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Herausgegeben von Rainer Butenschön, Daniela Dahn, Rolf Gössner,
Ulla Jelpke und Otto Köhler

Begründet 1997 von Eckart Spoo

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Einig mit der AfD

Rund 20 Pro­zent der 151 Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten der AfD sind Berufs­sol­da­ten, Offi­zie­re oder Poli­zi­sten. Sie schicken sich an, ver­stärkt Kriegs­tüch­tig­keit und Gewalt­aus­übung zu pro­pa­gie­ren. Auch die Frak­ti­ons­füh­rung der AfD gab sich über­rascht, als aus die­sen Krei­sen die For­de­rung nach eige­nen deut­schen Atom­waf­fen – dies for­dert auch der CDU/C­SU-Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Jens Spahn – und nach sofor­ti­ger umfas­sen­de­rer Wie­der­ein­füh­rung der Wehr­pflicht (auch für Frau­en) auf­ge­stellt wur­de. Nach der Som­mer­pau­se ist mit einem Bun­des­tags­an­trag der AfD für die Wehr­pflicht zu rech­nen. In sei­ner Rede im Ple­num am 16. Juli sprach sich AfD-MdB und Oberst Rüdi­ger Lucas­sen dafür aus. Er spen­de­te viel Lob für die aktu­el­le Mili­tär­po­li­tik der CDU. Vor allem stimm­te er ihr dar­in zu, dass Deutsch­lands zur stärk­sten Mili­tär­macht Euro­pas wer­den müs­se. Euro­pas oder der EU? Das ließ er offen.

Rück­kehr der Wehr­pflicht, Auf­rü­stungs­explo­si­on und Kriegs­tüch­tig­keit – fast das gesam­te Par­la­ment ist sich über die »neue Sicher­heits­po­li­tik« einig, so auch die Main­stream-Medi­en. Der Zwei-plus-Vier-Ver­trag mit sei­ner Ori­en­tie­rung auf eine gesamt­eu­ro­päi­sche Sicher­heit wird bei­sei­te­ge­scho­ben. Aus der AfD und in der Umge­bung von Uni­ons­frak­ti­ons­chef Jens Spahn wird eine wei­te­re »Opti­on« im Umgang mit Russ­land genannt, die Opti­on des Atom­kriegs. Auch aus Sicht des AfD-MdB und Oberst Rüdi­ger Lucas­sen gehört dazu eine nuklea­re Auf­rü­stung Deutsch­lands und eine Wehr­pflicht für alle, auch für Frau­en. Das steht ganz oben auf der For­de­rungs­li­ste des AfD-Bun­des­wehr-Arbeits­krei­ses in der Bun­des­tags­frak­ti­on der pro­fa­schi­sti­schen Par­tei. »Deutsch­land braucht eige­ne Atom­waf­fen«, so wird eine alte For­de­rung des CSU-Scharf­ma­chers Franz-Josef Strauß (1915-1988) von der AfD auf­ge­grif­fen. Für die Frau­en­wehr­pflicht sol­le bald das Grund­ge­setz geän­dert wer­den. Aus der sich oft als Anti­kriegs­par­tei aus­ge­ben­den AfD klingt es wie aus dem Regie­rungs­la­ger: »Die Welt­la­ge ver­än­dert sich rasant, Euro­pa arbei­tet an einer eige­nen – von den USA unab­hän­gi­gen – Sicher­heits­ar­chi­tek­tur.« Mit der Atom­waf­fen­for­de­rung set­zen Lucas­sen (AfD) und Spahn (CDU) noch eins drauf.

Er sage nicht, dass der rus­si­sche Prä­si­dent Wla­di­mir Putin Deutsch­land angrei­fen wol­le, beton­te Lucas­sen, »ver­tei­di­gungs­po­li­ti­scher« Spre­cher der AfD-Frak­ti­on im Bun­des­tag. »Aber es ist eine Opti­on.« Des­we­gen gel­te: »Wenn der nuklea­re Schutz­schirm der USA fehlt, muss Euro­pa (gemeint ist die EU) selbst han­deln.« Deutsch­land müs­se selbst nukle­ar abschreckungs­fä­hig wer­den – »im Rah­men einer stra­te­gi­schen Auto­no­mie Euro­pas und eines Systems kol­lek­ti­ver Sicher­heit mit einer eige­nen Mili­tär- und Kom­man­do­struk­tur«. Ähn­lich äußer­te sich der AfD-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Han­nes Gnauck, bis­her Vor­sit­zen­der der AfD-Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on Jun­ge Alter­na­ti­ve (JA), die sich auf­löst. »Deutsch­land braucht einen eige­nen nuklea­ren Schutz­schirm«, zitier­te ihn das Nach­rich­ten­por­tal DTS. Eine stra­te­gi­sche Part­ner­schaft mit Russ­land, zum Bei­spiel im Han­del oder in der Ener­gie­ver­sor­gung, sei zu befür­wor­ten. »Man darf aber dabei nicht ver­ges­sen: Die­ses Russ­land ist nicht unser Freund.« Im Rah­men der aktu­el­len Nato-Poli­tik müs­se Deutsch­land die füh­ren­de Rol­le in dem Bünd­nis über­neh­men. Nuklea­re Abschreckung sei ein wesent­li­cher Bestand­teil, um die Erpress­bar­keit von Staa­ten zu redu­zie­ren, so äußer­te sich Lucas­sen in der Welt.

Spahn hat­te die Atom­waf­fen­de­bat­te befeu­ert, die auch schon der soge­nann­te Poli­tik­wis­sen­schaft­ler Her­fried Mün­k­ler auf­ge­bracht hat­te: »Wer nicht nukle­ar abschrecken kann, wird zum Spiel­ball der Welt­po­li­tik«, sag­te Spahn der Welt am Sonn­tag. Spre­cher der Grü­nen und der SPD wie­sen weder Spahns Vor­stoß noch den der AfD zurück. Die Grü­nen bedau­er­ten, dass nicht noch mehr Geld für die Rüstung aus­ge­ge­ben wer­den kön­ne, und dar­an sei Spahn mit sei­nem Mas­ken-Deal schuld, der so viel Geld ver­schlun­gen habe. So wur­de es der Welt gesagt. »Statt Mil­li­ar­den an Scha­dens­er­satz zu zah­len, könn­ten wir längst zusätz­li­che Muni­ti­on beschaf­fen oder mehr Luft­ver­tei­di­gung finan­zie­ren,« So die ein­sti­ge »grü­ne Frie­dens­par­tei«. Nur die LINKE hält deut­sche Atom­waf­fen für ein »abso­lu­tes No-Go«. »Die Auf­rü­stung mit eige­nen Atom­waf­fen ist der End­punkt einer inzwi­schen nach oben offe­nen mili­tä­ri­schen Auf­rü­stungs­wel­le«, sag­te Ulrich Tho­den, ver­tei­di­gungs­po­li­ti­scher Spre­cher der LIN­KEN-Bun­des­tags­frak­ti­on. »Wer immer mehr auf­rü­stet, macht Krieg immer wahr­schein­li­cher.« Eine deut­sche Betei­li­gung an Atom­waf­fen wür­de »die Nach­kriegs­ord­nung völ­lig auf den Kopf stel­len«. »Atom­waf­fen mit deut­scher Mit­ver­fü­gungs­ge­walt sind das letz­te Tabu, das nun Jens Spahn auch noch schlei­fen will«, so Thoden.

»Deutsch­lands Sicher­heit steht auf dem Spiel«, behaup­tet hin­ge­gen der AK Ver­tei­di­gung der AfD, und erklärt, »was jetzt zu tun ist, um die Bun­des­wehr wie­der stark zu machen«. Der AK nennt sich »die ver­tei­di­gungs­po­li­ti­sche Ideen­schmie­de der AfD-Bun­des­tags­frak­ti­on«. Einer ihrer Spre­cher sag­te: »Hier ent­ste­hen par­la­men­ta­ri­sche Initia­ti­ven und hier berei­ten wir die Sit­zun­gen des Ver­tei­di­gungs­aus­schus­ses des Bun­des­tags vor.«

Jedes Mit­glied des Arbeits­krei­ses Ver­tei­di­gung ver­fügt über einen mili­tä­ri­schen Hin­ter­grund. Stolz wird ver­kün­det: »So viel Exper­ti­se in Fra­gen der Lan­des­ver­tei­di­gung gibt es in kei­ner ande­ren Frak­ti­on des deut­schen Bun­des­ta­ges. Für uns ist die Lan­des- und Bünd­nis­ver­tei­di­gung die erste und wich­tig­ste Auf­ga­be unse­rer Bun­des­wehr. An die­sem Auf­trag müs­sen sich Per­so­nal­stär­ke und Aus­rü­stung ori­en­tie­ren. Aus­lands­ein­sät­zen stim­men wir unter stren­gen Auf­la­gen zu.« Sie müs­sen »ein­deu­tig und aus­schließ­lich im Inter­es­se unse­res Lan­des und sei­ner Bür­ger lie­gen.« Um »deut­sche Inter­es­sen« zu wah­ren, brau­che es »eine star­ke Bun­des­wehr und eine selbst­be­wuss­te Sicher­heits- und Ver­tei­di­gungs­po­li­tik«. Die deut­schen Streit­kräf­te sei­en heu­te in kei­nem guten Zustand. Das sei zu ändern. Der AfD-Arbeits­kreis Ver­tei­di­gung set­ze sich für eine deut­li­che Erhö­hung des Mili­täre­tats und die Voll­aus­stat­tung deut­scher Streit­kräf­te ein. Das bedeu­te: Mehr Per­so­nal, das frei­wil­lig nicht gewon­nen wer­den kann und das zudem auch unter­ge­bracht und aus­ge­bil­det wer­den muss. »Die Aus­set­zung der Wehr­pflicht war einer der schwer­wie­gend­sten Feh­ler der Regie­rung Mer­kel. Die Bun­des­wehr ver­liert nicht nur ihre soli­de Ver­an­ke­rung in der deut­schen Gesell­schaft, es fehlt ihr auch an Nach­wuchs. Wir brau­chen moti­vier­te und cha­rak­ter­star­ke Offi­zie­re, Unter­of­fi­zie­re und Sol­da­ten aus allen Tei­len unse­res Vol­kes. In Deutsch­land war die Wehr­pflicht über 200 Jah­re (!) hin­weg dafür der Garant. Die AfD setzt sich als ein­zi­ge Par­tei für die Wie­der­ein­set­zung der Wehr­pflicht ein.« So heißt es in einer im Inter­net ver­brei­te­ten Erklä­rung aus dem Arbeitskreis.

Neben den Abge­ord­ne­ten des Arbeits­krei­ses Ver­tei­di­gung, die zumeist Reser­vi­sten sind, gehö­ren der AfD-Frak­ti­on auch zahl­rei­che Mit­glie­der an, die aus dem Poli­zei­be­reich kommen.

Nicht ohne Ein­fluss ist nach wie vor der ehe­ma­li­gen Drei­ster­ne-Gene­ral der Luft­waf­fe und Ex-AfD-MdB Joa­chim Wund­rak. Zu ihm muss man wis­sen: Er war Kom­man­deur des Luft­ein­satz­kom­man­dos in Kal­kar und der JAPCC-Denk­fa­brik der Nato mit ein­deu­tig aggres­si­ven Kon­zep­ten. Die Nato-Stra­te­gie­schmie­de JAPCC (Ver­ein­tes Luft­kraft-Kom­pe­tenz­zen­trum) tagt seit 2015 in Essen und wur­de jah­re­lang von Wund­rak als Direk­tor geleitet.

Das Esse­ner Frie­dens­fo­rum wird mit sei­nen Bünd­nis­part­nern auch die­sen Herbst wie­der eine Frie­dens­de­mon­stra­ti­on aus Anlass der mili­tär­stra­te­gi­schen, von AfD-Mili­tärs beein­fluss­ten Kon­fe­renz durch­füh­ren. Die­se bera­ten über Mög­lich­kei­ten »effek­ti­ver Kriegs­füh­rung« aus der Luft und aus dem All. Schon vor zehn Jah­ren hat das JAPCC einen gro­ßen Krieg in Euro­pa vor­her­ge­sagt und nicht-nuklea­re und nuklea­re Pla­nun­gen verbunden.

Wer nicht ober­fläch­lich an die Sache her­an­geht, der erkennt: Die AfD ist nicht nur eine Par­tei des Ultra­na­tio­na­lis­mus und des Ras­sis­mus, son­dern auch eine Par­tei des Krie­ges und des Mili­ta­ris­mus. Bereits in der ver­gan­ge­nen Legis­la­tur­pe­ri­ode wur­de die Zustim­mung zum ins Grund­ge­setz ein­ge­füg­ten Son­der­ver­mö­gen for­mu­liert. Die AfD sagt: »Es darf das jähr­lich schwan­ken­de Bud­get­recht des Par­la­ments nicht dazu füh­ren, dass die Ein­satz­be­reit­schaft der Bun­des­wehr (…) zur Dis­po­si­ti­on steht.« Das ist ein­deu­tig. Wei­ter: »In einer zukünf­ti­gen Struk­tur der Bun­des­wehr wird die Reser­ve dar­über hin­aus stär­ker mit der ter­ri­to­ria­len Ver­tei­di­gung ver­bun­den.« Wei­te­re For­de­run­gen der AfD: Das Reser­ve­korps der Bun­des­wehr unter­stützt die Poli­zei, soll also auch für Ein­sät­ze im Innern ein­ge­setzt wer­den. Sei­ne Stär­ke soll 50.000 Sol­da­ten betra­gen. Nicht zu ver­ges­sen ist die Ein­fluss­nah­me der AfD-Mili­tärs auf Schu­le und Bil­dungs­we­sen. Und auch das darf nicht feh­len: Die Sol­da­ten sei­en zur »phy­si­schen und psy­chi­schen Robust­heit« zu ertüch­ti­gen, und ihre Aus­bil­dung ori­en­tie­re sich an der Rea­li­tät des Kamp­fes. Auf den Umgang mit »Ver­wun­dung und Tod« sei­en sie vor­zu­be­rei­ten (Quel­le: https://kurzlinks.de/AfD-Bundeswehr).