Im Berliner Ensemble, das mehr durch Personalquerelen als mit Stücken in letzter Zeit Aufmerksamkeit erreicht, siehe z. B. Nachtkritik.de (Nacht ja, Kritik nun ja), gibt es gerade »Die heilige Johanna der Schlachthöfe« von Bertolt Brecht. Ja, das Stück ist von Brecht, das merkt man auch, aber es ist auch noch etwas anderes, das, was man aus ihm macht. Statt Klassenkampf ist auch hier Wokeness oder wie immer man diese Art der Ablenkung nennen möchte.
Mauler, der Großkapitalist, wird von einer Frau gespielt – von Stefanie Reinsperger, die gerne vor allem sich selbst spielt, was nicht zu übersehen, geschweige denn zu überhören ist. Ob sie Mauler spielt oder sich selbst, ist eine Frage, auch wie sie spielt, ob das der Geschichte nutzt oder von ihr ablenkt?! Johanna wiederum wird wie ein überraschend lautes Mäuschen gespielt von Kathleen Morgeneyer, ein Mann darf auch mitspielen, der Rest wird von Frauen gespielt, die zumindest auf der Bühne zeigen, dass sie auch nicht nur Engel sind. (Aber ist das noch interessant?)
Das Stück ist etwas in die Jahre gekommen, obwohl die Auswirkungen des Konkurrenzkampfes und der kapitalistischen Wirtschaftskrise aktuell sind, man hätte als Schlagzeilen auch geplante Massenentlassungen im Maschinenbau, der Autoindustrie usw. an die Wand projizieren können.
Die Bühne ist leer, die Wände eignen sich als Projektionsfläche und für beziehungsreiche Schattenspiele, nicht schlecht.
In der Pause irrt eine einsame »Linken«-Spitzenpolitikerin durch die Gänge, macht einen unglücklichen Eindruck, vielleicht weil es mit deren Friedenspolitik nicht mehr weit her ist? »Die LINKEN verschiedener Bundesländer haben im Bundesrat dem Beschluss des Schulden- und Kriegspakets zugestimmt« (siehe Nachdenkseiten vom 21.3.). Vielleicht wurde sie ja wie Herr Aiwanger in Bayern sanft gedrückt, entweder du stimmst zu oder du fliegst aus der Regierung? Und wer riskiert schon diese schönen Pöstchen?! (Zum Marsch durch die Institutionen: »Dazu müssen sie aber zunächst die Institutionen akzeptieren, sich ihnen unterwerfen. So verändert sich aber, auch wenn sie es nicht wollen, ihre politische Qualität.« J. Agnoli) Was bleibt ist Theaterdonner.
Das Stück ist meines Erachtens nicht ganz gelungen, die Spekulationen am Fleischmarkt etwas zu kompliziert für ein Theaterstück, die Auswirkungen der kapitalistischen Krisen sind auch so darstellbar. Die Ursachen werden im Stück und auf den Bretterbühnen benannt, was aber so vorbeirauscht; das Publikum ist zum Mitsingen so schwer zu bewegen wie vielleicht zum Mitdenken? Dass im Stück Kommunisten auftauchen, regt nun keinen mehr auf, Hoffnungsträger gibt es heute keine mehr, oder wenige, oder sie haben wieder Berufsverbote.
Die Kapitalistin, die, wie gerne bei Brecht, ihre zwei Seiten hat, das hat sich nun ganz erledigt. Diese sehen wir nicht mehr, nirgends. Welche zwei Seiten sollten auch ein Würth, Gates, Musk usw. usf. haben? Welche zwei Seiten ein Merz, der die Rolle des Maulers, dank entsprechender Erfahrung, besser hätte spielen können. Oder ist das Kunst und Kultur, was früher die Schwarzhüte waren?
Wir sind mit dem BE nicht zufrieden, aber da die Sparpeitsche das Berliner Kulturleben hart zu züchtigen droht, obwohl es doch keineswegs über die Stränge schlug … Wer will uns da die Zeit spiegeln, sie in Worte fassen, die kein Kulturbeauftragter und keine FAZ hören will?
In der Pause haben wir es vorgezogen, eine solche zu machen, dass diese nun auch noch mit Programm gefüllt werden muss, zeigt nur, dass es im BE auch keinen Raum mehr geben soll, wo man in der Unterhaltung über das Stück zu einem kritischen Gedanken kommen könnte. Solange diese gezähmt und eingehegt auf der Bühne paradieren, ist doch alles in Ordnung. Ja wir möchten Pause!
Übrigens scheint es mir mit dem Geschäft mit dem schlechten Gewissen so eine Sache. Das schaffen die Kirchen immer schlechter. Kunst und Kultur, das heißt z. B. das Museen-, Galerieunwesen und den Bildermarkt hat es in ungeahnt Höhen (Spekulation) getrieben, aber dass diese nicht mehr systemrelevant sind, hat sich schmerzlich erwiesen. Systemrelevant sind die Gefängnisse, Richter, die diese gerne füllen, die Panzer und Kanonen, die immer auch nach hinten (und im Inneren) eingesetzt werden können, Polizei und die alimentierte Zivilgesellschaft (NGO), die ihre Unschuld verkauft hat.
Stoff für Stücke gibt es genug, wir warten. Wir danken für die nötige Erklärung von Herrn Joseph Vogl im gratis verteilten Programmheft.