aktuelle Militärpolitik der CDU. Vor allem stimmte er ihr darin zu, dass Deutschlands zur stärksten Militärmacht Europas werden müsse. Europas oder der EU? Das ließ er offen.
Rückkehr der Wehrpflicht, Aufrüstungsexplosion und Kriegstüchtigkeit – fast das gesamte Parlament ist sich über die »neue Sicherheitspolitik« einig, so auch die Mainstream-Medien. Der Zwei-plus-Vier-Vertrag mit seiner Orientierung auf eine gesamteuropäische Sicherheit wird beiseitegeschoben. Aus der AfD und in der Umgebung von Unionsfraktionschef Jens Spahn wird eine weitere »Option« im Umgang mit Russland genannt, die Option des Atomkriegs. Auch aus Sicht des AfD-MdB und Oberst Rüdiger Lucassen gehört dazu eine nukleare Aufrüstung Deutschlands und eine Wehrpflicht für alle, auch für Frauen. Das steht ganz oben auf der Forderungsliste des AfD-Bundeswehr-Arbeitskreises in der Bundestagsfraktion der profaschistischen Partei. »Deutschland braucht eigene Atomwaffen«, so wird eine alte Forderung des CSU-Scharfmachers Franz-Josef Strauß (1915-1988) von der AfD aufgegriffen. Für die Frauenwehrpflicht solle bald das Grundgesetz geändert werden. Aus der sich oft als Antikriegspartei ausgebenden AfD klingt es wie aus dem Regierungslager: »Die Weltlage verändert sich rasant, Europa arbeitet an einer eigenen – von den USA unabhängigen – Sicherheitsarchitektur.« Mit der Atomwaffenforderung setzen Lucassen (AfD) und Spahn (CDU) noch eins drauf.
Er sage nicht, dass der russische Präsident Wladimir Putin Deutschland angreifen wolle, betonte Lucassen, »verteidigungspolitischer« Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag. »Aber es ist eine Option.« Deswegen gelte: »Wenn der nukleare Schutzschirm der USA fehlt, muss Europa (gemeint ist die EU) selbst handeln.« Deutschland müsse selbst nuklear abschreckungsfähig werden – »im Rahmen einer strategischen Autonomie Europas und eines Systems kollektiver Sicherheit mit einer eigenen Militär- und Kommandostruktur«. Ähnlich äußerte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck, bisher Vorsitzender der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA), die sich auflöst. »Deutschland braucht einen eigenen nuklearen Schutzschirm«, zitierte ihn das Nachrichtenportal DTS. Eine strategische Partnerschaft mit Russland, zum Beispiel im Handel oder in der Energieversorgung, sei zu befürworten. »Man darf aber dabei nicht vergessen: Dieses Russland ist nicht unser Freund.« Im Rahmen der aktuellen Nato-Politik müsse Deutschland die führende Rolle in dem Bündnis übernehmen. Nukleare Abschreckung sei ein wesentlicher Bestandteil, um die Erpressbarkeit von Staaten zu reduzieren, so äußerte sich Lucassen in der Welt.
Spahn hatte die Atomwaffendebatte befeuert, die auch schon der sogenannte Politikwissenschaftler Herfried Münkler aufgebracht hatte: »Wer nicht nuklear abschrecken kann, wird zum Spielball der Weltpolitik«, sagte Spahn der Welt am Sonntag. Sprecher der Grünen und der SPD wiesen weder Spahns Vorstoß noch den der AfD zurück. Die Grünen bedauerten, dass nicht noch mehr Geld für die Rüstung ausgegeben werden könne, und daran sei Spahn mit seinem Masken-Deal schuld, der so viel Geld verschlungen habe. So wurde es der Welt gesagt. »Statt Milliarden an Schadensersatz zu zahlen, könnten wir längst zusätzliche Munition beschaffen oder mehr Luftverteidigung finanzieren,« So die einstige »grüne Friedenspartei«. Nur die LINKE hält deutsche Atomwaffen für ein »absolutes No-Go«. »Die Aufrüstung mit eigenen Atomwaffen ist der Endpunkt einer inzwischen nach oben offenen militärischen Aufrüstungswelle«, sagte Ulrich Thoden, verteidigungspolitischer Sprecher der LINKEN-Bundestagsfraktion. »Wer immer mehr aufrüstet, macht Krieg immer wahrscheinlicher.« Eine deutsche Beteiligung an Atomwaffen würde »die Nachkriegsordnung völlig auf den Kopf stellen«. »Atomwaffen mit deutscher Mitverfügungsgewalt sind das letzte Tabu, das nun Jens Spahn auch noch schleifen will«, so Thoden.
»Deutschlands Sicherheit steht auf dem Spiel«, behauptet hingegen der AK Verteidigung der AfD, und erklärt, »was jetzt zu tun ist, um die Bundeswehr wieder stark zu machen«. Der AK nennt sich »die verteidigungspolitische Ideenschmiede der AfD-Bundestagsfraktion«. Einer ihrer Sprecher sagte: »Hier entstehen parlamentarische Initiativen und hier bereiten wir die Sitzungen des Verteidigungsausschusses des Bundestags vor.«
Jedes Mitglied des Arbeitskreises Verteidigung verfügt über einen militärischen Hintergrund. Stolz wird verkündet: »So viel Expertise in Fragen der Landesverteidigung gibt es in keiner anderen Fraktion des deutschen Bundestages. Für uns ist die Landes- und Bündnisverteidigung die erste und wichtigste Aufgabe unserer Bundeswehr. An diesem Auftrag müssen sich Personalstärke und Ausrüstung orientieren. Auslandseinsätzen stimmen wir unter strengen Auflagen zu.« Sie müssen »eindeutig und ausschließlich im Interesse unseres Landes und seiner Bürger liegen.« Um »deutsche Interessen« zu wahren, brauche es »eine starke Bundeswehr und eine selbstbewusste Sicherheits- und Verteidigungspolitik«. Die deutschen Streitkräfte seien heute in keinem guten Zustand. Das sei zu ändern. Der AfD-Arbeitskreis Verteidigung setze sich für eine deutliche Erhöhung des Militäretats und die Vollausstattung deutscher Streitkräfte ein. Das bedeute: Mehr Personal, das freiwillig nicht gewonnen werden kann und das zudem auch untergebracht und ausgebildet werden muss. »Die Aussetzung der Wehrpflicht war einer der schwerwiegendsten Fehler der Regierung Merkel. Die Bundeswehr verliert nicht nur ihre solide Verankerung in der deutschen Gesellschaft, es fehlt ihr auch an Nachwuchs. Wir brauchen motivierte und charakterstarke Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten aus allen Teilen unseres Volkes. In Deutschland war die Wehrpflicht über 200 Jahre (!) hinweg dafür der Garant. Die AfD setzt sich als einzige Partei für die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht ein.« So heißt es in einer im Internet verbreiteten Erklärung aus dem Arbeitskreis.
Neben den Abgeordneten des Arbeitskreises Verteidigung, die zumeist Reservisten sind, gehören der AfD-Fraktion auch zahlreiche Mitglieder an, die aus dem Polizeibereich kommen.
Nicht ohne Einfluss ist nach wie vor der ehemaligen Dreisterne-General der Luftwaffe und Ex-AfD-MdB Joachim Wundrak. Zu ihm muss man wissen: Er war Kommandeur des Lufteinsatzkommandos in Kalkar und der JAPCC-Denkfabrik der Nato mit eindeutig aggressiven Konzepten. Die Nato-Strategieschmiede JAPCC (Vereintes Luftkraft-Kompetenzzentrum) tagt seit 2015 in Essen und wurde jahrelang von Wundrak als Direktor geleitet.
Das Essener Friedensforum wird mit seinen Bündnispartnern auch diesen Herbst wieder eine Friedensdemonstration aus Anlass der militärstrategischen, von AfD-Militärs beeinflussten Konferenz durchführen. Diese beraten über Möglichkeiten »effektiver Kriegsführung« aus der Luft und aus dem All. Schon vor zehn Jahren hat das JAPCC einen großen Krieg in Europa vorhergesagt und nicht-nukleare und nukleare Planungen verbunden.
Wer nicht oberflächlich an die Sache herangeht, der erkennt: Die AfD ist nicht nur eine Partei des Ultranationalismus und des Rassismus, sondern auch eine Partei des Krieges und des Militarismus. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode wurde die Zustimmung zum ins Grundgesetz eingefügten Sondervermögen formuliert. Die AfD sagt: »Es darf das jährlich schwankende Budgetrecht des Parlaments nicht dazu führen, dass die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr (…) zur Disposition steht.« Das ist eindeutig. Weiter: »In einer zukünftigen Struktur der Bundeswehr wird die Reserve darüber hinaus stärker mit der territorialen Verteidigung verbunden.« Weitere Forderungen der AfD: Das Reservekorps der Bundeswehr unterstützt die Polizei, soll also auch für Einsätze im Innern eingesetzt werden. Seine Stärke soll 50.000 Soldaten betragen. Nicht zu vergessen ist die Einflussnahme der AfD-Militärs auf Schule und Bildungswesen. Und auch das darf nicht fehlen: Die Soldaten seien zur »physischen und psychischen Robustheit« zu ertüchtigen, und ihre Ausbildung orientiere sich an der Realität des Kampfes. Auf den Umgang mit »Verwundung und Tod« seien sie vorzubereiten (Quelle: https://kurzlinks.de/AfD-Bundeswehr).